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Die deutsche Bürokratie überwinden

Die deutsche Bürokratie ist nicht nur bekannt, sie ist auch berüchtigt. Einheimische begegnen den alltäglichen kleineren oder größeren bürokratischen Stolpersteinen gerne mit routiniertem Entnervtsein. Das amtliche Wartezimmer gleicht dann einem vertrauten Trainingsplatz, in dem in jahrelanger Übung Geduld und bürokratische Ausdauer antrainiert werden.

Für Neuankömmlinge aus dem Ausland stellt sich die Situation schon ganz anders dar. Damit aus den neuen Herausforderung keine unüberwindlichen Hürden werden, sollten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber rechtzeitig auf den bevorstehenden Prozess einstellen und ihn gemeinsam angehen. Dabei sollen folgende fünf Tipps helfen.

1. Versuchen, den Prozess so früh wie möglich zu starten

Das Wichtigste vorweg: Wer nicht Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) ist und auch nicht auf der Schweiz stammt, braucht „für den Aufenthalt in Deutschland zum Zwecke der Ausübung einer Erwerbstätigkeit“ einen Aufenthaltstitel – und für die Einreise ein Visum. Sobald also klar ist, dass der neue Mitarbeiter starten wird, sollten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam an das Zusammensuchen der Unterlagen machen. Je früher, desto besser!

Welche Unterlagen sind nötig? Eine Frage von EU oder Nicht-EU

Für Mitarbeiter aus Nicht-EU-Staaten bedeutet das: Visum beantragen, und zwar rechtzeitig vor der geplanten Einreise. Einzelheiten dazu können bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung erfragt werden. Folgende Unterlagen werden dafür aber im Allgemeinen benötigt:

  • Aussagekräftige Unterlagen zur Qualifikation: Für den neuen Arbeitsplatz ist meistens eine bestimmte Qualifikation, etwa ein Berufs- oder Uniabschluss, nötig. Wichtig ist, rechtzeitig zu prüfen, ob sie auch in Deutschland anerkannt ist, und sie gegebenenfalls anerkennen zu lassen.
  • Nachweis über ein konkretes Arbeitsplatzangebot: Wer bereits mit einer festen Zusage nach Deutschland reist, benötigt ein Muster des Arbeitsvertrags. Andernfalls sollte zumindest die konkrete Stellenbeschreibung vorliegen.
  • Unterlagen zur geplanten Unterkunft in Deutschland, beispielsweise der Mietvertrag.

Wer aus der EU, Island, Liechtenstein, Norwegen oder der Schweiz nach Deutschland kommt, hat es da wesentlich leichter. Ein Visum braucht man nicht – nur einen gültigen Pass oder ein Personalausweis und gepackte Koffer. Denn die Verlegung des Wohnsitzes nach Deutschland ist Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme.

Akademiker haben es besonders leicht

Für Akademiker mit einem anerkannten Hochschulabschluss oder mit einem Hochschulabschluss, der einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbar ist, gibt es Dank des sogenannten Aufenthaltstitels „Blaue Karte EU“ seit dem 1.08.2012 erleichterte Zuwanderungsbestimmungen. So ist zum Beispiel keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nötig, wenn man ein konkretes Arbeitsplatzangebot mit einem jährlichen Bruttogehalt in Höhe von mindestens 44.800 Euro vorweisen kann.

Für Fachkräfte (zum Beispiel aus den Bereichen Informatik und Technik) und Ärzte gilt eine Gehaltsgrenze von knapp 35.000 Euro. Die Bundesagentur für Arbeit muss der Beschäftigung in dem Fall allerdings zustimmen. Besonders praktisch für unentschlossene oder suchende Akademiker: Sie können inzwischen auch ohne Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebots ein Visum zur Arbeitsplatzsuche beantragen. Damit haben sie sechs Monate Zeit, sich einen passenden Job zu suchen.

2. Tipps einholen, bevor man loslegt

Bevor es richtig losgeht, lohnt es sich, Unternehmen um Rat zu fragen, die einen ähnlichen Prozess schon ein paar Mal durchlaufen haben. Von diesem Erfahrungsaustausch profitieren am Ende alle. In Berlin gibt es aber auch direkte Anlaufstellen für Unternehmen, die ihren ausländischen Mitarbeitern dabei helfen wollen, richtig anzukommen. Berlin Partner hat beispielsweise schon Groupon, Zalando, Wooga und viele andere Berliner Startups bei diesem Prozess unterstützt. Auch der Arbeitgeberservice in der Ausländerbehörde oder in Arbeitsagenturen steht mit Tipps zur Seite, kennt die nötigen Unterlagen oder die wichtigsten Kontakte.

