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Lufthansa-compressor Sebastian Herzog

Als vor zwei Jahren der Innovation Hub der Lufthansa an den Start ging, mussten Konzern und Tochter erst einmal einiges gerade rücken. Während der Hub selbst möglichst einen sogenannten Soft-Launch hinlegen sollte, gab die Konzernmutter eine Pressemitteilung heraus, dass die Fluggesellschaft eine halbe Milliarde Euro in die Digitalisierung investieren werde. Nur leider: Die halbe Milliarde stand dem Innovation Hub natürlich nicht direkt für Startup-Investments zur Verfügung.

Auch danach blieben die großen Erfolgsmeldungen erst einmal aus. Derweil wurde im Umfeld des Hubs immer wieder über im Konzerndickicht geplatzte Deals mit zum Teil namhaften Startups gesprochen. Dennoch: Das Hub-Team lernte immer besser mit den Realitäten der Zusammenarbeit umzugehen. Und änderte deshalb die Strategie: War ursprünglich geplant, hauptsächlich Partnerschaften mit Startups einzugehen, liegt der Fokus nun auf dem Prinzip Selbermachen.

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Nun feiert der Lufthansa Innovation Hub seinen zweiten Geburtstag. Im Kernteam sind 14 Mitarbeiter beschäftigt. Drei Leuchtturmprojekte hat das Team um Sebastian Herzog, der zusammen mit Holger Schneider und Gleb Tritus die Geschäfte führt, bislang an den Start gebracht:

  • AirlineCheckins soll das leidige Problem lösen, dass man für Online-Checkins die App der jeweils gebuchten Fluggesellschaft benötigt, meist verbunden mit einem persönlichen Login. Die als App und Webseite verfügbare Plattform soll laut Aussage des Innovation Hubs die Checkins von fast allen Airlines weltweit bündeln. 5.000 registrierte Nutzer aus 60 Ländern habe AirlineCheckins.
  • Die Plattform Linea, die für Kompensation sorgen soll, wenn einmal etwas schief geht. 700 Testkunden an den Flughäfen Düsseldorf, München und New York hätten den Dienst bereits getestet.
  • Den Reiseassistenten Mission Control, der sich an Geschäftsreisende richtet und eine Art Butler für Reisezwecke sein soll: Mittels SMS lassen sich Flüge oder Hotels buchen. 3.500 Inividualnutzer, 100 Firmenkunden und ein Umsatz von einer halben Million Euro nennt die Lufthansa-Einheit als Eckdaten.

„Eigene digitale Prototypen & Produkte sind das größte Differenzierungsmerkmal gegenüber strategischen Digitaleinheiten im Konzern“, verdeutlicht Herzog gegenüber Gründerszene die Gründe für das Selbstbau-Prinzip. Und hält für die Konzern-Kollegen immer ein griffiges Argument bereit: „Wenn wir es nicht selbst machen, wird es ,da draußen von jemandem gebaut – und darauf haben wir dann keinerlei Einfluss.“ Man kann sehen, dass sich mit dieser Logik gerade in einem Traditionskonzern der ein oder andere ansprechen lässt.

Gleichzeitig betont Herzog, dass auch Partnerschaften mit und Investitionen in interessante Startups keineswegs außen vor bleiben sollen. Die Rolle des Hubs sieht er dabei als eine Art Scouting-Unit: „Es gibt 3.000 Traveltech-Startups – wir identifizieren die dahinterliegenden Treiber und leiten daraus Geschäftsopportunitäten für die Lufthansa ab.“ Der generelle Markt im Reisesegment ist für Herzog derweil beachtlich: Im vergangenen Jahr seien weltweit drei Milliarden Dollar in junge Reise-Startups investiert worden, 250 Neugründungen habe es gegeben. Diesen Markt will die Kölner Fluggesellschaft offenbar nicht verschlafen.

Den Jungunternehmen will die Lufthansa dabei sogar die eigenen Daten und Plattformen zugänglich machen. Die offene Schnittstelle soll in den kommenden beiden Jahren sogar die Basis für alle Aktivitäten des Hubs werden. „Dann könnte aus jeder Drittanbieter-App heraus direkt eine Buchung gemacht werden“, stellt Herzog in Aussicht. Den Konzernbossen abzuringen, die Hoheit über die Schnittstelle zum Kunden aufzugeben – der Hub-Chef ist sichtlich stolz.

Warum der Konzern für all das einen externen „Hub“ braucht – immerhin kommt Herzog selbst von der Lufthansa? „Viele unserer Mitarbeiter würden nicht in einem Großkonzern arbeiten. Sie wollen in einem kleinen, recht unabhängigen Team Themen umsetzen und Zukunft gestalten.“

Drei wichtige Learings hat Herzog in den vergangenen beiden Jahren gemacht. Erstens: Corporates müssen sich auch in der Tech-Welt nicht verstecken. „Trotz Corporate-Stempel, der Name öffnet uns auch in der Startup-Szene häufiger Türen, als ich zunächst gedacht hatte“, sagt Herzog. Zweitens: „Talent beats everything.“ Auf die richtigen Leute kommt es an. Die will Herzog auch mit echten Startup-Leckereien locken: So sollen bei Ausgründungen womöglich auch Unternehmensanteile an die Mitarbeiter ausgegeben werden.

Drittens: „Man kann nicht oft genug über die passenden Strukturen reden.“ Was Herzog damit meint? Es müsse innerhalb der Lufthansa ein „zweites Betriebssystem geschaffen werden, mit anderen Regeln, Talenten und Governance“. Denn wie immer, wenn sich die Corporate-Welt mit der Startup-Szene auseinandersetzt, hakt es an den unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Innerhalb von zwei Jahren einen Konzern so stark verändern zu können, dass es dieses Problem schon nicht mehr gibt? Damit hatte wohl auch niemand gerechnet.

Bild: Sean Gallup / Gettyimages