Ein Beitrag von Gary Lin, Gründer und Geschäftsführer des Performance-Marketing-Startups Glispa. 

Der technologische Fortschritt macht es heute möglich, globale Unternehmen in der Hälfte der Zeit und mit halbiertem Aufwand als noch vor fünf Jahren aufzubauen. Marken jeder Größe haben nun ungeahnte Möglichkeiten, ein großes Publikum schnell zu erreichen. Aber um auf globaler Ebene erfolgreich zu agieren, bedarf es anderer Attribute als bloßer Reichweite.

Vor allem der internationale Unternehmensaufbau ist Markenzeichen eines leistungsstarken Geschäftsmodells. Aber globale Expansion bewegt sich jenseits des „One Size Fits All“-Ansatzes. Es reicht nicht, in jeder Ecke der Welt ein Büro zu eröffnen noch einzelne Kooperationen im Ausland zu schließen. Das Geheimnis liegt in einer Kultur der Vielfalt. Ob diese gelingt, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Wenn Ja Nein meint (oder Vielleicht oder doch Ja)

International Geschäfte zu machen bedeutet nicht nur, Grenzen zu überschreiten – man durchkreuzt auch Kulturen. Länder können sich drastisch unterscheiden, wenn es um Ethik, Risikobereitschaft, bevorzugte Organisationsstrukturen, die Wahl der Arbeitszeiten oder Work-Life-Balance geht. Kulturelle Werte haben direkten Einfluss auf die Art, wie Menschen verhandeln – manchmal ist das Wort „vielleicht“ eine höfliche Version von „Nein“.

Je nachdem, wo man sich auf der Welt befindet, kann der Geschäftspartner ein schnelles und einfaches Angebot bevorzugen – oder in die Länge gezogene, schrittweise Verhandlungen. Lösungen, die in einem Kontext Sinn ergeben, können in einem anderen völlig falsch sein.

Mit einem homogenen, monokulturellen Team besteht deshalb das Risiko, dass man solch wichtige Besonderheiten aus Unwissenheit missachtet. Das stetige Wachstum in Schwellenländern wie China, Indien, Russland und Brasilien kann dazu verlocken, dorthin zu expandieren. Aber der Erfolg dort erfordert ein intimes Verständnis dieses Länder – ihre Kultur, Geschäftspraktiken und Werte.

Expandiert ein Unternehmen weltweit, wird es immer auf unerwartete Hindernisse stoßen. Eine heterogene Belegschaft ist dabei das wertvollste Kapital, um sie zu überwinden. Zum Beispiel haben wir einmal die aufdringlichen Verkaufstaktiken eines unserer Teammitglieder in Russland in Frage gestellt. Wie wir jedoch bald herausfanden, folgte unsere Mitarbeiterin nur einer allgemein anerkannten russischen Verkaufsstrategie. Ein weniger durchsetzungsfähiger Ansatz hätte in dieser speziellen Situation nicht funktioniert. Weil sie wusste, wie sie diese kulturelle Norm zu ihrem Vorteil nutzen kann, war sie in der Lage, erfolgreich zu verhandeln.

Stärke aus Vielfalt ziehen

Ein solcher Ansatz wird nicht dabei helfen, sinnvolle interkulturelle Kontakte zu knüpfen. Offenheit gegenüber Vielfalt lässt uns bescheiden, ehrlich und neugierig sein und lehrt Flexibilität und Verständnis.

Zudem sind die wirtschaftlichen Vorteile bei Diversität real und messbar. Multikulturell aufgestellte Unternehmen übertreffen die Leistung homogener Teams in den jeweiligen Branchen häufig um bis zu 35 Prozent, bei gemischter Geschlechteraufteilung sind es immerhin noch um die 15 Prozent.

2015 machen die so genannten Millennials (die Altersgruppe der zwischen 1980 und 2000 Geborenen) den größten Anteil der amerikanischen Arbeitskräfte aus. Darüber hinaus repräsentieren Menschen unter 25 mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Junge Mitarbeiter bringen neue Ideen ein und gehen von Natur aus unbefangen mit neuer Technologie um. Dabei muss man aber bedenken, wie verschiedene Länder Dienstalter ansehen.

Ein 35-jähriger CEO ist in London oder Paris nicht allzu überraschend, aber ein junger Expat in China, der nicht vertraut ist mit der Beziehung zwischen Glaubwürdigkeit und Alter, wird es schwer haben, dort ein erfolgreiches Geschäft aufzubauen. Denn: In China ist es äußerst selten, dass Manager jünger als ihre Mitarbeiter sind. Manche von ihnen lügen sogar über ihr Alter, um unangenehme Situationen zu vermeiden. Ein Unternehmen, welches sowohl in aufstrebende Talente als auch in erfahrenen Profis investiert, wird auch von den Vorteilen der vielfältigen Perspektiven profitieren.

Darüber hinaus werden Frauen immer mehr zu den wichtigsten Konsumenten und Entscheidungsträgern, was Käufe angeht – bis zum Jahr 2018 wird ihr Gesamteinkommen bei 18 Milliarden US-Dollar liegen. Ein Team mit einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis wird jedem Unternehmen helfen, ein kritisches Marktsegment zu verstehen und es zu erobern.

Business in der schönen neuen Welt

Vielfalt hat darüber hinaus eine positive psychologische Wirkung auf die Mitarbeiter. Die Arbeit mit Menschen, die anders sind, macht uns kreativer, gewissenhafter und teamfähiger. Von Tag eins an Vielfalt im eigenen Team aufzubauen etabliert eine Kultur, die innovative Ideen belohnt. Es hilft, Mitarbeiter zu versierten Weltbürgern zu machen, die mit dieser Denk- und Sichtweise überall Erfolg haben können. Diese Wandelbarkeit öffnet die Tür, um auch in potentiell schwierigen Märkten zu wachsen.

Der Weltmarkt hält ein massives Wachstumspotenzial bereit, aber es bedarf dafür eines globalen Blickwinkels. Und der einzige Weg, um diesen Blickwinkel zu erhalten, ist es, die inneren Grenzen zu erweitern. Eine vielfältige Belegschaft ist nicht nur etwas, was das Unternehmen auf dem Papier gut aussehen lässt – es ist das beste Werkzeug, das man als Unternehmen hat, um den unterschiedlichen Anforderungen der Investoren, Kunden, Partnern und Konsumenten auf der ganzen Welt gerecht zu werden.

Bild: © panthermedia.net / JCB Prod