Der Onlinehandel wächst in atemberaubendem Tempo. Doch um die Milliarden an Paketen zu den Haushalten zu bekommen, müssen dringend neue Transportkonzepte her. Einige Städte gehen dabei mit Fantasie und Pragmatismus vor: So setzt die französische Kommune Saint-Étienne seit wenigen Wochen ausrangierte Straßenbahnen ein, um Waren in die Innenstadt zu bekommen, die von Privatkunden oder Firmen bestellt wurden.

Das Projekt heißt „Tram Fret“, die Bahnen verbinden Lagerhallen am Stadtrand mit den Innenstadtlagen. Teilnehmer ist zum Beispiel die Supermarktkette Casino. Die Vorteile sind so einfach wie überzeugend: Die Güterstraßenbahn entlastet die städtischen Straßen um Hunderte Lkw-Touren und senkt den Ausstoß an Schadstoffen, allen voran an Kohlendioxid.

Moskau setzt auf die U-Bahn für den Pakettransport

Kein anderer Bereich des Einzelhandels legt seit Jahren derart kräftig zu: Heute geben die Deutschen im Durchschnitt jeden achten Euro beim elektronischen Einkauf aus. Der gesamte interaktive Handel – in Abgrenzung zum stationären Einzelhandel – erreichte vergangenes Jahr den Rekordumsatz von 67 Milliarden Euro, das entspricht einem Plus um acht Prozent. Als Prognose für 2018 nennt der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel erneut ein Wachstum um acht Prozent.

Wenn die Innenstädte nicht einen Verkehrskollaps erleiden sollen, müssen die Einzelhändler und Transportunternehmen neue Wege in der Zustellung gehen. Andere Länder geben mit ihren Ideen die Richtung vor: In Moskau wird die U-Bahn zum Pakettransport genutzt.

Im niederländischen Utrecht fährt auf den Kanälen der Stadt ein sogenanntes Beer Boat Lieferungen aus. Ursprünglich war das von einem Elektromotor angetriebene Frachtschiff zur Versorgung von Kneipen und Restaurants gedacht. Doch mittlerweile werden bei den 18 Tonnen Fracht je Fahrt auch andere Waren über diesen Weg in der Innenstadt verteilt.

Bremer Elektrobusse fahren mit Paketanhängern

Auch in Deutschland entdecken die Transportfirmen den Nahverkehr. So bringt die Uckermärkische Verkehrsgesellschaft Paketsendungen vom Umland nach Berlin. In Norddeutschland setzt die Gesellschaft der Bremer Straßenbahn Elektrobusse ein, die in einem Anhänger Pakete transportieren. Von Innenstadtdepots aus werden sie per Fahrrad zu den Adressen gebracht.

„Gerade im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs gibt es interessante Lösungsansätze für eine Entlastung des Innenstadtverkehrs von Lieferfahrzeugen“, sagt Horst Manner-Romberg, der für den Branchenverband eine Studie erstellt hat. Nicht nur die Verkehrsmittel müssen sich ändern oder ergänzen, auch die Organisation des Transports kann noch wesentlich effizienter werden. Ein Beispiel kommt aus der japanischen Hafenstadt Yokohama.

Dort hat die Stadtverwaltung ein „Urban Consolidation Centre“ aufgebaut, ein Zentrum zum Zusammenfassen der städtischen Belieferung. Die Paketdienste müssen ihre Sendungen bei einem neutralen Dienstleister abgeben, der wiederum Hunderte von Firmen und Privathaushalten beliefert. Die Stadt hilft mit besonderen Parkplätzen und bei der Organisation. Nach den ersten Erfahrungen konnte die Zahl der Zustellfahrten um 70 Prozent verringert werden.

Amazon baut neue Paket-Hubs auf

Eine Lösung für die Verkehrsprobleme durch den Innenstadttransport liegt in der Kombination und Offenheit der Systeme. Nicht mehr die Posttochter DHL allein oder ausschließlich der Paketdienst UPS nutzen dann eine Zustellvariante, sondern alle Paketlieferdienste können dies tun.

So baut in den USA der Onlinehändler Amazon ein Netz an Paketautomaten unter dem Namen „The Hub“ auf: Diese Paketschränke stehen an Wohnsiedlungen, und in die einzelnen Paketkästen hinein können alle Onlineversender ihre Sendungen schicken. Zugang besteht über einen Code auf dem Smartphone. In China betreiben Anbieter Anlagen, die über mehr als 200.000 Paketautomaten verfügen.

In der Vergangenheit ist das Serviceniveau in der Paketzustellung stetig gestiegen. In Deutschland ist die Zustellung innerhalb von 24 Stunden nach der Bestellung zum Normalfall geworden. Doch das wird nur zu halten sein, wenn es zur Zusammenfassung von Sendungen kommt. Aus den USA kommt dazu ein Verfahren: Das Start-up-Unternehmen Doorman bietet das Kombinieren einzelner Lieferungen an.
Kunden können ein Doorman-Lager als Lieferadresse für ihre Pakete nutzen und dann eine Abendzustellung an einem bestimmten Tag ausmachen. Die einzeln zugestellte Paketsendung kostet fünf Dollar (4,10 Euro). Bei höheren Zahlen sinkt dieser Preis: Wer seine Pakete gebündelt bekommen möchte, kann über diesen Weg beim Zustellporto sparen.

Bild: Getty Images / Mario Gutiérrez

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