Konstantin Guericke
Konstantin Guericke LinkedIn-Mitgründer und Netzwerk-Profi Konstantin Guericke

Tipp fürs erste Treffen: Sei informiert!

Von der norddeutschen Provinz ins Tech-Mekka der Welt: Konstantin Guericke schnappte sich nach dem Abitur einen Studienplatz in Stanford. Und ist seitdem im Prinzip nicht mehr weggegangen. Er ist ein Profi im Netzwerken, baute Kontakte auf, führte Buch darüber, mit wem er wann zuletzt essen war, ging wandern, unter anderem mit Reid Hoffman – und dachte sich 2003 mit ihm gemeinsam LinkedIn aus. Seit 2012 ist Guericke Venture Partner beim VC Earlybird. Was europäische Gründer im Silicon Valley oft missverstehen und warum eine gelungene Transaktion besser ist als hunderte Treffen ohne Ergebnis, verrät Guericke im Interview.

Hallo Konstantin, auf deinem LinkedIn-Profil listest du verschiedene Dinge auf, die man beachten sollte, wenn man dich treffen will. Eines davon: man sollte drei oder vier Meilen am Stück wandern können. Machst du mit deinen Meetingpartnern einen Konditionstest?

Nein, aber vor einem Jahr habe ich normale Sitzmeetings für mich abgeschafft. Ich gehe mit den Leuten jetzt immer rund um Palo Alto wandern.

Wie Steve Jobs?

Ich war immer schon Sportler, als Jugendlicher hat sich mein Leben vor allem um Tennis gedreht. Das ist ganz interessant: Wenn jemand als Heranwachsender von einer Sache besessen war, hat er oft auch als Gründer den nötigen Biss. Diese Leidenschaften können auch ruhig ausgefallen sein. Wenn einer als Kind mit Leidenschaft auf japanischen Röhrentrommeln musiziert hat, dabei einer der besten in Deutschland war und zwei Sommer hintereinander in Japan verbracht hat, um noch besser zu werden – das wäre für mich ein Indiz, dass er das Zeug zum Entrepreneur hat.

Wie kamst du vom Tennis zum Wandern?

Irgendwann interessierte ich mich mehr für Startups als für Tennis und hatte kaum mehr Zeit für Sport. Mein LinkedIn-Cogründer Reid Hoffman und ich haben uns während der Frühphase oft in der „Peninsula Creamery“ in Palo Alto getroffen, wo es sehr leckeres und ziemlich fettiges Frühstück gibt. Jede Woche haben wir uns bei unseren Meetings nebenbei den Speck in den Mund geschoben, und irgendwann dachten wir, das ist auf Dauer nicht ideal. Darum haben wir unsere Treffen auf Wanderwege verlegt. Während ich bei LinkedIn war, ist es etwas abgeflaut, aber jetzt habe ich es wieder angefangen.

Haben schon viele Wander-Meetingpartner schlapp gemacht?

Nein, so hoch sind die Berge hier ja nicht. Aber oft bringen Deutsche keine Sonnencreme mit, weil sie aus dem nebligen SF kommen und dann ganz erstaunt sind, wenn die Sonne in Palo Alto mit 35 Grad brennt. Und sie sind manchmal auch unvorsichtig und verstauen ihre Wertsachen nicht sicher im Kofferraum, wenn wir vom Parkplatz aus loslaufen – ich hatte schon Wanderkameraden, denen während unseres Hikes Pass und Computer aus dem Auto gestohlen wurden.

Seit vergangenem Jahr bist du Venture Partner bei Earlybird. Was genau ist deine Aufgabe?

Ich mache keine eigenen Deals, sondern berate bei der Auswahl von Unternehmen, die für ein Investment infrage kommen – weil sie auch in den USA das Potenzial zum Marktführer haben. Wenn Earlybird dann tatsächlich investiert, helfe ich den Unternehmen bei Positionierung, Verbreitung und Umsatzmodellen.

Wie konnte Earlybird dich überzeugen, die Seiten zu wechseln, vom Gründer zu den Investoren?

