KugelreifenDer Todesstern ist gelandet. Nicht im „Star Wars“-Universum, sondern in der Halle 2 des Genfer Autosalons. Auf einem gläsernen Podest ruht er: kugelrund und mit leuchtenden Lämpchen rundherum, die irgendwie futuristisch wirken. Die Oberfläche besteht aus vielen kleinen Sechsecken. Doch was hat ein Raumschiff-Modell auf einer Automesse zu suchen?

Die Kugel heißt Eagle 360 Urban und soll der Reifen der Zukunft sein. Derzeit werden an vielen Messeständen die ersten selbstfahrenden Konzeptautos verschiedener Hersteller gezeigt. VW stellte beispielsweise den Sedric (kurz für „Selfdriving car“) vor, der kaum noch an ein Auto erinnert, weil Motorhaube und Kofferraum genauso fehlen wie Pedale und Lenkrad. Kein Wunder also, dass der Reifen künftig auch nicht mehr aussieht wie ein Reifen – zumindest wenn es nach Goodyear geht.

Denn an die Pneus stellen die autonomen Fahrzeuge völlig neue Anforderungen als Autos von heute. Noch ist das alles Zukunftsmusik, frühestens in den 2030er-Jahren könnte der Kugelreifen tatsächlich auf den Straßen rollen. Die „Manövrierfähigkeit“ habe bei der Entwicklung im Vordergrund gestanden, erklärt Deutschlandchef Jürgen Titz.

Denn wenn kein Mensch mehr am Steuer sitzt, muss sich ein Auto auch nicht mehr zwangsläufig immer geradeaus auf vorgegebenen Spuren bewegen, sondern kann den Raum effizienter nutzen. Mit dem Kugelreifen sollen sich die autonomen Fahrzeuge daher völlig flexibel durch den Verkehr schlängeln können – vorwärts, seitwärts oder diagonal.

Antriebselemente, die wie Muskeln funktionieren

Die Außenhaut des Konzeptreifens besteht aus extrem elastischen Polymeren, die sich ausdehnen und zusammenziehen können. Darunter sitzt ein schaumartiges Material, das stark genug ist, um trotz des Fahrzeuggewichts flexibel zu bleiben. Antriebselemente unter der Haut, die wie Muskeln funktionieren, bewegen mithilfe eines elektrischen Impulses die einzelnen Sektoren, sodass bei Nässe zum Beispiel zusätzliche Vertiefungen und damit ein stärkeres Profil entstehen.
Außerdem ist der Reifen in jedem der kleinen Sechsecke mit Sensoren ausgestattet, die die Umgebung erkennen. „Wir haben ihm ein Gehirn gegeben“, sagt Titz. „So kann er mitteilen, wie es ihm geht, und sich an die Situation anpassen.“ Ist die Fahrbahn nass oder trocken? Wie ist die Temperatur? Wie gut oder schlecht ist der Belag der Straße?

All das gibt der Eagle 360 Urban nicht nur an das Fahrzeug und über das mobile Netz auch an andere Autos weiter, sondern er passt sich selbst an. Er kann sich verformen oder bestimmte Laufrichtungen vermeiden, wenn er an einer Stelle beschädigt ist. Kleine Schäden repariert der Reifen selbstständig. Dabei soll er mit einer integrierten künstlichen Intelligenz ständig dazulernen, sodass ähnliche Situationen später besser gemeistert werden können.

„Wir sind mit dem Reifen in der Lage, einzigartige Daten zu erzeugen“, sagt Titz. Und das eröffnet für Goodyear ganz neue Geschäftsmodelle. Statt nur Reifen zu verkaufen, ließen sich künftig wohl auch die gesammelten Informationen von der Straße zu Geld machen. Eine Entscheidung, ob und wie man die Daten verwertet, sei aber noch nicht getroffen, sagt Titz.

Erste Sensoren in Reifen kommen bald

Bereits in den nächsten Jahren werden konventionelle Reifen mit ersten Sensoren ausgestattet, die dann aber noch nicht die Pneus selbst verändern, sondern die gemessenen Daten zunächst an das Fahrzeug weitergeben, in dem dann Einstellungen angepasst werden können, um sich auf die Umgebung einzustellen. Künftig wird sich der Reifen wohl auch nach dem Ort richten.
Der „IntelliGrip Urban“ soll beispielsweise vor allem bei Elektroautos im Stadtverkehr eingesetzt werden. Durch ein verändertes Profil und ein härteres Material verringert sich zwar der Rollwiderstand, wodurch sich die Reichweite der Elektroautos erhöht und der Reifen weniger Geräusche macht. Weil er aber auch weniger Grip hat, wäre er bei hohen Geschwindigkeiten zum Beispiel auf der Autobahn nicht mehr so sicher.

Auch andere Hersteller wie der Zulieferer Continental denken derzeit über das künftige Geschäft mit den Reifen nach. Dort spielt man mit der Idee, die Pneus vielleicht künftig gar nicht mehr zu verkaufen, sondern inklusive Wartung und Service zu vermieten und pro gelaufenem Kilometer abzurechnen. Ein Modell, das man sich auch bei Goodyear vorstellen kann.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt Online.

Bild: Goodyear