LinkedIn-Mitgründer Konstantin Guericke

Die gute Nachricht erreichte Konstantin Guericke im Schlaf: eine Email von seinem alten Kumpel Reid Hoffman. Beide gehören zu den Gründern von LinkedIn, das – so schrieb es Hoffman am Montag in aller Früh – nun von Microsoft gekauft wird. Für mehr als 26 Milliarden Dollar. Hoffman ist Aufsichtsratschef, Guericke verantwortete bis 2006 das Marketing, ehe er die Firma verließ. Die Aktien, die er noch hat, sind seit Bekanntgabe des Deals fast 50 Prozent mehr wert, so stark stieg der Kurs am Montag.

Die Anleger sehen die Übernahme positiv, auch Guericke glaubt an die Chancen: „Für Microsoft ist das ein sehr guter Deal“, sagt er im Gespräch mit Wired. „Ich glaube, es steckt eine Menge Potenzial in LinkedIn, das noch nicht ausgeschöpft worden ist.“ Besonders wertvoll könnten die Nutzerprofile für Unternehmen sein, die neue Kunden erreichen wollen: „Das größere Potenzial von LinkedIn lag eigentlich immer im Bereich Customer Relationship Management“, sagt Guericke.

Die Ausrichtung auf Karriere-Profile sei „das einfache, erste Geschäftsmodell“ gewesen – künftig könnte Microsoft sich stärker darauf konzentrieren, etwa Marketing- und Vertriebsmanager mit Informationen über mögliche Kunden und Geschäftspartner zu versorgen. „Das ist ein Bereich, den Microsoft zusammen mit LinkedIn wesentlich schlauer angehen kann“ als viele Konkurrenten, argumentiert der 48-jährige gebürtige Hamburger, der 1986 nach Kalifornien zog, um an der Stanford-Uni zu studieren. „Es wird die Sache schwierig machen für Unternehmen wie Salesforce und Google.“ Salesforce, ein Vorreiter von Clouddiensten für Geschäftsanwendungen, müsse ohne die detaillierten Nutzerdaten auskommen, die LinkedIn besitzt; und Google sei mehrfach beim Versuch gescheitert, ein eigenes soziales Netzwerk aufzubauen.

Überrascht über den Megadeal ist Guericke nicht: „Gerüchte gab es ja vor ein paar Monaten schon einmal. Und schon vor etwa zehn Jahren habe Microsoft Interesse signalisiert. „Damals hat Microsoft zu uns gesagt: Falls Sie je überlegen sollten, die Firma zu verkaufen, sollten Sie zuerst uns anrufen.“

Das Interesse ergibt aus Guerickes Sicht auch Sinn. „Das Zielpublikum überschneidet sich, beides geht in Richtung Produktivität“, sagt er mit Blick auf Microsofts Office-Produkte, die nun durch Profile der gut 430 Millionen LinkedIn-Mitglieder angereichert werden könnten. „Entscheidend bei LinkedIn ist, dass man die Produkte wesentlich intelligenter machen kann, weil man so viel über die Nutzer weiß.“

Während es bei Facebook, Twitter oder Pinterest vornehmlich um Privates geht, steht bei LinkedIn seit der Gründung 2002 das Berufliche im Vordergrund. Viele Nutzer halten ihr Profil auf dem Laufenden, um ihre Karriere-Chancen zu verbessern. Das könnte es Microsoft künftig erlauben, etwa Skype-Gespräche mit Hintergrundwissen über die Teilnehmer anzureichern, spekuliert Guericke: „Eine ganz einfache Sache wäre, wenn ich mit jemandem per Skype spreche, dass ich das LinkedIn-Profil sehe: Wann hast du einen neuen Job angefangen, machst du noch nebenbei eine andere Tätigkeit?“

Die Ausrichtung auf Karrierechancen hat sich für das Netzwerk allerdings auch als Hürde erwiesen. Nach eigenen Angaben kommt LinkedIn aktuell auf etwa 100 Millionen aktive Nutzer im Monat. Das heißt: Nur ein Viertel der angemeldeten Mitglieder lässt sich regelmäßig im Netzwerk blicken. Langsameres Wachstum und Verluste im jüngsten Geschäftsjahr ließen Anleger ungeduldig werden – die Aktie war im Februar um mehr als 40 Prozent gefallen. Entsprechend sei der Druck auf LinkedIn-Chef Jeff Weiner gestiegen, die Firma zu verkaufen, argumentieren manche Beobachter.

LinkedIn kann jetzt darauf setzen, dass andere Microsoft-Dienste regelmäßiger User auf die eigene Plattform schicken und die Zahl der aktiven Mitglieder vielleicht wieder steigt. Was wiederum dem Werbebusiness gut täte. Advertising macht immerhin 18 Prozent des Umsatzes aus und war zuletzt deutlich langsamer gewachsen als zuvor. Im Februar hatte das Businessnetzwerk die Zahlen für das vierte Quartal 2015 veröffentlicht, da war das Werbegeschäft nur noch um 20 Prozent gewachsen. Im Vorjahreszeitraum lag das Wachstum noch bei 56 Prozent.

Einerseits bedeute eine Übernahme immer Ungewissheit, sagt Guericke: „Man weiß bei einer großen Firma nie, wie die Sache weitergeht.“ Nokia, Skype, Yammer – das sind frühere Milliarden-Geschäfte, bei denen Microsoft aus Sicht vieler Kritiker die gekauften Unternehmen eher ausgebremst hat. Bei LinkedIn zeigt Guericke sich aber dennoch zuversichtlicher, unter anderem, weil der Preis von 26 Milliarden Dollar den Kauf für Microsoft-CEO Satya Nadella zwangsläufig zur Chefsache mache. „Für Nadella ist das der Deal seiner Karriere“, argumentiert Guericke. Der Erfolg der Übernahme sei „für ihn entscheidend“, wie er als CEO bewertet werde. „Ich habe das Gefühl, dass er ein guter Mann ist, und denke nicht, dass LinkedIn irgendwo in der Firma untergeht.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei Wired.de.

Bild: Michael Berger/Gründerszene