Neckermann Insolvenz Sun Capital Amazon

Neckermann: Insolvenz angemeldet

Der Online-Versender Neckermann (www.neckermann.de) ist insolvent. Die Geschichte, wie es dazu kam, kann auf zweierlei Weisen erzählt werden. Angeschlagen ist der große Online-Versender bereits seit einiger Zeit, durch die Erfolge reiner Internet-Unternehmen wurden die Versender aus der Katalog-Ära zum radikalen Umbau gezwungen. Um sich gesund zu schrumpfen und sich den modernen Wettbewerbern von Amazon über Ebay bis Zalando (www.zalando.de) stellen zu können, wurde bereits das Kataloggeschäft aufgegeben. Nun sollte die Textileigenmarke aufgegeben und das Zentrallager in Frankfurt geschlossen werden, 1.380 Stellen sollten dabei wegfallen. Für den Neustart wollte der US-amerikanische Besitzer Sun Capital Partners (www.suncappart.com) Neckermann weiteres Kapital in Höhe von 25 Millionen Euro spendieren.

Soviel haben beide Geschichten gemein. Was danach kam, stellt sich für die Beteiligten unterschiedlich dar. Aus Sicht des Investors, der die neue Finanzierung an die Bedingung geknüpft hatte, dass alle Mitarbeiter und das Management an einem Strang ziehen, scheiterte die Sanierung an der Sturheit der zu entlassenden Mitarbeiter. Die „beharrten“ auf Kündigungsschutz und Abfindungen – was man ihnen wohl kaum übel nehmen kann. Trotzdem würde ihnen der Investor gerne die Schuld geben: In der Konsequenz reiche das Geld nicht, um sowohl deren Forderungen zu beherzigen als auch den Fortbestand der verbleibenden 1.400 Arbeitsplätze zu sichern.

Variante zwei der Geschichte ist dementsprechend die Sichtweise der Arbeitnehmer. Für die stellten sich die Bedingungen des US-Geldgeber zurecht als unzumutbar dar, die notwendigen Sanierungskosten auf die Entlassenen abzuwälzen. Tatsächlich wurde in den Gesprächen mit dem Management in letzter Minute sogar eine Einigung über einen Sozialplan, Abfindungsregelungen sowie eine Transfergesellschaft erzielt. „Kurz vor der Unterschrift hat Sun erklärt, dass sie kein Geld mehr zur Verfügung stellen, so dass die Zahlungsfähigkeit nicht mehr gewährleistet ist“, lasst sich Bernhard Schiederig, Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, zitieren. Nun scheint sich der Investor mehr Erfolg durch das Insolvenzverfahren zu versprechen.

Kein Hire-and-fire

Ein von Arbeitnehmervertretern vorgeschlagenes Sanierungskonzept war bereits Anfang März dieses Jahres am Widerstand des Aufsichtsrats gescheitert. Ansatzpunkt der Arbeitnehmervertreter war, die Logistiksparte in Frankfurt mit rund 870 Beschäftigten nicht zu schließen, sondern für andere Anbieter wie große Textilhersteller und Modeketten zu öffnen und den Versand und Retouren für andere Einzelhändler zu übernehmen. Auch wollten die Vertreter der Gewerkschaft Ver.di den Handel mit Textileigenmarken erhalten.

Am Ende scheiterte die Neckermann-Sanierung nicht zuletzt an unterschiedlichen Mentalitäten. Während in den schnelllebigen USA das sogenannte Hite-and-fire-Prinzip fast schon an der Tagesordnung ist, Arbeitnehmer also auf einem ständig fluktuierenden Arbeitsmarkt häufig den Arbeitgeber wechseln, wird in Deutschland zumeist deutlich stärker auf Kontinuität gesetzt. Die Arbeitnehmer mit der Androhung der Insolvenz einzuschüchtern, auf „Flexibilität“ zu pochen und die gekündigten gegen die weiterhin beschäftigten Mitarbeiter auszuspielen, ist allerdings ein überaus kaltblütiges Vorgehen.

Wie pleite ist Neckermann?

Nun müssen sich die Insolvenzverwalter mit den Streithähnen auseinandersetzen. Viel wichtiger aber ist die Frage nach der Zukunft des Versandhauses – immerhin nach wie vor eines der größten Deutschlands. Dass die zukünftige Strategie im Internet leben wird, dürfte klar sein. Bereits jetzt kommen nach eigenen Angaben rund 80 Prozent der Umsätze aus dem Online-Geschäft. Wie sich Neckermann gegen die jungen und schlagkräftigen Wettbewerber auf Dauer durchsetzen will, ließ das Management bislang allerdings ungeklärt. Auf voller Breite als Universalversender wird Neckermann nicht bestehen können, dazu sind Amazon & Co. zu effizient aufgestellt und haben zu hohe Marktanteile. Zudem buhlt mit Otto ein deutlich finanzkräftigerer und „modernisierter“ Wettbewerber um die Gunst der Kunden, mit dem sich Neckermann schon in der Vergangenheit messen musste – und nun verlor.

Auf Alleinstellungsmerkmale oder Nischen will sich Neckermann allerdings auch nicht fokussieren, sonst würde man die Textileigenmarken nicht einstellen. Ohne eine Erfolg versprechende Positionierung dürfte es auch für den Insolvenzverwalter allerdings schwer werden, das Unternehmen (langfristig) vor der Pleite zu bewahren. Die wäre dann wohl endgültig endgültig.

Übrigens: Der Branchenverband Bitkom (www.bitkom.de) hat erst dieser Tage eine Studie veröffentlicht, der zufolge haben 90 Prozent der Deutschen schon Waren und Dienstleistungen online gekauft. Während knapp 40 Prozent der Umfrageteilnehmer angaben, Eintrittskarten online zu bestellen oder zumindest schon einmal bestellt zu haben, sind es bei Flügen 38,2 Prozent und bei 36,6 Prozent Musik (Download und Streaming). Bücher haben 32,3 Prozent der Befragten schon einmal online gekauft, Kleidung und Accessoires 29.1 Prozent, Elektronik (Fernseher, Handy, Fotoapparate), 28.3 Prozent und Haushaltsgeräte 23.5 Prozent. Bei PC- und Videospielen waren es mit 20.4 Prozent etwas weniger, Computer bestellten 19.2 Prozent der Befragten und Möbel- und Einrichtungsgegenstände 15,7 Prozent online. Vielleicht kann sich das Neckermann-Management von diesen Zahlen ja inspirieren lassen. Immerhin bezeichnet der Branchenverband die Perspektiven für den Online-Handel als ausgezeichnet.