Gunnar
Wunder-CEO und Gründer Gunnar Froh: „In Deutschland machen wir gerade den höchsten Umsatz.“

In den vergangenen Monaten war es still um Wunder. Doch hinter den Kulissen bereitet das 2014 gegründete Hamburger Startup seine Expansion in neue Märkte weltweit vor.
Über eine App vermittelt Wunder innerhalb einer Stadt Mitfahrgelegenheiten mit Privatpersonen. Bezahlt wird in der Regel mit Trinkgeld. In Deutschland ist der Service verboten. Er verstoße gegen das Personenbeförderungsgesetz, lautet die Begründung der Behörden. Aber in den neuen Märkten funktioniert er.

Still und heimlich hat Wunder kürzlich neues Kapital in zweistelliger Millionenhöhe eingesammelt, wie CEO Gunnar Froh im Interview mit Gründerszene verrät. Was hat das Startup mit dem Geld vor? Hier spricht der Wunder-Gründer und frühere Airbnb-Deutschlandchef über seine Pläne, neue Geschäftsmodelle und erzählt, warum das Unternehmen – trotz Verbot – in Deutschland derzeit den meisten Umsatz macht.

Gunnar, wir haben das letzte Mal vor rund einem Jahr mit dir gesprochen. Seitdem ist euer Team um ein Drittel auf jetzt knapp 60 Mitarbeiter gewachsen und ihr habt neues Geld eingesammelt, wie du uns im Vorfeld des Interviews verraten hast. Woher stammt das Geld? Wie hoch war die Finanzspritze?

In dieser Finanzierungsrunde haben wir einen achtstelligen Betrag eingesammelt. Neben den Altinvestoren Blumberg, Cherry und Sixt ist ein neuer Milliarden-Fonds aus London eingestiegen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Dann machen wir mit anderen Zahlen weiter: Im Frühjahr 2016 war euer Ziel, bis Ende des Jahres rund eine Million Fahrten durchzuführen. Was ist daraus geworden?

Dieses Ziel haben wir erreicht. Und auch in diesem Jahr haben wir bereits die Millionen-Marke geknackt. Mittlerweile ist unser Service in sechs Städten auf den Philippinen, Indien und in Malaysia verfügbar. Bis Ende 2018 wollen wir mit unserer App in den meisten Mega Cities in Emerging Markets aktiv sein. Dort sind der Verkehr und die Luftverschmutzung am Schlimmsten; das sind rund 20 Städte, in denen mehr als 300 Millionen Menschen leben. Dort profitieren die Menschen am meisten vom Carpooling, bei dem Privatmenschen auf ihrem Weg zur Arbeit oder nach Hause andere in ihrem Auto mitnehmen.

Was unterscheidet euch von Wettbewerbern wie Allygator oder Clevershuttle in Deutschland? Und was von den US-Fahrdiensten Uber und Lyft?

Wir konzentrieren uns als einziges Mobility-Startup in Deutschland auf die Märkte, in denen es weltweit tatsächlich das größte Verkehrsproblem gibt: Mega Cities in Emerging Markets. Damit sind wir in der Lage, deutlich mehr Transaktionen abzuwickeln, wodurch sich unsere Technologie schneller verbessert. Anders als all die Genannten setzen wir keine zusätzlichen Fahrer in eigenen Fahrzeugen ein, sondern entlasten den Verkehr durch Carpooling. Das ist technisch ähnlich anspruchsvoll, im Ergebnis aber günstiger und umweltfreundlicher als ein klassisches Ridesharing- oder Smart Shuttle Angebot.

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Wunder bietet seinen Service in den neuen Märkten an, u.a. in Manila (Philippinen) und Delhi (Indien).

Im vergangenen halben Jahr ist eurer Team am Standort in Hamburg auf knapp 60 Mitarbeiter gewachsen. Wie wählt ihr eure neuen Mitarbeiter aus?

Wir suchen vor allem Experten, die sich in unseren künftigen Märkten und in unserem Thema auskennen. Beispielsweise hat gerade der ehemalige Uber-Marketing-Chef aus Indien bei uns angefangen. Ebenfalls an Bord ist der frühere Head of New Verticals von Grab. Bei uns leitet er jetzt das Growth Team.

Wie überzeugt ihr denn beispielsweise einen ehemaligen Uber-Mitarbeiter davon, nach Hamburg zu kommen, um bei euch anzufangen? 

Das Gehalt ist nicht ausschlaggebend. Wir zahlen ihm in etwa das Gehalt wie Uber in Delhi. Allerdings ist in Indien damit natürlich ein viel höherer Lebensstandard drin. Überzeugt hat ihn etwas anderes: In Deutschland ist die Lebensqualität höher. Alleine wegen der dramatischen Luftverschmutzung hat seine Tochter in Delhi eine fünf bis zehn Jahre geringere Lebenserwartung. 

Warum holt ihr alle Mitarbeiter nach Hamburg und stellt sie nicht vor Ort ein, in den Ländern, in denen eure App ja auch verfügbar ist?

Wenn wir alle in einem Büro, an einem Ort sitzen, läuft die Kommunikation besser. Wenn wir weiter wachsen, wollen wir irgendwann einen zweiten Standort aufbauen. Das würde dann auch wirtschaftlich Sinn machen. Derzeit zahlen wir vielen Menschen hier einiges mehr als in ihren Heimatländern. Zwar ist das Gehaltsniveau für gute Programmierer an anderen Standorten nicht so viel niedriger als in Deutschland, aber je mehr Mitarbeiter wir haben, desto wichtiger ist das Gehaltsniveau. Im Augenblick steht das nicht auf der Agenda. 

Ein anderes Thema: Wie wollt ihr euer Produkt monetarisieren? Setzt ihr immer noch auf eine Transaktionsgebühr, wie du sie im letzten Interview beschrieben hast? 

Eine Transaktionsgebühr ist nur eine Möglichkeit. Dafür entwickeln wir unser eigenes digitales Wallet. Pro Fahrt behalten wir dabei von den ein bis zwei Dollar eine Gebühr in Höhe von 15 Prozent ein. Allerdings zahlen die Mitfahrer in den neuen Märkten überwiegend bar. Dort verdienen wir nichts. 

Welche Wege testet ihr darüber hinaus?

Wir entwickeln derzeit Möglichkeiten für lokales Advertising. Beispielsweise haben wir dazu ein Pilotprojekt in Manila gestartet: Der Betreiber eines Einkaufszentrums bezahlt uns dafür, dass wir Fahrer zu seiner Mall umleiten. Wenn ein Kunde beispielsweise nachmittags die App öffnet, wird ihm vorgeschlagen, dass er anstatt direkt nach Hause auch zu einem Einkaufszentrum in der Nähe fahren könnte. In dem Fall übernimmt dann der Betreiber des Centers die Kosten für den Passagier – und zahlt außerdem einen Dollar an uns. In diesem Bereich sehen wir großes Potenzial. Doch auch in Deutschland verdienen wir Geld. 

Obwohl eure App hier verboten ist? Womit?

Wir verkaufen unsere hinter der App steckende Technologie an deutsche Automobilhersteller. In den vergangenen Monaten haben wir mit allen drei großen Herstellern – BMW, VW und Daimler – zusammengearbeitet. In diesem Bereich machen wir gerade den größten Umsatz. 

Fotos: Wunder