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n26-managingdirectors Shitstorm-erprobt: Das Management-Team von N26

Die Nachricht, dass ein Informatiker in der N26-App eine schwerwiegende Sicherheitslücke aufdecken konnte, kam für das Berliner Startup vergangene Woche wahrlich zur Unzeit. Denn das öffentliche Image des Startups leidet schon seit einigen Wochen, der Hauptgrund: N26 muss sich auf allen möglichen sozialen Netzwerken mit einer Flut an Kundenbeschwerden auseinandersetzen.

Hintergrund ist der komplizierte Umzug der Kundenkonten vom bisherigen Bankpartner Wirecard auf die eigenen Systeme – seit Juli besitzt N26 selbst eine Banklizenz. Der Prozess ist aufwändig und einiges geht dabei offenbar schief. Wie Heise Online schon vor zwei Wochen berichtete, müssen sich N26-Nutzer über „verwirrende Ansagen bezüglich des Umstiegs, schwer erreichbaren Kundensupport, scheiternde Überweisungen und Verzögerungen bei der Zusendung von Bankkarten“ ärgern.

Dieser Shitstorm ist noch immer nicht vorüber. Allein auf Twitter meldet sich im Schnitt etwa alle 15 Minuten ein Nutzer, der eine Reaktion auf eine Support-Anfrage verlangt, sich über ein Problem mit Abbuchungen oder Überweisungen beschwert, sich über Fehlermeldungen in der Software wundert oder die versprochene neue Karte reklamiert.

Warum ist der Shitstorm so beständig? Warum trifft er das Startup so heftig? Am Fall N26 kann man einiges über Kundenbeziehungen im digitalen Zeitalter lernen, über das richtige Erwartungs- und Krisenmanagement.

Die Kunden sind besonders

Die Nutzer von N26 sind keine normalen Bankkunden. Sie sind besonders jung: Das Startup sagt selbst, dass man „insbesondere bei Kunden zwischen 18 und 35 besonders gut“ ankomme. Und sie sind besonders digitalaffin: Schließlich haben sie sich für das laut N26 „einzige für das Smartphone optimierte Girokonto“ entschieden.

Für diese Nutzergruppe ist es völlig normal, ein Produktproblem oder die Unzufriedenheit mit einem Feature direkt auf Twitter oder Facebook zu äußern. Die Millennials gehen nicht zum Bankschalter und rufen nur im Extremfall die Hotline an. Sie teilen der ganzen Welt mit, was ihnen nicht passt, und sie erwarten, dass sie sofort eine Antwort bekommen. So entsteht ein Shitstorm.

Die N26-Nutzer – vor allem jene, die seit dem Start Anfang 2015 dabei sind – sind außerdem überdurchschnittlich loyale Kunden. Sie sind die Apple-Fanboys der Fintech-Welt. Läuft alles gut, lieben sie ihr Produkt. Das sollen auch alle Facebook-Freunde und Instagram-Follower mitbekommen. Läuft es nicht, gehen sie auf die Barrikaden. Und wieder sollen es alle mitbekommen.

Die Erwartungen sind hoch

Mit Kunden, die ihren Ärger über Social Media auslassen, haben natürlich auch traditionelle Unternehmen zu kämpfen und nicht nur Startups. Nachzuvollziehen ist das etwa auf den Facebook-Seiten von Fluggesellschaften oder rund um die Twitter-Accounts bekannter Marken. Aber bei einem jungen Fintech wie N26 gibt es ganz andere Erwartungshaltungen: Wer ein volldigitales Produkt anbietet, der soll sich bitte auch digital ausführlich um seine Kunden kümmern. Eigentlich weiß das N26 auch. „Die User Experience muss stimmen“, sagte Gründer Valentin Stalf letztes Jahr zu Gründerszene.

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Ein Bankkonto ist aber mehr als eine App oder ein Online-Versand. Da geht es ums Geld und die Möglichkeit, den Alltag bestreiten zu können – und hier hört der Spaß für die meisten Nutzer verständlicherweise auf.

