Mikkel Svane
Mikkel Svane Großer Silicon-Valley-Fan: Zendesk-Mitgründer und -CEO Mikkel Svane

Er provoziert ganz gerne. Europa habe als Standort keine echte Chance gegen das Silicon Valley, wird Mikkel Svane zum Beispiel nicht müde zu beteuern. Das liege allerdings nicht daran, dass es hier keine guten Gründer oder erfolgversprechende Ideen gebe. Etwas anderes kann Svane, der sein Startup Zendesk in Dänemark gründete, natürlich auch nicht sagen. Es liege daran, dass die Kunden Startups mit neuen Vorstellungen hierzulande erst einmal hängen ließen. In den USA sei das alles anders: Dort könne man einen Blick in die Zukunft erhalten. Und nicht eine Retrospektive der Vergangenheit.

Fehlende Konsequenz kann man Svane auch nicht vorwerfen. Sein Unternehmen, das den Kundensupport revolutionieren will, haben er und seine Mitgründer Morten Primdahl und Alexander Aghassipour schon kurz nach dem Start in einer Kopenhagener WG-Küche 2009 nach San Francisco umgesiedelt. Und das, obwohl alle Gründer Dänen sind. „Uns hätte hier niemand ernst genommen: Ihr seid doch nur drei Jungs mit einem Computer, die auf Pornoseiten surfen.“ In seiner neuen kalifornischen Heimat sei das alles ganz anders, sagt Svane im Gespräch mit Gründerszene. „Startup-Leute sind das Zentrum des Universums im Silicon Valley.“

Seine Rechnung scheint aufgegangen zu sein. Fast zwei Milliarden US-Dollar ist Zendesk derzeit wert, seit knapp einem Jahr ist das Unternehmen an der New York Stock Exchange notiert – wo der Kurs seither stetig nach oben geht. Wenig verwunderlich also, dass Svane davon überzeugt ist, mit dem Umzug das Richtige getan zu haben. Für ihn war es logisch: „Wir hatten nach wenigen Monaten 75 Prozent unserer Kunden in den USA, dort sind die Early Adopter. Denen sind wir gefolgt.“

Auch auf der anderen Seite des Atlantiks provoziert Svane. Mit eher europäischen Überzeugungen zum Beispiel. Vom Hype um „Fail Fast, Fail Often“ zum Beispiel hält er nicht viel. „Scheitern ist schlimm, daran gibt es nichts zu drehen“, sagt er. Und: „Hätten wir uns dem Prinzip verschrieben, wären wir mit Zendesk niemals dort gelandet, wo wir heute sind.“ Risiken hat Svane allerdings nicht gescheut. Um Zendesk zu starten, nahm einen Kredit über 50.000 Dollar auf, während er und seine Frau ein zweites Kind erwarteten. „Baby Erna kam zwei Monate nach dem offiziellen Zendesk-Start zur Welt.“

Hier geht’s weiter zur Leseprobe aus Svanes Buch Startupland.

Wellen schlägt Svane gerade auch mit seinem Buch Startupland. Gründerbücher sind aktuell offenbar ziemlich angesagt im Silicon Valley. Der deutschstämmige Star-Investor und Paypal-Mitgründer Peter Thiel hat ein Buch geschrieben, sein Kollege Ben Horowitz war mit The Hard Thing About Hard Things die Top-Empfehlung bei den 22 Büchern, die jeder Gründer lesen sollte. In einer Rezension schreibt Box-Gründer Aaron Levie über Startupland, das Buch sei ein „erfrischend ehrlicher und provokativer Bericht über seine Reise mit Zendesk“. Ehrlichkeit, so Svane, sei dabei das zentrale Thema in seinem Buch. Und auch über das Buch hinaus: „Es hat uns sehr geschadet, dass manche Leute uns nicht die Wahrheit gesagt haben, ob etwas funktionieren kann oder nicht.“

Startupland habe er geschrieben, „weil es viele Dinge gibt, die einmal gesagt werden mussten“. Etwa, dass man mit dem Rat bestimmter Leute nicht immer etwas anfangen könne. Oder sollte.

