Laubwerk ilb frühphasenfonds interview

Laubwerk: Kapital vom Frühpasenfonds Brandenburg

Es muss ja nicht immer Abo-Commerce sein oder die Mobile-Social-App: Seit drei Jahren gibt es nun das Startup Laubwerk – Digitale Botanik (www.laubwerk.com). Das im Mai 2010 gegründete IT-Unternehmen bietet Software zur digitalen Darstellung von Vegetation in Architektur, Medien und Entertainment an, mit der „authentisch aussehende, dynamische 3D-Pflanzen“ an Architekten, und 3D-Spezialisten vermarktet werden soll – bislang eher im Stillen. Nun beteiligt sich der Frühphasenfonds Brandenburg, aufgelegt von der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) im Auftrag des Brandenburger Wirtschaftsministeriums, an dem seit Kurzem in Potsdam ansässigen Jungunternehmen. Der Umfang der Finanzierung wurde nicht genannt.

Mit den aufgenommenen Mitteln und zusätzlichem Kapital eines Privatinvestors will die Laubwerk GmbH die Produktlinie und weltweite Vermarktung ausbauen und die eigene Kerntechnologie für Enterprise-Lösungen weiterentwickeln – was insbesondere attraktiv für die Investoren sein dürfte. Gründerszene sprach mit den beiden Geschäftsführern Philip Paar und Timm Dapper darüber, wie sich das Unternehmen bislang durchgeschlagen hat, wie das Startup auch mit Tiefs und Stagnation umgegangen ist und was Laubwerk mit dem Grafikkartenhersteller Nvidia verbindet.

Wie seid Ihr eigentlich auf die Idee gekommen, eine Startup für 3D-Vegetation zu gründen?

Philip: Bei mir war als Berliner Pflanze und Mauerkind die Sehnsucht nach Natur so groß, dass ich als Teenager meine 68er-Eltern zu einem Schrebergarten überredet habe und in den 90er Jahren an der TU Berlin Landschaftsplanung studiert habe. An der Uni habe ich mich dann mit CAD, Geografischen Informationssystemen und computergrafischen Landschaftsdarstellungen intensiv beschäftigt.

Vor der Gründung von Laubwerk habe ich das Spin-off Lenné3D mitgegründet, das sich mit der Visualisierung von Gärten und Landschaften beschäftigt. Pflanzen sind hier wie überall, wo Landschaften dargestellt werden, omnipräsent, und ich habe verzweifelt nach einer zufriedenstellenden Lösung gesucht.

Timm: Ich hatte in den letzten 15 Jahren immer wieder mit den Unzulänglichkeiten existierender Software oder Contents zu kämpfen, insbesondere hinsichtlich Qualität und dem Trade-off zwischen Speicherbedarf und Detailgrad. Diese Probleme haben mich über eineinhalb Jahrzehnte in Projekten von Architekturvisualisierungen bis zu Visual Effects für Film oder Werbefilm immer wieder begleitet. Ein wirklich überzeugender Ansatz ist in dieser Zeit nie aufgetaucht.

Philip: Im Jahr 2005 sind wir uns in Berlin beim Wettbewerber Xfrog über den Weg gelaufen, und haben 2009 beschlossen, dass wir selber was auf die Beine stellen müssen.

Laubwerk gibt es schon seit einer Weile. Wieso hat es recht lange gedauert, bis ihr eine größere Finanzierung bekommen habt?

Timm: Wir hatten es gar nicht von Anfang auf eine Finanzierung angelegt. Unser Ansatz war die Lösung konkreter Probleme, die wir in unserem vorherigen Arbeitsleben hatten. Das war eine Interessante Herausforderung und ein durchaus tragfähiges Geschäft, aber es schien uns aufgrund einer gewissen „Nieschigkeit“ in Kombination mit unseren guten Branchenkontakten eher für einen Bootstrapping-Ansatz geeignet. Kontakte zu Kapitalgebern gab es schon seit 2010 immer wieder, allerdings waren wir uns und manchmal auch die Investoren sich nicht sicher, ob das wirklich passt.

Über den Verlauf unserer Arbeit ist uns dann bewusst geworden, dass wir mehr Zeit für eine wirklich tragfähige Softwarearchitektur brauchen. Weiterhin hat uns die eingehende Beschäftigung mit der Thematik sowie eine Reihe von Marktentwicklungen gezeigt, dass unsere Technologie für weit größere Marktsegmente als ursprünglich gedacht interessant ist.

Philip: Zwischendurch kamen Biotech-VCs mit quasi gezücktem Term Sheet auf uns zu und mussten leider enttäuscht werden. Der BFB Frühphasenfonds Brandenburg vertreten durch bmp und wir sind bereits bei einem Pitch in Potsdam im April 2012 aufeinander aufmerksam geworden, vertieft haben wir die Gespräche allerdings erst später.

Timm: Wir haben uns zunächst auf die Fertigstellung unseres ersten Produktes konzentriert und auch einen privaten Investor überzeugen können. Ende des Jahres, nach dem Release unseres ersten Produktes, ist dann der BFB bei uns eingestiegen.

Wie habt ihr Euch vorher finanziell über Wasser gehalten?

