Matthias Henze: „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit einem Produkt, das nicht ganz scheiße war.“
Matthias Henze: „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit einem Produkt, das nicht ganz scheiße war.“

Für den Gründer Matthias Henze ging es nicht immer bergauf. Zusammen mit Fridtjof Detzner und Christian Springub startete er 2004 in einem alten Cuxhavener Bauernhaus zunächst NorthClick, aus dem später der Homepage-Baukasten Jimdo hervorging. 2008 erlebte Henze dann die Beteiligung des Internetunternehmens 1&1 mit. Für ihn eine offenbar nervenaufreibende Zeit, wie er am Donnerstagabend auf der Gründerveranstaltung „Gründen, Fördern, Wachsen“ in Offenbach erzählte.

„Wir haben schnell gemerkt, dass 1&1 als Unternehmen ganz anders funktioniert als wir.“ Das Jimdo-Team sei wie eine Agentur behandelt worden. „Und genau das wollten wir nie sein. Das Ganze hat das Startup fast zerrissen. Da wussten wir: Wir müssen hier raus.“ Eine „Nahtoderfahrung“ sei das für das Unternehmen gewesen. 2009 kaufte Jimdo seine Anteile daher wieder zurück. Den Tag, an dem der Rückkauf im Kasten gewesen sei, habe man intern als „Independence Day“ gefeiert, so Henze.

Zwischenzeitlich hatte sich Jimdo mit KDDI Web Communications zusammengeschlossen, einem Ableger des japanischen Telekommunikationsunternehmens KDDI – und so den japanischen Markt erschlossen. Dass dieser Deal zustande kam, habe Jimdo Henze zufolge der Berichterstattung in der US-Presse zu verdanken. Man habe weiter an das Produkt geglaubt, und sich peu à peu nach oben gearbeitet.

Ende Oktober 2016 kam dann aber ein großer Cut: Jimdo entließ ein Viertel seiner Mitarbeiter. Laut Henze ein schwieriger, aber notwendiger Schritt: „Wir sind zu schnell gewachsen ohne richtige Strukturen zu haben“, sagt er – und betont immer wieder, wie sehr ihm die Entscheidung zusetzte. „Zu merken, dass man an Geschwindigkeit verliert, war ein bitterer Moment. Wenn ich daran denke schaudert es mich heute noch“, so Henze.

Erst vor Kurzem ist mit Jimdo Dolphin eine einfachere Variante des bekannten Homepage-Baukastens gestartet, mit dem sich das Hamburger Unternehmen gegenüber dem Wettbewerb positionieren will. Inzwischen gebe es auch klarere Hierarchien im Team. „Hinter uns liegt ein sehr hartes Jahr. Es sind aber genau die Momente, in denen man extrem viel lernt und die einen als Unternehmen weiterbringen“, resümiert der Gründer. Trotz dieser Rückschläge, sagt Henze, habe er den Job immer noch gerne: „Ich mache das jetzt seit 14 Jahren und es fühlt sich immer noch an wie am ersten Tag.“ Vier Dinge, die er in dieser Zeit gelernt habe, gab er den anwesenden Gründern mit auf den Weg:

  • Ausdauer. Er wisse selbst, dass es manchmal schwer auszuhalten sei, nicht zu wissen: Wie lange muss ich noch?, sagt Henze. Trotzdem empfiehlt er, nicht aufzugeben, wenn es die äußeren Umstände erlaubten und man das Gefühl habe, in einem Projekt stecke noch Potenzial. Die Jimdo-Gründer hätten ihre eigens gesteckten Ziele selbst immer wieder verfehlt, trotzdem habe sich für das Startup nie die Frage gestellt, aufzugeben. Auch wenn einige Entwicklungen schwer zu schlucken gewesen seien. „Teilt Euch Eure Kräfte ein“, rät Henze. 
  • Risiko. Wer ein Unternehmen gründe, mache sich angreifbar. Freunde und Eltern seien skeptisch. „Einige Leute erwarten, dass ihr es nicht schafft.“ Innerlich müsse man mit diesen Reaktionen fertig werden und sich klarmachen: Was ist das Schlimmste, was mir passieren kann? „Dann spielt man das einmal im Kopf durch. Und da es meistens nicht um Leben und Tod geht, ist man danach vorbereitet.“ Risiken müsse man eingehen, um etwas zu bewirken. Und die Angst vorm Scheitern habe er genauso wie alle anderen Unternehmer. „Das ist aber Teil des Prozesses. Ihr müsst lernen, mit euren Ängsten umzugehen“, sagt der 40-Jährige.
  • Glück. Man solle auch anerkennen, dass bestimmte Dinge nicht beeinflussbar seien. „Wenn uns Leute heute fragen, was Jimdo erfolgreich gemacht hat, sagen wir: Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit einem Produkt, das nicht ganz scheiße war.“ Dass jemand in Japan einen TechCrunch-Artikel über Jimdo gelesen und sich daraufhin bei ihnen gemeldet habe – da sei schon ziemlich viel Glück dabei gewesen, sagt Henze.
  • Team. „Sucht Euch Leute, die mit euch zusammen an Eure Vision glauben“, gibt Henze zu Protokoll. Das Team helfe einem dabei, an schlechten Tagen positiv zu denken, auf Ideen zu kommen, auf die man selbst nie gekommen wäre – und letztlich auch mehr Spaß zu haben. 

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Bild: Elisabeth Neuhaus/Gründerszene