Heute sieht Svane mit einem geradezu romantischen Blick auf die Anfangszeit zurück. Ob es dennoch Momente gab, in denen er aufgeben wollte? „Dauernd“, antwortet er. „Gerade in den ersten Tagen. Da hat man kein Geld, keine Ahnung, ob das Geschäftsmodell überhaupt funktionieren kann, und jeder hat Ideen, warum man eigentlich alles anders machen sollte. Da zweifelt man an sich und allem.“

G Tipp – Lesenswert bei Gründerszene Zendesk-Mitgründer Morten Primdahl ist Speaker
auf der Heureka-Konferenz am 5. Mai 2015 in Berlin

Das sei auch das größte Dilemma eines Gründers. „Ein Teil von dir ist unendlich motiviert und glaubt zu 100 Prozent an das, was du machst. Es ist deine einzige Leidenschaft. Der andere Teil ist sich vollkommen bewusst, dass es wahrscheinlich komplett schief gehen wird.“ Man müsse beides jeden Tag in Balance halten.

Ob genügend Geld auf dem Konto das einfacher mache? „Na ja, Geld braucht man schon. Ohne wird es nahezu unmöglich, ein großes Unternehmen aufzubauen. Es ist ja nicht mehr so wie in den guten alten Zeiten, als man noch 20 Jahre Zeit hatte, etwas aufzubauen. Heute muss man nach fünf bis sieben Jahren eine signifikante Größe haben, sonst wird man von der Konkurrenz überrumpelt.“

Gleichzeitig warnt Svane vor all zu leichtsinnigem Umgang mit Investorenangeboten. „Ungeheuer wichtig ist es auch, das Kapital von den richtigen Leute zu nehmen. Beinahe hätte er sich selbst einmal mit dem falschen Investor abgegeben – aber noch rechtzeitig die Notbremse gezogen. All zu großem Geldwahn sollte man sich auch nicht hingeben, legt Svane nach: „Man darf sich nicht auf die Bewertung fixieren. Wenn man das macht, beißt man sich ganz sicher irgendwann in den Allerwertesten.“ Aber wie findet man den richtigen Geldgeber? Man müsse in jedem Fall viel Zeit mit den potenziellen Investoren verbringen. „Eigentlich ist es wie Dating“, so Svane. Es werde eine sehr intensive Beziehung, da müsse man auch die Macken des anderen abkönnen. „Und ihre Denke verstehen: Was ist ihnen wichtig? Wie verhalten sie sich in schwierigen Zeiten?“

Dann gibt er den Europäern noch einmal einen Klapps auf den Hinterkopf. Denn die, sagt Svane, sollen nicht solche Angsthasen sein und nicht jammern, wenn es mal nicht so gut läuft. „In den USA sind Ups and Downs nichts Schlimmes.“ Den Leuten sei bewusst, dass nichts ewig anhält. Und dass Veränderung immer eine Chance ist. Wer wie Berlin dem Silicon Valley nacheifere, müsse das kapieren. Der Weg sei jedenfalls noch weit. „Europäer hängen oft krampfhaft am Status Quo.“

Bild: Mikkel Svane


Mikkel Svane
Mikkel Svane Großer Silicon-Valley-Fan: Zendesk-Mitgründer und CEO Mikkel Svane

The Danger in Riding Market Waves or Going Kaput

Im ersten Kapitel „Honeymoon“ schreibt Svane auch über die Zeit vor Zendesk, in der er erste Tech-Projekte gestartet hat. Mehr dazu gibt es hier. Gründerszene-Leser bekommen beim Kauf des Buches über die Verlagsseite von Wiley mit dem Code VBK10 30 Prozent Rabatt.

[…] We named the company Caput, which means “the head” in Latin. And of course it also sounds like kaput—or “no longer working,” which was kind of cute in the beginning (kind of), but in retrospect of course it’s a terrible, terrible name. But we were growing this in the halcyon days of the Internet. Things were both promising and exciting—everything was working.

