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boesch-newsgames-titel Marcus Bösch auf einer Konferenz in diesem Jahr

Marcus Bösch hat ausgefallene Ideen. Der 40-jährige Journalist entwickelt Newsgames – Spiele, die aktuelle Ereignisse und Nachrichten vermitteln. In seinem neuesten Werk nimmt er den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump aufs Korn: In „President Evil – A Fantastic Voyage through Donald Trump’s Brain“ muss der Spieler Trump von seinen „kranken Gedanken“ heilen und so nichts weniger als die Welt retten.

Nach einem Jahrzehnt im öffentlich-rechtlichen Journalismus bei der Deutschen Welle, dem Deutschlandradio Kultur und dem ZDF spürte Bösch 2013, dass ihm etwas fehlte. „Ich habe alles gemacht“, sagt er heute. „Print, Fernsehen, Radio, Daten-Visualisierung. Aber irgendwann hat es mich gelangweilt.“

Kurz vor einer Sinnkrise entschied sich Bösch dann, Game Development and Research an der Technischen Hochschule Köln zu studieren. Newsgames interessierten ihn besonders. Kurze Zeit später gründete er an dem Cologne Game Lab sein Game Studio The Good Evil.

„Am Anfang lief es richtig gut“, sagt Bösch. „Wir konnten ein paar Preise gewinnen und gleich unser erstes Spiel hat einiges an Cash reingebracht“ – ein Abenteuerspiel namens
Squirrel & Bär, mit dem Kinder Englisch lernen können.

Neben dem Spaß am Spiel ist Bösch aber auch die Botschaft wichtig. „Newsgames können etwas, das traditionelle Medien nicht können“, erklärt der Gründer. Durch Interaktion gebe es einen Lerneffekt, Inhalte würden nicht einfach nur konsumiert.

„Neue Werbemöglichkeiten“

Das Genre gibt es laut Bösch seit etwa 15 Jahren. An den positiven Effekt der Spiele glaubt der Gründer fest. Einige Studien geben ihm Recht. So zeigt eine Untersuchung der Universität Würzburg aus dem Jahr 2011, dass Computerspiele die Intelligenz bei Kindern fördern können. Der Effekt sei überraschend hoch ausgefallen, so die Studienautoren. Das Kalifornische Forschungsinstitut Electronic Entertainment Design and Research (EEDAR) analysiert, Spiele könnten komplexe Ideen verständlich vermitteln und hätten die Eigenschaft, dass sich Verbraucher aktiv und länger mit ihnen beschäftigen.

Für Bösch hat Letzteres einen Vorteil: „Wenn Leute 30 Minuten auf deiner Website verbringen, ergeben sich neue Werbemöglichkeiten.“ Bei längeren Games könne man zum Beispiel Werbung zeigen, während ein neues Level lade, und den Spieler mit einem Bonus belohnen, wenn er den Clip zu Ende ansieht.

Zeitungsartikel, die über Böschs Spiele zum Beispiel im Guardian, El País und dem Standard erschienen sind, haben den Gründer bekannt gemacht. „Als Unternehmer muss man überall präsent sein, ständig mit Leuten reden“, so Bösch. Um zu netzwerken, hat er zum Beispiel den Newsgames Hackathon in Köln auf die Beine gestellt.

Nach und nach kamen weitere The Good Evil Games, zum Beispiel Prism, eine Anlehnung an das Überwachungsprogramm der NSA. Basierend auf diesem Spiel entwickelte Bösch anschließend für das ZDF den Metadatensauger. Dabei muss der Spieler entweder als Innenminister Thomas de Maizière oder als Justizminister Heiko Maas möglichst viele Daten von „unschuldigen Bürgern“ auffressen – wie bei dem Handy-Klassiker Snake. „Skrupel und Gewissen sind hier nicht angebracht“, so der Slogan. Das ZDF gab weitere Spiele in Auftrag gab, darunter das Debatten-Debakel, ein Kabinett-Quartett für die Satiresendung Heute-Show.

Am Umsatz hakt es noch

Bösch, der auch Chefredakteur der Seite Sciencegames.de ist, glaubt, Newsgames seien für Fernsehsender und andere Medien eine Chance: „Jeder versucht, online das Gleiche zu machen. Mit Newsgames kann man sagen: ,Wir haben etwas kreiert, das niemand anderes bis jetzt gemacht hat.’“

Dass Newsgames tatsächlich eine breite Leserschaft ansprechen können, zeigt ein Projekt der New York Times aus dem Jahr 2013. Das interaktive Quiz über Dialekte mit dem Titel „How Y’all, Youse and You Guys Talk“ war in dem Jahr der meist geklickte Times-Artikel überhaupt.

Dennoch ist die Marge für solche Spiele gering – obwohl ihre Produktion relativ wenig kostet. Laut Bösch liegt der Preis für ein Nachrichtenspiel bei 15.000 Euro. Zum Vergleich: Videospiele wie Resident Evil oder Assassin’s Creed verschlingen Millionen.

„Mit Newsgames kann derzeit kein Studio in Deutschland überleben“, gibt Bösch zu. Deshalb setzt der Wahl-Berliner neben eigenproduzierten Games auf Jobs als Berater und Auftragsproduktionen. Zu den Umsatzzahlen von The Good Evil wollte Bösch sich nicht äußern. Nur so viel: Sein Game Studio wachse konstant. Deshalb habe er bis heute weder Bankdarlehen noch Risikokapital gebraucht. Bösch glaubt: „Etwas müssen wir am Anfang richtig gemacht haben.“

Bild: Benjamin Bathke