N26 hat die Fallhöhe aber selbst noch weiter nach oben geschraubt. „Banking, aber besser“, so lautet der unbescheidene Leitspruch des Startups. Die Digital-Native-Bank protzt öffentlich damit, was sie alles anders macht und besser kann als die traditionellen Finanzinstitute. Sie will transparenter und kundenorientierter sein als der Rest. Wer sich als in allen Dingen überlegener Bankenschreck präsentiert, muss seine Versprechen dann aber auch einlösen. Und wer das nicht schafft, bekommt seine Unzulänglichkeiten von wütenden Kunden um die Ohren gehauen.

Das Krisenmanagement ist schwach

Ganz offensichtlich war das Startup von den Herausforderungen des Umzugs überwältigt. „Obwohl wir viel Vorbereitung in den Migrationsprozess gesteckt haben, sind wir vom Fragevolumen unserer Kunden überwältigt“, gab eine Sprecherin vor zwei Wochen zu.

An seine Kunden wandte sich N26 erst am vergangenen Mittwoch. Per Mail und auf dem Firmenblog erläuterte das Startup vor allem seine Sicht auf die Frage, wie schwerwiegend die entdeckten Sicherheitslücken waren. Ein paar Sätze gab es aber dann auch zu den wegen der Umzugsprobleme quasi blockierten Kundendienst: „Wir möchten uns bei allen von euch entschuldigen, die länger auf Antworten via E-Mail, Chat und Telefon von unserem Kundenservice warten müssen“, hieß es da. „Momentan erreichen wir im Kundenservice nicht die Ansprüche, die wir erfüllen wollen, um einen herausragenden Service zu bieten. Wir arbeiten hart daran, den Rückstand an offenen Fragen in den nächsten Wochen abzuarbeiten  und bitten euch in der Zwischenzeit um etwas Geduld.“

Das Eingeständnis, dass zumindest der Kundenservice nicht ausreichend auf die Herausforderung, 200.000 Kunden auf eine neue Infrastruktur umzuziehen, vorbereitet war, kam spät – aber es kam. Was N26 aber bis heute nicht zugeben will: Dass es eben auch eine Menge anderer Probleme beim Umzug gab – Bugs und Fehlermeldungen, nicht akzeptierte IBANs, verschwundene Zahlungsein- und ausgänge.

Es gebe, so eine Firmensprecherin vergangene Woche zu Gründerszene, „keine Menge an Problemen beim Umzug von der Wirecard- zur N26-Bankplattform. Über 80 Prozent unserer Kunden haben diesen Umzug bereits erfolgreich – ohne Probleme – abgeschlossen.“

Zwar sei es zu Beginn „zu Hochbetrieb im Customer Service [gekommen], so dass sich die Antwortzeiten leider verlängert haben. Ein Shitstorm ist daraus aber nicht entstanden. Wir gehen heute davon aus, dass die restlichen Kunden ihren Kontoumzug in den nächsten Wochen erfolgreich meistern werden und sich dafür einfach mehr Zeit lassen. Für uns ist das ein großer Erfolg und mehr als wir erwartet haben.“

Den Shitstorm gibt es nicht? Solche Aussagen grenzen an Realitätsverweigerung. Aber sie sind nicht neu von N26. Nach der Kündigung hunderter Konten und dem folgenden Kundenaufstand im Sommer ging das Startup tagelang auf Tauchstation. Und noch vor wenigen Wochen nannte Stalf die Angelegenheit im Stern einen „Hiccup“ (also Schluckauf) beziehungsweise eine „kleine PR-Krise“.

Alle Startups machen Fehler – das ist kein Beinbruch. Entscheidend ist, wie offen und ehrlich damit umgegangen wird. Das gilt vor allem, wenn man sich Transparenz als auf die Fahnen geschrieben hat. N26 lernt das gerade auf die harte Tour.

Bild: N26