At the same time, I was always working. I had no personal life whatsoever. From the time I woke up in the morning until I went to bed, all I did was work. The company was financed by a few angel investors, but it was funded mostly by selling the software. The dot-com boom that had swept the United States had now hit Copenhagen. We benefited from the hyper-frothy interest in all things Internet-related. I saw something that had the potential to become something much bigger. It was a lot of work, and it was also a lot of fun.

And then, quite suddenly, it wasn’t. The dot-com crash of 2001 came as fast as the crest had. Our software was sold pri- marily via value-added resellers (VARs), and these companies were hit hard by the change in the tides. Media companies, a big customer base, were also brutally affected. They couldn’t pay their bills, including ours. We struggled and suffered for a year as customers fell by the wayside.

Relying on sales to grow our business, and without a reserve, we had no way to cushion the impact. We had to let a lot of people go. It was really tough to have to do that to people and to go on the next day as if things were normal. I had to let go of people whom I considered very good friends—people whom I felt had built the company with me. And decisions about who to let go relied more on where we could save most, rather than on what made the most sense for the business. Ironically, one of the über-talented guys I had to let go was David Heinemeier Hansson—who later became the father of Ruby on Rails, the framework we later built Zendesk on, and a cofounder of 37signals (now Basecamp), which became an inspiration for a whole generation of software startups, including Zendesk.

Letting people go wasn’t even the worst part. There were many tough things about being in charge of the business. One time, one of our employees didn’t show up for work for sev- eral days and we couldn’t understand why. This young guy had struggled with rheumatoid arthritis since his early childhood, and I later learned that the disease had somehow led to a stroke and his far-too-early death. I was too young and too inexperi- enced to know how to properly deal with the situation. Walking into his home with the police was awful. His parents lived at the other end of Denmark, and the local police there would have to visit them to properly deliver the terrible news in person. They couldn’t arrive until the evening, and in the meantime I couldn’t take the parents’ many, many calls. It was terrible.

We all went to his funeral. Or rather, what remained of the staff went, and it was good for all us to get together and come together for this. But the very next day, I had to let more people go.

Things like this—terrible things—happened. But we had to go on, and we did.

There were abysmal lows, and epic highs, and ultimately unrecoverable blows. At one point, we won a huge deal in Germany that we believed could turn everything around again. We felt hope. We were so far along. The transaction was complete, but before the reseller could pay us, he went into Chapter 11—another victim of the dot-com crash.

We were out of money and out of luck.

And at this point, a year after the bubble burst, we found that the business could no longer go on. We first had to wind down our activities. Eventually, we had to shut down completely. Caput was fulfilling the prophesy of its name.

I was devastated. I had just turned thirty, and for almost four years this was the only thing that I had done. I was not depressed about losing my livelihood; I was depressed about losing the only thing I had.

In Silicon Valley there’s a lot of talk about failure—there’s almost a celebration of failure. People recite mantras about “failing fast,” and successful people are always ready to tell you what they learned from their failures, claiming they wouldn’t be where they are today without their previous spectacular mess-ups. To me, having experienced the disappointment that comes with failure, all this cheer is a little odd.

The truth is, in my experience, failure is a terrible thing. Not being able to pay your bills is a terrible thing. Letting people go and disappointing them and their families is a ter- rible thing. Not delivering on your promises to customers who believed in you is a terrible thing. Sure, you learn from these ordeals, but there is nothing positive about the failure that led you there.

I learned there is an important distinction between pro- moting a culture that doesn’t make people afraid of making and admitting mistakes, and having a culture that says failure is great. Failure is not something to be proud of.

But failure is something you can recover from.“


Startupland
How Three Guys Risked Everything to Turn an Idea into a Global Business
1. Auflage Januar 2015
24,90 Euro
2015. 224 Seiten, Hardcover
ISBN 978-1-118-98081-1 – John Wiley & Sons


Bild: Mikkel Svane