mindestlohn fälligkeit gehaltsbestandteile

Ein Beitrag von Constanze Grosch, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Sozietät BMH Bräutigam & Partner Berlin. In einem vorigen Artikel zum Mindestlohn beantwortete die Autorin bereits die Frage, für wen der Mindestlohn gilt.

Fälligkeit des Mindestlohns

Die Frage, wann der Mindestlohn fällig ist und welche Gehaltsbestandteile mindestlohnrelevant sind, ist für alle Arbeitgeber von besonderer Bedeutung. Denn im Falle einer nicht rechtzeitigen Zahlung beziehungsweise im Falle des Unterschreitens des Mindestlohns droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 500.000 EUR.

Wichtig zu wissen: Der Mindestlohn muss zu bestimmten Zeiten gezahlt werden. Bemessungszeitraum ist der Monat. Eine Jahresbetrachtung ist nicht zulässig. Die Frage, wann der Mindestlohn gezahlt werden muss, kann durch einen Blick in den Arbeitsvertrag beantwortet werden:

  • – Sieht der Vertrag einen bestimmten Zahlungstermin für das Gehalt vor, so ist der Mindestlohn zu diesem Zeitpunkt fällig.
  • – Haben die Parteien eine solche Vereinbarung nicht getroffen und haben sie einen Monatslohn vereinbart, so ist der Mindestlohn am 1. des Folgemonats fällig.
  • – Spätestens jedoch ist der Mindestlohn am letzten Bankarbeitstag des übernächsten Monats fällig. Das bedeutet: Die Parteien können keinen späteren Zahlungstermin für den Mindestlohn vereinbaren

8,50 Euro pro geleisteter Arbeitsstunde

Der Mindestlohn beträgt 8,50 Euro Brutto pro geleisteter Arbeitsstunde. Klassischerweise werden arbeitsvertraglich Wochenarbeitszeiten und Monatsgehälter vereinbart. Dies kann bei der Frage der Einhaltung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) zu Schwierigkeiten führen. Denn es kommt immer auf die individuelle Betrachtung jedes einzelnen Monats an. Für die Vergütungszahlung bleiben Arbeitgebern daher folgende Optionen:

  • – Monatliche Abrechnung anhand der konkret geleisteten Arbeitszeit. Vorteil: Sichere Einhaltung des Mindestlohngesetzes. Nachteil: Höherer Verwaltungsaufwand.
  • – Zahlung eines verstetigten Monatsgehalts. Die Zahlung eines verstetigten Monatsgehaltes, also einer arbeitsvertraglich vereinbarten konkreten Summe, wird durch das MiLoG nicht unmöglich. Der Teufel steckt aber im Detail:
  • -> Bei einer Fünf-Tage-Woche sind Arbeitgeber zunächst sicher, wenn sie ein Monatsgehalt in Höhe von mindestens 1.564,00 Euro brutto zahlen. Denn der längste Monat hat 23 Werktage, so dass sich die Rechnung folgendermaßen darstellt: 23 Werktage x 8 Stunden x 8,50 Euro = 1.564,00 Euro.
  • -> Alternativ kann auch mit dem Durchschnitt der Werktage pro Monat gerechnet werden. Dieser beträgt 21,66 Werktage, so dass sich ein Anspruch auf 1.473,00 ergibt Euro.
  • Aber: Da der Mindestlohnanspruch in jedem Monat erfüllt werden muss, führt jede Durchschnittsbetrachtung dazu, dass der Mindestlohnanspruch in einzelnen Monaten, die mehr Werktage haben als andere, nicht komplett gezahlt wird. Dies ist nur möglich, wenn die Parteien schriftlich die Einrichtung eines sogenannten Arbeitszeitkontos vereinbart haben, auf das Plus- und Minusstunden des Arbeitnehmers eingestellt werden. Durch ein Arbeitszeitkonto kann nicht der Mindestlohnanspruch selbst modifiziert werden, wohl aber die Fälligkeit des Mindestlohns hinausgeschoben werden.

Übrigens: Die klassische Formulierung: „Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten“ täuscht. Auch für geleistete Überstunden ist der Mindestlohn zu zahlen. Zahlt der Arbeitgeber also 1.564,00, und erfüllt daher grundsätzlich den Mindestlohnanspruch (siehe oben), führt in einem Monat mit 23 Werktagen bereits die Anordnung einer einzigen Überstunde zum Verstoß gegen das MiLoG!

