Getrübte Feierlaune in Hamburg?

Peter Thiel investiert in Kreditech – es war die Knallernachricht der letzten Woche. Und es war eine Meldung, die dem Hamburger Scoring-Startup äußerst gelegen kam. Denn über den Verbleib der für das Frühjahr groß angekündigten Serie-C-Finanzierung wunderten sich schon verschiedene Beobachter. Dazu kam: Am Mittwochabend hatte sich das Manager Magazin mit einem Fragenkatalog zur vermeintlich schwierigen Finanzlage des Unternehmens an Kreditech gewandt – es drohte schlechte, ganz schlechte PR.

Dass am nächsten Morgen die Nachrichtenagentur Reuters die Meldung über das Thiel-Investment auf den Ticker gab, dürfte daher mehr als nur ein glücklicher Zufall gewesen sein. Auch wenn CEO Sebastian Diemer auf Facebook schrieb, die Neuigkeit sollte „noch gar nicht an die Öffentlichkeit“ (und das später wieder löschte) – sie wirkte durchgestochen. Wer den Leak initiiert hat, ist am Ende allerdings egal – für Kreditech waren es gute Nachrichten zur rechten Zeit. Laut Manager Magazin ließ der CEO zur Feier des Investments „eine große Party“ ausrichten.

Nur: Hat Kreditech wirklich Grund zum Feiern? Daran kann gezweifelt werden – aus drei Gründen. Das hat mit der aktuellen Serie C zu tun (1.), mit einer bislang nicht bekannten Überbrückungsfinanzierung (2.) und den diskussionswürdigen Wachstumszahlen des Startups (3.).

1. Die berühmt-berüchtigte Serie C

40 Millionen Euro bereits eingesammelt, in Gesprächen für weitere 100 bis 150 Millionen und Peter Thiel mit einem zweistelligen Millionenbetrag dabei: Das waren die Eckdaten der Serie-C-Finanzierung, wie sie in der Reuters-Meldung kolportiert wurden – teils unter Berufung auf „mit der Angelegenheit vertraute Personen“, teils unter Berufung auf CFO René Griemens.

Das Manager Magazin meldete schon letzte Woche Zweifel an diesen Zahlen an, berichtete von deutlich geringeren Summen und von Problemen, Geldgeber zu überzeugen. Gegenüber Gründerszene weist Finanzchef Griemens solche Überlegungen mit Nachdruck zurück: „Wir streben mittelfristig einen Börsengang an, da können wir uns doch eine sachlich fehlerhafte Investorenkommunikation nicht erlauben?!“ Zum Thiel-Investment lehnt Griemens einen Kommentar ab – was die Gesamtsumme angeht, könne er aber bestätigen, „dass insgesamt ein Betrag von knapp unter 40 Millionen Euro (verbindlich) aufgenommen wurde und der überwiegende Teil (knapp drei Viertel) dieses Geld von mehreren namhaften neuen Investoren kommt, ein kleinerer Teil von bestehenden Investoren“.

2. Eine Brückenfinanzierung

Tatsächlich hat Kreditech offenbar neue Geldgeber gefunden, das zeigen im Handelsregister verfügbare Dokumente. Die Frage ist allerdings, wie viel und zu welchen Konditionen investiert wurde. Allem Anschein nach saßen die Investoren bei diesen Verhandlungen am längeren Hebel.

Demnach wurde schon Ende Mai mit dem britischen VC Amadeus Capital sowie mit KTE Investment ein Vertrag über die Gewährung von Wandeldarlehen geschlossen. Bei Ausübung der Wandeloption würden daraus Vorzugsgeschäftsanteile der Serie B werden. Der Deal dürfte Teil einer Brückenfinanzierung gewesen sein, die im Frühjahr mit einem einstelligen Millionenbetrag das Überleben der Firma gesichert hat.

Update, 13. Juli: Kreditech weist darauf hin, dass die Wandeldarlehen anders als ursprünglich beschrieben nicht automatisch in die Serie B konvertieren, sondern dies nur eine „Fall-Back-Option“ für den Fall sei, dass keine weitere Finanzierungsrunde stattfindet. Stattdessen seien die Investoren verpflichtet, in der nächsten Runde zu wandeln, ohne die dortige Bewertung zu kennen.

Die erste Version des Artikels erschien am 7. Juli, die betroffenen Passagen wurden angepasst.

In den Dokumenten gibt es auch einen Hinweis auf den gefeierten neuen Investor Peter Thiel. In einer Reihe von Vollmachten geben die Kreditech-Gesellschafter die Erlaubnis, „über die Gewährung eines Wandeldarlehens mit Investoren einschließlich Amadeus und Thiel Capital“ eine Vereinbarung zu treffen.

3. Wachstumsschmerzen

Wandeldarlehen sind für Investoren ein loseres Commitment als die Finanzierung mit Eigenkapital. Häufig werden damit kurzfristige Liquiditätsengpässe überbrückt. Der Hintergrund kann auch sein, dass das Unternehmen und seine Geldgeber sich zunächst nicht über die Bewertung einigen können.

