Susanne Hahn leitet das Lab1886.

Gelingt die digitale Transformation eines Konzerns von innen heraus? Susanne Hahn ist davon überzeugt. Sie leitet die Innovationsabteilung Lab1886 und setzt vor allem auf die Kreativität der Belegschaft. Sie bezeichnen sich als die Macher, die Konzernstrukturen hinter sich lassen. Nach den Erfolgen von Car2Go und Moovel setzt Daimlers Inkubator Lab1886 große Hoffnungen auf die Beteiligung am Flugtaxi-Startup Volocopter. Ein Gespräch über Mitarbeiter mit Gründergeist, Flugtaxis und Flops.

Frau Hahn, was ist die Vision hinter dem Lab1886?

Die Vision und Strategie hinter dem neuen Konzept von 2016 war und ist, den ehemaligen Konzern-Satelliten „Business Innovation“, der nach neuen Geschäftsmodellen suchte, zu beschleunigen und einen noch größeren Mehrwert für den Konzern zu erzeugen – eine Art Innovationsmaschine, die dabei hilft, Daimler auf die Zukunft vorzubereiten. Es geht darum, die Ideen aller mehr als 280.000 Mitarbeiter zu nutzen und diese in einem Startup-ähnlichen Umfeld in Hochgeschwindigkeit zu realisieren. 

Sie wollen also vor allem den Gründergeist ihrer Beschäftigten wecken?

Tendenziell neigt man dazu, die kurzfristig anstehenden Veränderungen zu überschätzen und die langfristigen Veränderungen unterschätzt man. Es reicht nicht mehr, sich nur auf das Kerngeschäft zu fokussieren, man muss darüber hinaus denken. Wir haben einen internen Prozess gefunden, wie wir alle Konzernbereiche dazu bringen, mitzumachen, und arbeiten mit den richtigen Mitarbeitern zusammen. Sie kommen für circa ein Jahr in das Lab1886 und kehren hinterher wieder in den Linienbereich zurück oder werden Mitglied in der Geschäftsleitung der neuen Firma, die aus ihrer Idee erwachsen ist. Die Gremienstrukturen, die wir im Konzern haben, sind irrelevant für uns. Wir sind deshalb sehr schnell. 

In diese Startups hat Daimler investiert

Volocopter

Welche Rolle spielen Startups in diesem Prozess?

Accelerator Programme wie die „Startup-Autobahn“ helfen uns, mit der Startup-Welt vernetzt zu bleiben. Hier arbeiten wir zum Beispiel mit dem Accelerator Plug and Play zusammen. Wir holen die Startups zu uns nach Stuttgart oder sie kommen zu unserem Programm in China. Wir suchen Startups von außen, aber da ist der Fokus aktuell nicht ganz so groß. Wir glauben, dass insbesondere unsere Mitarbeiter gute Ideen für neue Geschäftsmodelle haben. 

Welche Strategie steht hinter diesen Aktivitäten?

Wir wollen die Nummer Eins einer neuen Mobilitäts-Ära werden. Keiner weiß so richtig, wo der Weg dorthin verläuft. Das Lab1886 besitzt da eine einzigartige Funktion, weil wir die Umsetzungskapazitäten haben. Wir sind die Macher. Wenn es bei uns eine Idee mit den entsprechenden Talenten in den Inkubator schafft, setzen wir das in einer gewissen Zeit um oder wir stoppen schnell wieder. 

Was war der größte Erfolg im Lab?

Das bekannteste ist Car2go, das 2008 von Business Innovation gelauncht wurde. Dann Moovel. Oder das erfolgreiche Projekt Remanufactoring für die Wiederverwendung von Mercedes-Benz Originalteilen. Das ist vor allem im Nutzfahrzeug-Bereich relevant. Ein Erfolg der neueren Zeit ist zum Beispiel „Ask Mercedes“ – der virtuelle Assistent, Mercedes Me Flexperience, das erste Mercedes-Benz-Abo, oder auch die Kooperation mit Volocopter. Bei letzterem geht es darum, das neue Marktsegment zu erschließen und damit verbunden eine Vielzahl an neuen Geschäftsmodellen. 

Gab es auch Flops?

Ja, sonst hätten wir unseren Job nicht richtig gemacht. Ein Thema, welches wir wieder eingestellt haben, war zum Beispiel Boost, ein Mobilitätsservice für Kinder. Das haben wir in Nordamerika getestet. Wir mussten feststellen, dass die Kosten viel zu hoch sind.

Lässt sich die Erfolgsquote von Startups quantifizieren?

Das kommt auf die Betrachtung an. Bei frühen Startups werden 90 Prozent nichts  – vielleicht sogar 95 Prozent. In der Funding-Phase sind die Erfolgsraten größer. 

Eine ihrer innovativsten Beteiligungen ist Volocopter. Welche Strategie steckt dahinter?

Wir wollen den Volocopter langfristig für urbane Mobilität einsetzen – als Flugtaxi on Demand, das über eine App buchbar ist. Wir können uns vorstellen, die Fluggeräte mit unseren Technologien zu ergänzen. Wir denken uns da aktuell viele Geschäftsmodelle aus. 

Können Sie das konkretisieren?

Mit einem vollelektrischen Antrieb fliegt der Volocopter mit der derzeitigen Technologie knapp 30 Kilometer. Wenn man die Reichweite erhöhen möchte, muss man eventuell in hybriden Modellen denken. Wir haben Technologien, die man ergänzen könnte. 

In letzter Zeit ist die Zahl der Robo-Flugtaxis enorm gestiegen. Wo steht Volocopter im Vergleich zu seinen Mitbewerbern?

Der Volocopter ist im Herbst in Dubai acht Minuten vollautonom und vollelektrisch geflogen. Wir glauben, dass Volocopter in der technischen Entwicklung zwei Jahre Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern hat. Die Gründer haben einen exakten Plan. Sie wissen, was sie können, und sie verstehen ihr Geschäft. Zudem passt das Konzept gut zu unseren Markenwerten Sicherheit und Nachhaltigkeit, zum Beispiel wegen der durchgängig redundanten Systeme.  

Reicht es, eine neue Technologie zu entwickeln? 

Grundsätzlich kann man sagen, dass es Herausforderungen in drei Feldern gibt: Technologie, Infrastruktur und Regulatorik. Bei der Technologie ist Volocopter gut aufgestellt und gemeinsam können wir gegebenenfalls noch stärker werden. Eine Infrastruktur ist vonnöten – also zum Beispiel Landepads. In das Thema Regularien kommt ebenso Bewegung, teilweise sitzen die Behörden, wie es zuletzt in den USA der Fall war, begeistert im Volocopter und fragen, wann sie fliegen dürfen. Das Rennen im neuen Segment hat gestartet und Fliegen ist ein Traum, der Emotionen weckt. Das sind gute Voraussetzungen, um den Markt ans Laufen zu bringen.

Wie sehen Ihre Pläne für 2018 aus?

Wir haben über 25 sehr aussichtsreiche Projekte im Inkubator. Die Pipeline an Ideen für neue Geschäftsmodelle, die wir pilotieren, ist für die nächsten Jahre gefüllt. 

Bild: Daimler