Matt, wie muss ein Unternehmer sein, damit er dich und deine Partner bei Benchmark überzeugen kann, in seine Firma zu investieren?

Wir suchen nach diesem unglaublich seltenen Typ Mensch, der extrem missionsgetrieben und leidenschaftlich ist – aber nicht komplett geistesgestört. Ein bisschen irre ist aber gut! Wir suchen Missionare. Ein Gründer sollte sein wie Martin Luther, der Reformator. Jemand, der unumstößlich fest daran glaubt, dass da etwas ist, dass sich ändern muss. Diese missionarische Inbrunst suche ich.

Hast du ein Beispiel für einen solchen Menschen?

Elon Musk. Als ich ihn das erste Mal getroffen habe, habe ich sofort gewusst: This guy is on a mission. Man kann es in den Augen sehen, dieses Feuer. Dann muss man sich als Investor nur noch fragen: Kann er seine Vision auch umsetzen?

Und: Gibt es einen Markt für seine Idee?

Ich sehe das ein bisschen anders als die meisten: Mir ist ziemlich egal, wie groß der Markt ist. Er kann ruhig auch klitzeklein sein. Wichtig ist mir, dass der Unternehmer mit seinem Produkt eine entscheidende Rolle innerhalb dieses Marktes spielen kann. Ich unterstütze viel lieber ein Unternehmen, das die wichtigste Rolle in einem Nischenmarkt übernehmen kann als eine Firma, die nur eine von vielen in einem Massenmarkt ist.

Hast du ein Beispiel aus deinem Portfolio?

Meine Partner und ich investieren grundsätzlich nicht in E-Commerce, weil ein neues Unternehmen da nur sehr schwer wirklich etwas Entscheidendes bewegen kann. Aber wir investieren in Marktplätze. 1stdibs ist ein gutes Beispiel, ein Unternehmen in New York, bei dem ich im Board sitze. Der weltweit führende Marktplatz für high-end dekorative Kunst, eher ein Nischenmarkt. Ein wichtiger Markt, wenn man das am Umsatz misst, aber doch nur für eine ganz bestimmte, eingeschränkte Zielgruppe interessant. Aber diese Firma kann diejenige sein, die wirklich bedeutsam für diesen Markt ist. Das ist meine Kernfrage bei allen Entscheidungen: Haben ein Entrepreneur und sein Startup das Potenzial, sich einen nachhaltigen, strukturellen Wettbewerbsvorteil im Markt zu verschaffen? Wie groß der Markt ist, ist dabei zweitrangig.

So wie Couchsurfing, in das du auch investiert hast?

Das ist ein perfektes Beispiel. An irgendeinem Punkt seines Lebens war oder wird jeder Mensch ein Couchsurfer. Jeder pennt mal irgendwann auf irgendjemandes Sofa. Unser Ziel ist, dass die Menschen dieses Sofa durch Couchsurfing finden.

Du hast in Firmen wie Dropbox und Instagram investiert – Produkte, von denen man nicht ahnte, dass man sie brauchen würde und die jetzt nicht mehr aus dem Leben wegzudenken sind. Gibt es ein Lebensproblem, für das du gerne eine App hättest, die es lösen kann?

Ich hoffe, dass es davon noch viele gibt. Aber wie du sagst: Das weiß ich erst, wenn die Lösung da ist. Das hält meinen Job interessant. Das ist der Punkt, um den es bei Venture Capital geht.

Du warst Mitarbeiter Nummer sieben bei Facebook, später dann Vice President Produktmanagement – ahntest du schon am Anfang, was aus diesem kleinen Startup erwachsen würde?

Als ich bei Facebook anfing – und zuvor schon bei Linkedin, wo ich Vice President war –, legte ich dieselben Kriterien an wie später bei meinen Investments: Ich hatte einfach das feste Vertrauen in den Entrepreneur und seinen Markt. Als ich bei Facebook anfing, waren wir noch sehr, sehr klein. Wir hatten noch kein Risikokapital bekommen und wurden nur in ein paar Universitätsstädten genutzt.

Du hast auch in Researchgate investiert und den Gründern geraten, sich nicht im Silicon Valley, sondern in Berlin anzusiedeln. Warum?

Die Stadt hat unglaubliches Potenzial und beste Chancen, das nächste große Startup-Ökosystem zu werden. Nicht das nächste Silicon Valley, sondern ein großartiges, eigenständiges Zentrum für Startups. Es gibt dort jetzt schon sehr viel kreatives und technisches Talent, die Stadt zieht junge, begabte Menschen aus der ganzen Welt an wie ein Magnet. Außerdem gibt es dort schon VCs, die bereit sind zu investieren. Und, der wichtigste Punkt: Berlin hat nicht schon eine andere Branche, die all dieses wunderbare Potenzial an sich bindet.

Mangel als Chance also?

Ja! In New York zum Beispiel zieht es die meisten begabten, engagierten und ehrgeizigen Menschen in die Finanzwelt oder in die kreativen Branchen wie Mode und Medien, weil diese Ökosysteme dort sehr stark sind. In London ist es ebenfalls die Finanzwelt, in Paris oder Mailand die Mode, in Los Angeles die TV- und Filmbranche. Hier in San Francisco gibt es eben nur Tech. Und in Berlin? Da ist nichts! Klar, es gibt eine tolle Kunstszene, die Regierung sitzt dort. Aber wofür ist Berlin berühmt? Die Stadt wartet noch darauf, dass eine Branche sie als Bühne nutzt.

Was muss dafür passieren?

Mehr von dem, was gerade schon passiert. Man braucht mehr gute Investoren, die auf lange Sicht geduldig sind und Unternehmern wirklich dabei helfen wollen, ihr Potenzial zu maximieren. Dann mehr Unternehmer, mehr Programmierer, mehr Produktdesigner. Und am wichtigsten, und das ist eine besonders schwere Bürde für Researchgate und Soundcloud: eine große Erfolgsgeschichte. Ich hoffe, es ist kein Exit, sondern ein IPO.

Als Signal, das dem Rest der Welt beweist: Hier passiert es wirklich?

Genau. Etwas nachhaltiges, andauerndes, das zeigt: So etwas kannst du hier auch schaffen. Viele deutsche Startups haben bisher versucht, ein Modell, dass anderswo klappte, für den deutschen Markt umzusetzen. Bei Researchgate und bei Soundcloud ist das anders. Sie wenden sich mit einem neuen Service an einen globalen Markt. Davon braucht Berlin mehr.

Vielleicht im mobilen Sektor? Du spricht gerne vom Smartphone als einer „Fernbedienung für das Leben“ – liegt da die Zukunft?

Hundertprozentig. Du musst dir nur anschauen, wie gut Uber und Snapchat funktionieren. Es ist eine neue Art, Produkte zu denken. Du drückst einen virtuellen Knopf, und etwas passiert. Ich bin überzeugt, dass Mobile noch viel, viel größer werden wird. Immer vernetzt sein,  mächtige Technologie, die man in der Hosentasche herumträgt – das wird die Welt noch auf viel bedeutendere Weise verändern.

Bilder: Anke Vera Zink