microsoft-surface-1Ein Touchscreen. Über der Laptop-Tastatur. Das war’s. Für die Innovation, die Apple vergangene Woche eine eigene Veranstaltung wert war, hätten andere Hersteller höchstens eine Pressemitteilung verschickt.

Apples neue MacBooks, für die der einst innovativste Technologiekonzern der Welt anderthalb Jahre Entwicklungszeit verbrannt hat, sehen fast genauso aus wie ihre Vorgänger. Sie werfen sinnvolle Erfindungen aus der Steve-Jobs-Ära wie den MagSafe-Anschluss über Bord, und die verbauten Intel-Prozessoren sind bereits ab Werk veraltet.

Die Akkukapazität hat gegenüber dem Vorgänger um fast 30 Prozent abgenommen. Einen echten Touchscreen anstelle einer Miniatur-Streifenversion für Emojis oberhalb der Tastatur suchen Anwender vergeblich. Kurz, mit dem neuen MacBook springt Tim Cook zu kurz.

Microsoft zeigte das, was man von Apple erwartet hatte

Auch wenn der Apple-Chef für seine Laptopsparte im nächsten Quartal steigende Verkaufszahlen präsentieren wird, da alle diejenigen jetzt kaufen, die seit anderthalb Jahren auf neue Laptops von Apple warten müssen – wirklich innovativ sind andere.

Das superdünne Design mit den markanten scharfen Linien wirkt wie ein Apple-Gerät, das noch gebaut werden muss. Mit dem Scharnierkonzept erfindet Microsoft zudem eine komplett neue Gerätekategorie, eine Art hybrides Desktop-Tablet. Kurz, Microsoft hat die Innovationen herausgebracht, für die man Apple bejubelt hätte.

Journalists and Microsoft fans get a look at the new Microsoft Surface Studio introduced at a Microsoft news conference October 26, 2016 in New York. Microsoft launched a new consumer offensive Wednesday, unveiling a high-end computer that challenges the Apple iMac along with an updated Windows operating system that showcases three-dimensional content and "mixed reality."The US tech giant announced its first desktop computer, called Surface Studio, a $3,000 high-end "all-in-one" device that aims at creative professionals, a segment dominated by Apple. / AFP / DON EMMERT (Photo credit should read DON EMMERT/AFP/Getty Images)

Da die Technik jedoch von Microsoft kommt, war das Medienecho zunächst relativ gering. Im sozialen Netzwerk Twitter kommentierten allerdings diverse Kreative, dass Microsoft mit dem Surface Studio Apple als coolste Hardwarefirma abgelöst habe. Darunter waren auch hartgesottene Apple-Fans und iOS-Entwickler, die bislang zu den lautesten Unterstützern von Apple gehörten.

Ein Blick zurück zeigt, dass Microsoft noch vor wenigen Jahren ein ähnliches Innovationsproblem hatte wie Apple jetzt: Bill Gates’ Nachfolger Steve Ballmer war vor allem daran interessiert, die Bilanzkennzahlen zu optimieren. Microsoft unter Ballmer war immer hochprofitabel – doch die Innovationen erfanden andere.

Aktienkurs hat sich in 20 Monaten verdoppelt

Als Satya Nadella im Februar 2014 ans Ruder kam, handelte er ähnlich wie Steve Jobs zu Beginn seiner zweiten Apple-Regentschaft: Er kürzte rigoros unprofitable Produkte und Programme, strich die komplette, gerade erst teuer übernommene Mobilsparte und entwickelte ein neues, schlankeres Microsoft unter dem Motto Cloud First.

Das Ergebnis: Der Aktienkurs der Firma verdoppelte sich in den vergangenen 20 Monaten. Wirklich innovative Microsoft-Produkte wie die Augmented-Reality-Brille HoloLens oder die Surface-Gerätereihe kommen tatsächlich auf den Markt, anstatt nur als Konzept vorgeführt zu werden.

Nadella ist damit vielleicht der Chef, der Apple aktuell fehlt. Tim Cook kann nicht recht aus seiner Haut. Er wurde einst von Steve Jobs persönlich zur Optimierung der Apple-Produktionsprozesse angeworben. Das beherrscht er so gut wie kaum ein anderer Top-IT-Manager.

Cook kann nicht aus seiner Haut

Nie war Apple profitabler als unter Cook, nie lieferte der Konzern pünktlicher Millionen von Geräten oder baute verlässlicher ein iPhone nach dem anderen in hoher Qualität. Zugleich wurde Apple unter Cook offener und menschlicher, gibt Fehler zu und setzt sich für Datenschutz und Bürgerrechte ein.

Ein visionärer Produktentwickler aber ist Tim Cook nicht. Die Produktpalette unter seiner Ägide wird mit jedem Jahr unaufgeräumter. Einzelne Gerätereihen wie der Mac Mini, der iPod oder der iMac werden weder weiterentwickelt noch gestrichen und führen ein Schattendasein. Andere Projekte wie die Apple Watch werden unter hohem Aufwand entwickelt und erreichen dann nicht einmal ansatzweise den Umsatz, den sich Apple davon erhofft hatte.

Die Parallelen zu Microsoft unter Ballmer sind frappierend.

Apple wird damit noch abhängiger von dem einen Produkt, das unverändert Rekordzahlen schreibt: Das iPhone ist – nach Samsungs Note-7-Feuerdesaster mehr denn je – das beliebteste, leistungsstärkste und zugleich profitabelste Luxus-Smartphone der Welt.

Tim Cook kann nicht ewig Jobs Erbe verwalten

Doch innovativ ist auch das iPhone nicht: Wasserdichte Smartphones bauten als Erste Sony und Samsung. Doppelte Kameras zeigte als Erster LG. Das ändert sich auch in der kommenden Gerätegeneration nicht.

Der chinesische Hersteller Xiaomi baut mit dem Mi Mix ein Smartphone, das bereits jetzt die Innovationen des nächsten iPhones vorwegnimmt: Ein randloses OLED-Display wird von einem Keramikgehäuse eingefasst.

Apple bemerkt den steigenden Druck im Markt, wie die neuesten Quartalszahlen zeigen. Die Gewinnspanne pro verkauftem Gerät sinkt, der Smartphone-Absatz in China wie auch im Heimatmarkt USA geht zurück. Mit jedem Jahr wird deutlicher: Tim Cook kann nicht ewig Steve Jobs’ innovatives Erbe verwalten.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt Online.

Bilder: DON EMMERT