Als sie mich damals anriefen, war ich erstmal nicht sehr beeindruckt, weil ich allgemein nicht viel von deutschen Venture-Capital-Firmen halte. Von deutschen Unternehmern habe ich oft gehört, dass viele VCs sie als erstes fragen: „Woher weißt du, dass deine Idee funktioniert?“ – was eigentlich bedeutet: „Gibt es schon eine US-Firma, die von US-Investoren finanziert ist und ungefähr dasselbe macht?“ Earlybirds Tech-Fonds hat eine eher amerikanische Philosophie: Wir wollen Startups finanzieren, bei denen anderen VCs vielleicht das Risiko zu hoch wäre. Das kann natürlich ein paar Ausfälle geben, aber auch ein paar große Erfolge, die weltweit funktionieren.

Auf deinem LinkedIn-Profil schreibst zu: „Copycats need not apply.“ Wie viele originelle Pitches hörst du?

Richtig originelle Ideen gibt es selten. Auch LinkedIn baute auf anderen Unternehmen anderer Leute auf. Wenn man eine Idee hat, die es in entfernt ähnlicher Form noch nie gegeben hat, liegt sie eventuell auch eher im Träumerischen. Der entscheidende Punkt: Wie kann man anders sein, was haben andere zuvor übersehen? Das ist nicht immer eine wilde kreative Nuklearfusion, manchmal sind es einfach schon ein paar entscheidende Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied für den Konsumenten machen.

Welche Ideen und Gründerpersönlichkeiten haben größte Erfolgsaussichten in den USA?

Die besten Investoren suchen nach Leuten, die einfach Leidenschaft haben, die „passionate“ sind, gewisse Probleme für eine klar definierte Zielgruppe zu lösen. Bei denen man spürt, dass sie etwas bewegen wollen und nicht auf den schnellen Exit schielen. Die sich weniger auf den Exit konzentrieren sondern wünschen, dass ihre Firma noch besteht, wenn sie längst tot sind. Sie sind nicht nur in Technologie vernarrt, sondern wollen vor allem ein Problem lösen und das Leben einer bestimmten Zielgruppe unkomplizierter und besser machen.

Wie sieht das ideale Gründerteam für dich aus?

Ideal sind Tech-Spezialisten, die gut kommunizieren können. Als kleines Startup muss man ja dauernd irgendwen überzeugen, Investoren oder gute Leute, die man einstellen möchte. Wichtig ist auch, dass sie wirklich für die Idee brennen. Wenn sich der CTO nur für das neue Datenbanksystem begeistern kann, dass er jetzt ausprobieren kann, reicht das nicht.

Welche Tipps gibst du einem Unternehmen, das gerade an seiner Positionierung im Markt arbeitet?

Sehr wichtig ist eine klar umrissene Zielgruppe, die am Anfang relativ überschaubar sein sollte. In den USA sagen wir: „You can’t boil an ocean“ – man kann mit einer Herdplatte den Atlantik nicht nennenswert erwärmen. Klar, wenn das Unternehmen wächst, kann man auch die Zielgruppe erweitern, aber zu Beginn braucht man einen klaren Fokus. Wenn ein gutes Team sich einmal für eine Zielgruppe entschieden hat, springt es auch nicht einfach zur nächsten, wenn die erste Idee nicht wirklich zündet. Sie suchen dann nach einer anderen Idee für dasselbe Publikum. Aber wer völlig begeistert ein Produkt für Krankenschwestern entwickelt, schwenkt dann nicht plötzlich auf eine App für Buchhalter um.

Welche Fehler machen deutsche Startups gerne bei ihren ersten Schritten im Silicon Valley?

Viele werden schnell euphorisch, weil sie hier sehr viele Gleichgesinnte finden. Während man als Gründer in Deutschland außerhalb der Techblase doch eher ein Außenseiter ist, hat hier mancher Taxifahrer vermutlich schon mal einen Internet-Business-Plan ausgearbeitet. Alle reden hier über Startups, dauernd. Jeder kennt auch irgendwen, der mal an einem Startup mitgearbeitet hat, das dann plötzlich eine Milliarde wert war.

Das klingt ganz angenehm.

