Die Live-Videostreaming-Apps Meerkat und Periscope könnten als der kürzeste App-Hype seit dem Start des AppStores in die Geschichte eingehen.

Meerkat wurde Ende Februar in Apples AppStore aufgenommen. Kurz danach wurde die App von sämtlichen Tech-Journalen und IT-Blogs sowie von diversen Mainstream-Medien in den Himmel gelobt. Und auf der Kultur- und Technikkonferenz South by Southwest in Austin (Texas) feierte man sie als die Innovation.

Doch in den AppStore-Charts taucht die App bereits jetzt nicht mehr auf, und so richtig kam sie dort nie an. Der Meerkat-Hype ist – zumindest aus Sicht der Nutzer – vorerst vorbei.

Die Ursache ist klar erkennbar: Vorvergangene Woche startete Periscope, die Live-Videostreaming-App von Twitter – und bereits am Sonntag brach die Popularität von Meerkat enorm ein. Laut einer Analyse des Magazins „BGR“ schaffte sie es zu keinem Zeitpunkt in die Top 100 des AppStores, ihr bester Chartplatz war Rang 140.

Konkurrent Periscope dagegen schaffte im direkten Verdrängungswettbewerb zumindest kurzzeitig den Einstieg in die Top 30, vor allem weil das Periscope-Team die volle Marketing-Unterstützung von Twitter hinter sich hat.

Der Kurznachrichtendienst kaufte das Startup bereits im Januar zu einem ungenannten Preis, Insider sprechen von bis zu 100 Millionen Dollar. Da die Live-Streaming-Apps Twitter als Verbreitungskanal für ihre Videolinks nutzen, war der Einkauf für das Twitter-Management nur logisch.

Links funktionieren nur wenige Minuten lang

Dank hunderter Medienberichte, einer Erwähnung im „Time Magazine“ und einer geschickt orchestrierten Medienkampagne konnten die Meerkat-Gründer ihren kurzen Hype zumindest zu einem persönlichen Happy End bringen.

Kurz bevor Twitter Periscope veröffentlichte, schlossen die Meerkat-Macher um Gründer Ben Rubin noch hastig eine zweite Finanzierungsrunde ab und sammelten 14 Millionen Dollar von der Venture-Capital-Firma Greylock Partners sowie diversen Silicon-Valley-Größen ein. Die Investoren dürften sich jetzt allerdings fragen, ob sie ihr Geld nicht allzu hastig verteilt haben.

Fraglich ist, welche Zukunft die Live-Videostreams als Massenphänomen haben: Insbesondere viele Meerkat-Links funktionieren aktuell nur wenige Minuten lang – eben so lange, wie der Video-Macher seinen Livestream durchhält – und sind danach sinnlos, da die App Videos eben nicht aufzeichnet. Damit aber sind Meerkat-Links aktuell vor allem frustrierend. Periscope fängt die Nutzer dank eines intelligenteren App-Designs besser auf als Meerkat, auch weil die App die Aufzeichnung von Videos erlaubt und zudem dank erweiterter Chatfunktionen die Interaktion fördert.

Auch ermöglicht die App den Machern, Videos erst aufzuzeichnen und dann zu streamen. Anscheinend haben die Ressourcen von Twitter den Periscope-Erfindern in der entscheidenden Entwicklungsphase erheblich weitergeholfen. Doch auch Periscope ist – trotz „Editor’s Pick“-Empfehlung von Apple und trotz Twitter-Unterstützung – bereits wieder aus den Top 100 des amerikanischen AppStores verschwunden.

Viel zu viel sinnloses Zeug

Ob der mediale Hype langfristig hilft, Videostreaming per Handy in den Massenmarkt zu drücken, ist zumindest zweifelhaft. Zwar zeigt der Erfolg von Diensten wie YouNow auf dem PC und dem Tablet, dass Livestreaming speziell für jüngere Nutzer einen ganz eigenen Reiz hat und dass nach vielen Fehlversuchen jetzt der Zeitpunkt für den Massenerfolg gekommen sein könnte.

Doch Apps wie Meerkat und Periscope könnten unter demselben Manko wie Twitter selbst leiden: Jede Menge sinnloses Zeug versperrt den Blick auf die wenigen Juwelen – und wer die finden will, muss sich die Mühe machen, danach zum genau richtigen Zeitpunkt zu suchen.

Diese Mühe aber machen sich 90 Prozent der Internetnutzer nicht. Wie Twitter selbst dürften Dienste wie Periscope der Ein-Prozent-Regel unterliegen. Denn nur ein Prozent aller Inhalte, meist erstellt von Medienprofis, YouTube-Stars oder Prominenten, ist für eine breite Anzahl von Nutzern so relevant, dass sie aktiv danach suchen. Der Rest wird ins digitale Nichts versendet und höchstens zufällig gesehen.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Welt

Bild: Screenshot / Meerkat