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SPAIN-TELECOM-MWC-MOBILE-WORLD-CONGRESS Das neue G6 von LG war in Barcelona ein beliebtes Fotomotiv

Jeden Februar beginnt dieses Windhundrennen. Sobald der Mobile World Congress (MWC) in Barcelona die Tore öffnet, überschlagen sich die Smartphone-Hersteller mit neuen Geräten, Funktionen, Diensten. Die wichtigste Leistungsschau der Mobilfunkindustrie, die an diesem Montag beginnt, öffnet ein Zeitfenster, das sich exakt im September wieder schließt. Dann stellt Apple seine neueste iPhone-Generation vor – und vertröstet alle seine Wettbewerber wieder bis zum nächsten Februar.

Dass die Startbedingungen in diesem Jahr für viele Hersteller besser sind als sonst, hat vor allem einen Grund: Samsung ist mit seinem Flaggschiff Galaxy S8 nicht rechtzeitig fertig geworden. Der Rückruf des Galaxy Note 7 im vergangenen Jahr wegen brennender Akkus hat den Fahrplan der Südkoreaner gehörig durcheinandergebracht. In Barcelona hat Samsung statt seines Smartphones nur ein Tablet und zwei Tablet-Computer im Gepäck, die sich mit einer Tastatur zu einem PC erweitern lassen.

Warum zeigt die Konkurrenz keine Innovationen?

In den vergangenen Jahren kämpften Smartphone-Hersteller wie LG, Huawei und HTC im Schatten von Samsung um Aufmerksamkeit, denn an die Werbebudgets der Südkoreaner kam niemand heran. In diesem Jahr ist alles anders. Zum ersten Mal gehört ihnen allein die Bühne – und Samsung muss die Smartphone-Welt um Aufschub bitten.

Nun könnten die Konkurrenten mit ihren Innovationen vorpreschen. Tagelange Akku-Laufzeiten, biegsame Displays, revolutionäre Kameras? Nichts davon ist bei den großen Herstellern in Barcelona zu sehen. Im Gepäck haben sie nur ein Ich-bin-etwas-besser-als-mein-Vorgänger-Modell.

LG bringt ein Doppel-Quadrat-Handy

LG zeigt sich in diesem Jahr sogar erstaunlich kurzatmig. Nach nur einem Jahr wendet sich der Hersteller von seinem Handy-Stecksystem ab, das er in einem Überraschungscoup beim vergangenen MWC präsentierte. Tatsächlich verkaufte sich das LG G5 mit seinen Ansteckmodulen für die bessere Kamerasteuerung oder einen besseren Audiosound schlecht.

Das neue G6, das LG am Sonntag in Barcelona zeigte, hat nichts mehr von seinem Modulvorgänger. Dafür versucht sich LG an neuen Proportionen. Das sehr hochauflösende 5,7-Zoll-Display hat nun ein 18:9-Format. Was das bringt? Erst einmal nur ein breiteres Format. Einige Filme haben dieses Format, auch wenn die meisten eher in 16:9-Proportionen gezeigt werden.

Außerdem ermöglicht das G6 quadratisches Multitasking. Zwei quadratische Fenster können gleich groß nebeneinander angezeigt werden. Das funktioniert beispielsweise in der Kamera-App. Wer also quadratisch für Instagram fotografiert, kann gleich auf dem Display das Ergebnis neben dem Kamerasucherfenster betrachten.

Das G6 ist zudem das erste Smartphone neben dem Google Pixel, das zusammen mit Googles Assistant funktioniert. Dabei handelt es sich um einen digitalen Assistenten, der ähnlich wie Amazons Alexa Fragen beantworten und Sprachbefehle ausführen kann.

Allerdings werden bald schon viele andere Smartphones mit Googles Assistant ausgerüstet sein. Der Internetkonzern hat nun in einem Blogeintrag praktisch die Freigabe von seinem digitalen Assistenten bekannt gegeben. Jedes Smartphone, das mindestens über Android 6.0 (Marshmallow) verfügt, wird dazu von kommender Woche an in der Lage sein.

