Gründerszene berichtete schon häufiger über die weltweiten Ambitionen des Samwer-Inkubators Rocket Internet (www.rocket-internet.de), zu dem neben Gründungen in Südosasien und dem Mittleren Osten auch Ableger in Lateinamerika und Afrika zählen. Nun scheint es, als würde Rocket bereits in den Verkaufsmodus wechseln: der Mobilfunkkonzern Millicom steigt bei Rockets Ablegern in Südamerika und Afrika ein und erhält auch entsprechende Optionen für eine komplette Übernahme.

Millicom Rocket Internet

Millicom zahlt 340 Mio. und erhält Kaufoptionen

Gleich in zwei regionale Rocket-Ableger steigt der Mobilfunkanbieter Millicom (www.millicom.com) dieser Tage ein und erhält zunächst 20 Prozent an Rockets Dachgesellschaften in Lateinamerika und in Afrika. Darüber hinaus besteht bis 2014 eine Option auf 50 Prozent – bis 2016 kann Millicom sogar 100 Prozent der Latin America Internet Holding (LIH) und der Africa Internet Holding (AIH) übernehmen.

Für die ersten 50 Prozent wird Millicom 340 Millionen Euro überweisen und bekommt dafür allerdings keine Management-Rechte an den Rocket-Ablegern zugesprochen – getreu dem Samwer-Prinzip viel zahlen und nichts zu melden haben. Diese Summe wird in drei Chargen überwiesen und bis zum vierten Quartal dieses Jahres sollen davon bereits gut 85 Millionen Euro überwiesen sein.

Die beiden Rocket-Ableger kontrollieren insgesamt acht Unternehmen mit einem geschätzten Umsatz von 35 Millionen Euro für 2012 und wurden dafür mit 680 Millionen Euro pre bewertet. In den nächsten drei Jahren seien weitere Startups geplant und sollen weniger als 250 Millionen Euro an Kosten aufweisen.

Im Gegenzug unterstützt Millicom das Online-Geschäft von Rocket Internet in Lateinamerika und Afrika und gibt sich entsprechend zufrieden: “We are pleased to partner with Rocket Internet to develop an online and E-Commerce franchise in Latin America and Africa, where these promising sectors are nascent. Rocket Internet has a proven track record of rapidly developing successful Operations in the online and e-commerce sectors. Millicom has a strong know-how of operating in the fast moving consumer goods industry in Latin America and Africa“, resümiert Millicom-Geschäftsführer Mikael Grahne den Deal.

Warum die Millicom-Beteiligung sinnvoll sein könnte

Rocket Internet ist dabei längst ein global agierendes Unterfangen geworden: Auf mehr als 100 Gründungen in rund 40 Ländern verweist der Inkubator der Samwer-Brüder Alexander, Marc, und Oliver auch auf seiner neuen Webseite. Mit Gründungen in Südostasien, entsprechenden Rollouts in Südamerika, Amazon-Klonen in Afrika sowie Ansätzen in MENA und der Türkei betreiben die Samwers mittlerweile eine global agierende Startup-Fabrik, die auch entsprechende Kapitalsummen verschlingen dürfte.

Zum jetzigen Zeitpunkt einem Strategen eine Beteiligung mit entsprechender Kaufoption einzuräumen, überrascht dennoch. Zunächst erweckt eine solche Transaktion den Eindruck, dem Kapitalbedarf Rocket Internets geschuldet zu sein. Geht den Berlinern womöglich das Geld für ihre weltweite Expansion aus? Seit längerem soll Oliver Samwer bereits im Fundraising-Modus aktiv sein und an zahlreiche Türen für die Kapitalakquise klopfen. Zuletzt überwies Access Industries 200 Millionen Euro an die Berliner, gefolgt von 124 Millionen Euro aus den Taschen von Kinnevik.

Die Beteiligung von Millicom dürfte also vor allem angesichts des hohen Kapitalbedarfs getätigt worden sein und sorgt bei Rocket Internet in den nächsten zwei Jahren für Ruhe in den betroffenen Regionen. Vor allem bieten sich beiden Partnern auch unterschiedliche Synergien beim regionalen Aufbau. Millicom wird Rocket Internet dabei unterstützen die jeweiligen Märkte auszubauen, wozu auch die Etablierung entsprechender Logistiklösungen zählen könnte. Jenseits dessen dürfte Rocket Internet bei Auslaufen des Deals die besten Mitarbeiter abziehen und wird sich dann womöglich erneut auf eigene Gründungen fokussieren.

Der doch recht frühe Zeitpunkt des Einstiegs samt Kaufoptionen überrascht zwar und sorgt dafür, dass die Samwers in diesen Regionen nur noch Marktpreise für ihre Unternehmungen erhalten (im Gegensatz zu strategischen Preisen, die entstehen könnten, wenn sich etwa mehrere Carrier in den neuen Markt wagen und einen Bieterkampf lostreten). Auf der anderen Seite ist die erhaltene Bewertung sehr gut und sichert durch die tiefen Taschen von Millicom die weitere Finanzierung in Lateinamerika und Afirka. Womöglich bildet Investment AB Kinnevik (www.kinnevik.se) auch eine der Brücken dieser Transaktion: Der schwedische Geldgeber verfügt nicht nur über 25 Prozent von Rocket Internet, sondern ist auch im Besitz von 36,9 Prozent an Millicom.