Anrechenbarkeit von Gehaltsbestandteilen

Oft ist das Gehalt in einen Grundlohn und Zulagen und Zuschläge aufgeteilt. Hier ist unter Geltung des MiLoG Vorsicht geboten. Denn nicht jeder Zuschlag und nicht jede Zulage kann auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden.

Angerechnet werden können nur solche Gehaltsbestandteile, mit denen der Arbeitgeber die sogenannte „Normalleistung“ des Arbeitnehmers vergütet. Die Normalleistung des Arbeitnehmers ist diejenige Leistung, zu der sich der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich grundsätzlich verpflichtet hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich Arbeitnehmer arbeitsvertraglich nicht zu einer besonderen Qualität ihrer Leistung beziehungsweise zu einer besonderen Quantität ihrer Leistung verpflichten.

Zuschläge, die sich auf die Qualität oder Quantität der Leistung des Arbeitnehmers beziehen, sind daher nicht geeignet, den Mindestlohnanspruch zu erfüllen. Wenn der Arbeitnehmer also ein „Mehr“ an Arbeit oder eine „höherwertigere“ Arbeit erbringt und dafür Zuschläge erhält, handelt es sich nicht um eine Vergütung der Normalleistung des Arbeitnehmers, so dass die Zuschläge auf den Mindestlohnanspruch nicht angerechnet werden können (zum Beispiel Überstundenzuschläge, Akkordprämien, Qualitätsprämien et cetera).

Auch bleiben Zusatzvergütungen außer Betracht, die voraussetzen, dass der Arbeitnehmer zu besonderen Zeiten (zum Beispiel Zulagen/Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, Nachtzuschläge, Schichtzulagen et cetera) oder unter besonderen Bedingungen (zum Beispiel Schmutzzulage) arbeitet.

Etwas anderes kann nur gelten, wenn es sich dabei um die Normalleistung des Arbeitnehmers handelt. Unter Umständen kann wegen der Anknüpfung an die Normalleistung eine Zulage/ ein Zuschlag durch Vertragsgestaltung mindestlohnrelevant werden.

Anrechenbarkeit von Einmalzahlungen

Da der Mindestlohnanspruch in jedem Monat zu erfüllen ist, sind Einmalzahlungen (zum Beispiel Weihnachtsgeld) nicht „mindestlohnkompatibel“. Mit Einmalzahlungen kann der Mindestlohnanspruch nämlich nur im Zahlungsmonat erfüllt werden. Für die anderen Monate wäre die Mindestlohnzahlung verspätet. Soll dies vermieden werden, bleibt Arbeitgebern nichts anderes übrig, als Einmalzahlungen anteilig auf die Monate umzulegen.

Mitarbeiterbeteiligungsprogramme

Auch die klassischen Mitarbeiterbeteiligungsprogramme können den Arbeitgeber nicht von der Zahlung des Mindestlohns befreien. Mitarbeiterbeteiligungen in Form von virtuellen Optionen beziehungsweise virtuellen Beteiligungen geben Mitarbeitern in die Zukunft gerichtete schuldrechtliche Zahlungsansprüche, die klassischerweise im Falle eines Exits fällig werden. Auch in diesen Fällen kann die strikte Fälligkeitsregelung des MiLoG nicht eingehalten werden, so dass eine Anrechnung außer Betracht bleiben muss.

Erfolgsbeteiligungen und umsatzabhängige Zulagen

Vorsicht ist auch bei Erfolgsbeteiligungen und umsatzabhängigen Zulagen geboten. Eine Anrechnung kommt – wie sonst auch – nur in Betracht, wenn der Betrag anteilig und regelmäßig jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt ausgezahlt wird.

Schließlich ist zu beachten, dass widerrufliche Zahlungen und Zahlungen, die vom Eintritt bestimmter Bedingungen abhängen, nicht geeignet sind, den Mindestlohnanspruch zu erfüllen.

In folgenden Artikeln zum Thema Mindestlohn wird sich die Autorin unter anderem der Aspekte Minijobber, Arbeitszeitflexibilisierung und Auftraggeberhaftung annehmen.

Bild: © panthermedia.net / Wolfgang Zwanzger