Huawei mit mehr Leica

Huawei hat am Vortag des MWC sein P10 präsentiert, dessen Design erstaunlich nah am iPhone angelangt ist. Eine etwas größere Variante nennt Huawei P10 Plus. Der chinesische Hersteller bleibt seinem P9-Konzept treu und legt vor allem Wert auf die Kameras, die in Zusammenarbeit mit Leica entwickelt werden.

Im Vergleich zum P9 haben die Kameras des P10 eine höhere Auflösung. An der Rückseite versteckt sich wieder hinter der zweiten Linse eine Schwarz-Weiß-Kamera. Huawei schafft es, aus dem Kameraduo mehr Details für die aufgenommenen Fotos herauszuholen. Sie ermöglichen außerdem ein Bokeh-Effekt, wie man ihn von Spiegelreflexkameras kennt. Dabei wird beispielsweise ein Porträt scharf gestellt, der Hintergrund aber unscharf.

Im P10 ist auch die Selfie-Kamera über dem Display von Leica. Außerdem kann das Smartphone nun auch Videoaufnahmen in 4K, also der vierfachen HD-Auflösung, machen. Dass dies mit dem P9 nicht möglich war, hatte sich für viele Nutzer als Schwachstelle erwiesen.

HTC macht sein Ultra schlau

Der Smartphone-Hersteller HTC aus Taiwan hat es erst gar nicht geschafft, bis zur Mobilfunkmesse in Barcelona zu warten. Sein neues Flaggschiff U Ultra zeigte das Unternehmen schon im Januar. Das Gehäuse ist hauptsächlich aus Glas, was HTC Liquid-Surface-Design nennt. Es fühlt sich tatsächlich sehr hochwertig und angenehm an.

Neu ist auch ein zweites Display auf der Vorderseite, das in einem Streifen über dem Hauptdisplay untergebracht ist. LG hatte ein solches Display schon 2015 in einem Smartphone präsentiert. Das U Ultra zeigt darin vor allem Benachrichtigungen, auch wenn das Smartphone im Stand-by-Modus ist. Zentraler Bestandteil des Gerätes ist der Sense Companion, eine Software, die das Gerät mithilfe von künstlicher Intelligenz ständig seinem Nutzer anpasst.

Der Companion bestimmt beispielsweise, welche Benachrichtigungen angezeigt werden und welche nicht oder nur nachgeordnet werden. Er verwaltet auch die Energieeinstellungen und Alarme. Zwar ist das Gerät in Deutschland seit einer Woche im Handel, doch vorerst ohne den Companion. Er soll erst im zweiten Quartal per Update kommen.

Motorola bleibt bei seinen Mods

Lenovo hält sein Moto Z noch für zu neu, um mit dem nächsten Flaggschiff-Smartphone nachzulegen. Daher gibt es für das extrem flache Gerät erst einmal nur neue Mods, also Ansteckmodule, die neue Funktionen mit sich bringen. Sie werden per Magnet an die Rückseite des Handys geheftet. Im Gegensatz zu LG sieht Lenovo in seinem Modulsystem eine Zukunft.

Bislang gibt es als Mods für das Moto Z einen Projektor, einen Lautsprecher, eine Kamera und eine Akku-Erweiterung. In Barcelona zeigt Lenovo nun mehrere neue Mods, darunter ein Gamepad und ein Mod für das drahtlose Laden. Insgesamt sollen in diesem Jahr zwölf neue Module erscheinen. Eines davon dürfte die Tango-Software von Google unterstützen und mithilfe von mehreren Kameras Augmented Reality ermöglichen, weil sie in der Lage sind, Tiefeninformationen zu erfassen.

Blackberry ist zurück

Die Mobilfunk-Leistungsschau in Barcelona bringt auch alte Bekannte zurück. Die chinesische Firma TCL, die auch Smartphones unter der Marke Alcatel baut, hat ihr Blackberry Keyone präsentiert. Blackberry selbst baut keine Telefone mehr. Das Keyone ist ein Android-Smartphone mit einer physischen Tastatur unter dem Touchscreen.

Wegen seiner zusätzlichen Software bezeichnet TCL sein Gerät als „das sicherste Android-Telefon auf dem Markt“. Wer sich also die Tastatur zurückwünscht, findet nun ein weitestgehend aktuelles Gerät vor. Auch wenn das nur bedingt innovativ ist.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt.de

Bild: Getty Images / JOSEP LAGO