Warum konnten die Investoren auf diese Konditionen pochen? Weil das Unternehmen mit seinen Wachstumszahlen unter den Erwartungen blieb? Weil das Geld dringend gebraucht wurde? Oder aus beiden genannten Gründen?

Eigentlich sollte Wachstum ja kein Problemthema für Kreditech sein. Mitte Mai sagte Griemens der Nachrichtenagentur Reuters noch, man wachse „mit ungefähr 400 Prozent pro Jahr“. In der letzten offiziellen Pressemitteilung anlässlich der Teilnahme am Venture Network der Deutschen Börse war von „300 bis 400“ Prozent die Rede. Doch aus Unternehmenskreisen heißt es, im Bezug auf vergebene Kredite habe das Wachstum im letzten Jahr seit April eher bei 100 Prozent gelegen. Zwischen Oktober und April sei das Wachstum ganz ausgeblieben oder sogar negativ geworden.

G Tipp – Lesenswert bei Gründerszene „Internes Sicherheitsereignis“: Datendiebstahl bei Kreditech

Griemens sagt dazu: „Der wesentliche limitierende Faktor für Kreditechs Wachstum war in der Vergangenheit und ist derzeit immer noch die Finanzierung.“ Deshalb gebe es „Monate, in denen wir langsamer wachsen (wenn wir mal wieder eine neue Finanzierung durchführen) und Monate, in denen wir schneller wachsen (wenn genug Kapital vorhanden ist)“. Das Geschäftsmodell erlaube es, „das genau auszusteuern, weil Du das Business sehr schnell Cashflow-positiv drehen kannst, indem Du Wachstum reduzierst“.

Der Kreditech-CFO führt weiter aus, „dass wir bisher immer dann, wenn wir genug Kapital haben, mit etwa 400 Prozent pro Jahr wachsen“. Die Zahl sei „eine Kombination von höherem Wachstum bei den Ratenkrediten, Flexikrediten, Karten und anderen innovativen Produkten (derzeit über 600 Prozent) und [einem niedrigeren] Wachstum bei den Mikrokrediten. Da wir die Mikrokredite in 2016 auslaufen lassen wollen, muss das Wachstum für dieses Produkt logischerweise irgendwann negativ sein. Ist es derzeit noch nicht, bei den Erstkunden aber sehr wohl, weil wir diese mittlerweile überwiegend für die zukünftigen Kernprodukte akquirieren. In diesem Bereich sind wir so stark gewachsen, dass die zukünftigen Kernprodukte (also die Nicht-Mikrokredite) mittlerweile für die Kreditech-Gruppe insgesamt bei Neukunden mehr als 50 Prozent ausmachen (in Spanien und Polen 75 Prozent und mehr), Tendenz schnell wachsend.“

Strategieschwenk: Das Ende der Payday Loans

En passant erwähnt Griemens in diesem Statement einen fundamentalen strategischen Schwenk, der bislang nur wenig bekannt war: Die umstrittenen Mikro- oder Kurzzeitkredite sollen nur noch bis ins kommende Jahr angeboten werden. Das liegt auch daran, dass die regulatorische Luft in diesem Markt dünner wird – immer mehr Regierungen schieben Kreditangeboten mit Wucher-Zinssätzen einen Riegel vor. Netter Nebeneffekt: Gibt Kreditech diesen Markt auf, muss sich das Unternehmen den Vorwurf, unmoralisch hohe Zinssätze zu verlangen, endlich nicht weiter anhören. Die liegen derzeit noch bei bis zu 35 Prozent – pro Monat.

Unverändert hält Kreditech nach Griemens Worten an einem „Umsatzziel von 50 bis 60 Millionen Euro für 2015“ fest. Im vergangenen Jahr, so der CFO, habe Kreditech etwas über 20 Millionen Euro umgesetzt – weshalb es offensichtlich sei, „dass wir beim Umsatz nicht mit 400 Prozent sondern mit mehr als 250 Prozent wachsen“.

Und warum? „Weil wir mit den neuen, besseren Produkten unsere Zinssätze drastisch reduzieren“, sagt Griemens. „Warum können wir die Zinssätze drastisch reduzieren? Weil unser Scoring besser ist, als das unserer Wettbewerber, die in unseren Märkten nur die viel teureren Mikrokredite anbieten können. Warum bieten wir nicht noch viel mehr und viel preiswertere Kredite an? Weil Kapital der limitierende Faktor ist (siehe oben) und wir deswegen die Verbesserung unserer Produktpalette und Verringerung der Durchschnittszinsen zwar so schnell wie möglich, aber nicht über Nacht durchführen können.“

Viel hängt für Kreditech ab von den neuen Märkten und Produkten: Gelingen dort durchschlagende Erfolge und die entsprechend guten Zahlen, dürfte es wieder leichter werden, potenzielle Investoren vom Geschäftsmodell zu überzeugen – und dann auch zu günstigeren Konditionen. Für Kreditech, versteht sich.

Bild: Gründerszene