Ja, aber man darf nicht glauben, man könnte diesen Valley-Spirit eintüten und mit nach Hause nehmen. Auch wenn man dort vielleicht einen Coolness- und Selbstvertrauens-Schub bekommt: Ich glaube nicht, dass das vorhält. Ich glaube, dass Startups einfach harte Arbeit sind. Nicht besonders glamourös oder unbedingt erfolgsversprechend, sondern etwas, das man macht, weil man einfach ganz unumstößlich an einer Sache glaubt. Ein anders Missverständnis: Viele europäische Gründer bewerten es falsch, wenn die Leute hier freundlich sind, immer lächeln und man leicht eine Meeting bekommt.

Weil sie es am Ende doch nicht ganz ernst meinen?

Wenn man für zwei Wochen ins Valley kommt, ist das so ähnlich, als führe man in den Urlaub nach Mallorca und lernte dort ein paar nette Leute kennen. Man hat Spaß zusammen, aber dann fährt jeder wieder zurück, und der Kontakt schläft meistens schnell ein. Mit den schnellen Geschäftskontakten hier ist es wie mit dem tollen Spanier, den man nach zwei Urlaubswochen für den Mann des Leben hält – der aber vorher schon sehr viele andere Urlauberinnen kennengelernt hat und nächste Woche die nächste trifft. Nett, aber nichts, was hängenbleibt. Wenn man nicht mindestens ein, zwei Jahre hier ist, bringt das nicht viel.

Was kann man also tun, um einen neuen Kontakt tatsächlich zu festigen?

Zuerst muss sich klar machen, dass im Silicon Valley – wie anderswo auch – wahrscheinlich nur fünf bis zehn Prozent der arbeitenden Bevölkerung aktive Netzwerker sind. Deswegen trifft man auf den entsprechenden Veranstaltungen auch immer die gleichen Leute, die auch eher zu oberflächlichen Beziehungen neigen. Ein typischer Partner bei einer US-VC-Firma trifft sich am Tag wahrscheinlich mit fünf oder sechs Gründern, das macht 1.000 pro Jahr – und nur einer davon wird schließlich finanziert. Und wenn man keinen Partner erwischt, sondern nur einen Associate, ist es nur ein Hundertstel davon. Ein Meeting mit ihnen zu bekommen ist nicht schwer – daraus dann eine Transaktion abzuleiten, das ist die Kunst.

Wie also baut man gute Kontakte auf?

Ich empfehle, Beziehungen über eine Vertrauensbasis aufzubauen, bei der immer ein konkretes gemeinsames Projekt im Mittelpunkt steht: Lass uns dies und jenes zusammen machen, und jeder von uns kann davon profitieren. Eine gelungene Transaktion ist mehr wert als hundert Treffen ohne Ergebnis.

Ein schneller Tipp für ein gelungenes erstes Treffen?

Unglaublich gut informiert sein! Niemals fragen: Wie geht es deiner Firma, was gibt es Neues? Das sollte man vorher wissen, man sollte die Newsabteilung der Firmenwebseite gelesen und die Person vorwärts und rückwärts gegoogelt haben, das LinkedIn-Profil studiert, die Tweets angeschaut. Dann muss man nicht fragen: „Welche Hobbies hast Du?“, sondern kann sagen: „Du scheinst Dich ja sehr für Kitesurfing zu interessieren, kennst du schon diesen Strand, von dem ein Freund neulich so geschwärmt hat?” Zeit ist im Valley die wichtigste Währung und jeder weiß es zu schätzen, wenn man mit diesem Gut sorgfältig umgeht.

Dieser Artikel ist Teil unseres sechswöchigen Themenspecials zum Valley Camp. Wir fliegen im Oktober nach San Francisco, um für euch von dort zu berichten – wer mitfliegen will: alle Infos hier.

Alle Valley-Camp-Teilnehmer, die gerne mit Konstantin Guericke wandern möchten, können sich unter valleycamp@vmpublishing.com bewerben. Meldet euch mit Namen, Position und Company und lasst uns wissen, warum ihr beim Hike unbedingt dabei sein solltet! Die fünf Überzeugendsten sind dann am 8. Oktober bei der Wanderung mit am Start.

Bild: Earlybird