Philip: Uns wird eine gewisse Zähigkeit nachgesagt, aber ohne Exist- und Beuth-Gründerstipendium wäre es sicherlich anders gekommen. Das sind wirklich tolle Chancen, vor allem, wenn man wie wir eine aufwändige Kerntechnologie erst noch entwickeln muss. Die einzelne Stipendiendauer ist dafür insbesondere bei Exist allerdings etwas zu knapp. Die Stipendien nehmen einem aber auch den Druck, zu schnell in den Markt zu gehen.

Timm: Ich kam aufgrund der Förderregelungen leider erst 2012 in den Genuss des Beuth-Gründerstipendiums und habe davor mein Geld bei Filmproduktionen und Softwareentwicklung verdient. Das ist sicherlich auch ein weiterer Grund, weshalb es bei uns etwas länger gedauert hat.

Wie waren die vergangenen knapp drei Jahre für Euch? Sicherlich gab es auch Abschnitte, in denen es nicht so gut lief…

Timm: Wir hatten 2010 bereits eine Vertriebskooperation mit einem amerikanischen 3D-Softwarehersteller. Dann wurde deutlich, dass wir etwas länger brauchen als geplant und deren nächste Softwareversion auch schon in den Startlöchern stand. Bei dem Update gab es dann auch noch Änderungen der Programmierschnittstelle. Schließlich haben wir unsere Strategie angepasst und ein Produktrelease für eine andere Softwareplattform vorgezogen. Sowas kostet natürlich Zeit und Nerven. Weiterhin hat sich 2011 noch die Zusammensetzung unseres Gründerteams geändert, was ebenfalls ein herber Rückschlag war.

Schafft man das, ohne Mitarbeitern schlechte Nachrichten überbringen zu müssen?

Philip: Da wir anfangs mit einer Bootstrapping Strategie geplant haben, waren wir sehr schlank aufgestellt. Das hat zwar einerseits Zeit gekostet, andererseits aber auch unsere laufenden Kosten im Zaum gehalten. Die Möglichkeit, die Kosten von Mitarbeitern über eine Förderung als Innovationsassistent für eine Zeit zu dämpfen, hat auch geholfen.

Timm, was siehst Du – neben der reinen Technik – als wichtigstes Element in Eurem Geschäft an?

Unsere Kunden sind Augenmenschen. Die Technik muss stimmen, aber letztlich ist sie für viele einfach nur Mittel zum Zweck. Wir müssen auch beweisen, dass Kunden mit unseren Produkten tolle Bilder produzieren kann, denn das ist es, womit diese letztlich ihr Geld verdienen.

Wer sind Eure Kunden, wer die Wettbewerber – und was ist Euer Kaufargument?

Philip: Zunächst fokussieren uns wir auf Architekturvisualisierer. Denen brauchen wir nicht erzählen, warum Immobilien auch 3D-Bäume brauchen. Tatsächlich ist Vegetation in der Architektur und Landschaftsarchitektur, auch in Zeiten in denen fast alles bereits in 3D entworfen und konstruiert wird, sehr oft noch ein Photoshop-Thema.

Timm: Die etablierten Wettbewerber sind mehr als zehn bis 15 Jahre auf dem Markt, verkaufen aber alle essentiell noch die selben Produkte. Da hat es etwas frischen Wind bedurft. Die Problematik, dass Pflanzenmodelle zwar sehr komplex sein müssen um realistisch auszusehen, die Datenmengen aber schnell interaktives Arbeiten unmöglich macht, existiert nach wie vor. Hier können wir helfen! Das sieht auch zum Beispiel ein spanischer Softwareherstellers, iToo Software, mit dem wir hinsichtlich Vertrieb und Kompatibilität der Tools kooperieren, genau so.

Philip: Unter den Wettbewerbern wie Xfrog und Bionatics ist sicherlich SpeedTree der bedeutendste. Die haben einen tollen Editor für Artists, die ihre eigenen Bäume modellieren wollen.

Timm: Nur wollen 95 Prozent unserer Zielkunden aber definitiv selber keine Pflanzen modellieren. Mit unserer ersten Produktlinie, den Laubwerk Plant Kits, bekommen Kunden authentisch aussehende, gebrauchsfertige 3D-Pflanzen, die über einfache Regler hinsichtlich Jahreszeiten, Alter und Detailgrad angepasst werden können.

Was ist für die kommenden Jahre konkret geplant?

Timm: Wir werden weitere Softwareplattformen unterstützen und unsere Pflanzenbibliothek massiv ausbauen. Weiterhin wird es eine erweiterte Produktlinie geben und wir haben noch einige tolle Features in der Pipeline. Zur Erweiterung der Funktionalität arbeiten wir auch mit Nvidia Research und der Arbeitsgruppe von Oliver Deussen an der Universität Konstanz zusammen.

Philip: Weiterhin entwickeln wir einige innovativen Vertriebskonzepte, die den Test, Kauf und Einsatz unserer Modelle für den Kunden beschleunigen sollen.

Was ratet ihr jungen Gründern, die ihr eigenes Startup aufbauen wollen?

Philip: …zu einer Geschäftsidee, die die wirklichen Probleme von Kunden zu lösen verspricht.

Timm: Wenn man nicht sehr viel Glück hat, wird man irgendwann mal einen langen Atem und eine gewisse Frustrationstoleranz brauchen. Dabei hilft ein Geschäftskonzept, an das man glaubt und für das man wirklich brennt.