3. Den Arbeitnehmer gut in den Prozess mit einbeziehen

In Deutschland angekommen, geht der Prozess in die nächste entscheidende Phase. Der neue Mitarbeiter wird erst einmal mit einer wahren Informationsflut konfrontiert. Je nach Land und Kulturkreis können die ersten Eindrücke schnell überfordern und ablenken. Das Wichtigste ist jetzt, wesentliche Erledigungen nicht aus den Augen zu verlieren.

  • EU-Bürger müssen sich beim Einwohnermeldeamt melden (eine Hoteladresse wird hier nicht als Meldeadresse akzeptiert).
  • Die erste Anlaufstelle für Nicht-EU-Bürger ist die Ausländerbehörde, denn wer mit einem Visum nach Deutschland einreist, muss zuallererst den besagten Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit beantragen. Damit sollte man auch nicht lange warten. Mindestens vier bis sechs Wochen vor Ablauf des Visums sollte ein Termin beantragt werden – am besten natürlich sofort.

Gerade Mitarbeiter, die nicht aus der EU kommen, sind die sehr bürokratischen Vorgänge deutscher Behörden nicht gewohnt und sollten auf den Besuch in der Ausländerbehörde vorbereitet werden. Als Arbeitgeber bietet es sich deswegen an, für diese Phase eine Willkommens- und Informationsmappe zusammenzustellen, in der die wichtigsten Schritte, Adressen, Abläufe und Fristen kurz und übersichtlich dargestellt werden.

4. Das neue Teammitglied ständig begleiten

Neben den ganzen bürokratischen Erledigungen ist natürlich eines ganz wichtig: Das Gefühl, damit nicht alleine gelassen zu werden. Er oder sie ist neu in der Stadt, die Straßen und Gesichter sind fremd, Behördengänge verwirrend, Wartezimmer unglaublich voll und Flure lang. Es ist also nie verkehrt, ein wenig „Geleitschutz“ anzubieten – etwa durch andere Mitarbeiter, die als „Paten“ oder „Mentoren“ zur Seite stehen und im Idealfall als Übersetzer auftreten können.

Wohnungssuche, Anmeldung, Handyvertrag: Es gibt viel zu tun

Gerade in Großstädten wie Berlin ist die Wohnungssuche ein heikles Thema. Zwar ist eine Wohnung gerade bei Visa-Anträgen oft schon Voraussetzung für die Einreise, doch nicht immer klappt es sofort. Eine Zwischenlösung für den Anfang sind Hotels oder das Gästezimmer eines freundlichen Kollegen. Damit wird sich das Einwohnermelde- und Bürgeramt allerdings nicht zufrieden geben.

Mittelfristig mieten einige Unternehmen oder Startups mit viel internationaler Zuwanderung eigens für die Neuankömmlinge deswegen auch Wohnungen an, die zur Überbrückung dienen, bis eine eigene Bleibe gefunden ist. Ein Empfehlungsschreiben des neuen Arbeitgebers kann bei der Wohnungssuche darüber hinaus oft Wunder wirken.

Ist endlich eine Wohnung gefunden, stehen viele Anmeldungen auf der To-do-List, die anders als oft erwartet in Deutschland keine behördlichen Angelegenheiten sind: Energie und Wasserversorger, Telefon und Internet, Rundfunkgebühren – um nur einige zu nennen.

Anspruch auf Versicherungen und Kindergeld

Ganz wichtig sind natürlich auch Versicherungen, deren System in Deutschland für viele oft ebenfalls neu ist. Entscheidend für den Sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer ist die Sozialversicherung, die in der Regel die gesetzliche Kranken-, Pflege-, Renten- ,Unfall- und Arbeitslosenversicherung beinhaltet.

Wer mit Kind und Kegel nach Deutschland kommt, sollte wissen, dass auch in Deutschland wohnende Ausländer Anspruch auf Kindergeld haben. Voraussetzung dafür ist eine gültige Niederlassungserlaubnis oder eine andere Aufenthaltserlaubnis.

5. Das Team vorbereiten

Gerade, wenn es vorher eine andere Bürosprache gab und die Kommunikation für den neuen Mitarbeiter auf englisch umgestellt werden muss, ist es gut, das Team auf den Neuankömmling einzustimmen. Jeder sollte rechtzeitig darüber informiert werden, wer da kommt und was passieren wird.

Das ist besonders wichtig für die Mitarbeiter, die direkt mit dem neuen Kollegen zusammenarbeiten werden. Sie wundern sich dann nicht über einen Überraschungsgast, mit dem sie nichts anzufangen wissen. Stattdessen können sie den neuen Kollegen vom ersten Tag an Schritt für Schritt in gewohnte Arbeitsabläufe integrieren und ihm helfen, sich schnell in laufenden Projekten zurechtzufinden.

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