Ein Gastbeitrag von Daniel Weber, Software-Entwickler und Blogger.

In der Debatte um Netzneutralität heißt es immer wieder, dass sogenannte Special Services einen finanziellen Beitrag zum milliardenschweren Netzausbau liefern würden und somit auch das Best-Effort-Internet, in dem kein Datenpaket bevorzugt behandelt wird, davon profitieren würde. Vor allem die Netzbetreiber betonen, eine Aufweichung der Netzneutralität und die Einführung von kostenpflichtigen Spezialdiensten würden sie in die Lage versetzen, den lange überfälligen Ausbau der Netze endlich voranzutreiben.

Aber: Ist das wirklich realistisch?

Special Services aus technischer Sicht

Technisch realisiert werden sollen die Special Services durch verschiedene Qualitätsklassen beim Datentransport. Solange ein Datennetz ausreichende Kapazitäten bereitstellt, können alle Datenpakete auch in der Best-Effort-Qualitätsklasse uneingeschränkt transportiert werden. Erst wenn die zu bewältigende Datenmenge zu groß wird, kommen unterschiedliche Qualitätsklassen ins Spiel: Sie ermöglichen dem Router, vor einer überlasteten Leitung zu entscheiden, wessen Datenpakete weiterhin normal transportiert und wessen Datenpakete verzögert durchgeleitet oder verworfen werden sollen.

Entgegen der gerne benutzen Darstellung werden die Datenpakete durch Special Services also nicht besser oder sicherer durchs Netz geleitet, sondern die normalen Datenpakete der Best-Effort-Qualitätsklasse werden im Zweifelsfall schlechter transportiert.

Special Services wirtschaftlich betrachtet

Für einen Netzbetreiber sind Special Services nur interessant, wenn er damit zusätzliche Umsätze erwirtschaften, sie also an Internetdienste wie zum Beispiel Startups verkaufen kann. Ein Startup wiederum wird einen Special Service nur dann kaufen, wenn es dadurch einen Vorteil hat. Solange ein Datennetz ausreichende Kapazitäten bereitstellt, hat der Internetdienst von der Buchung einer höheren Qualitätsklasse jedoch keinerlei Vorteil: Seine Daten werden auch in der Best-Effort-Qualitätsklasse aufgrund der ausreichenden Kapazitäten problemlos transportiert.

Er wird also aus wirtschaftlichen Gründen auf die Buchung des Special Service verzichten. Erst wenn im Datennetz Engstellen auftreten und die Leistung in der Best-Effort-Qualitätsklasse spürbar beeinträchtigt ist, wird der Internetdienst die Buchung von Special Services in Betracht ziehen, damit seine Nutzer den Dienst wieder normal nutzen können (was nebenbei zur weiteren Verschlechterung der Best- effort-Leistung an der Engstelle führt).

Aus wirtschaftlicher Sicht sind somit die Engstellen, die durch Netzausbau eigentlich beseitigt werden sollten, sogar ein Vorteil für den Netzbetreiber: Erst durch diese Engpässe kann eine Nachfrage nach Special Services entstehen. Auch nach dem Ausbau der Kapazitäten an der Engstelle – damit die gebuchten Special Services ausreichende Kapazitäten haben – könnte der Netzbetreiber Gefallen an der Idee finden, eine für die Best-Effort-Qualitätsklasse spürbare Engstelle beizubehalten (gegebenenfalls durch eine künstliche Drosselung), um eine Rückwanderung der Special-Services- Internetdienste zur normalen Best-Effort-Qualitätsklasse von vornherein auszuschließen.

Nur eine abstrakte Gefahr?

Dass dieses Szenario mehr als nur eine abstrakte Gefahr darstellt, wird mit einem Blick auf die Einführung beziehungsweise die Einführungsversuche diverser Zero-Rating-Angebote deutlich. Zero Rating bedeutet, dass ein oder mehrere bestimmte Dienste nicht auf das Freivolumen des Endnutzers angerechnet werden.

Als sich die Deutsche Telekom 2013 an die Einführung von Special Services mit Zero Rating – worüber zum Beispiel das Entertain-Paket der Telekom realisiert werden sollte – machte, wurde zeitgleich versucht, die Flatrate für Festnetzkunden abzuschaffen und durch Volumentarife mit Drosselung nach Verbrauch des Freivolumens zu ersetzen. Es sollte also eine künstliche Engstelle auf dem Anschluss des Festnetzkunden geschaffen werden, um die Internetdienste zur Buchung von Special Services zu motivieren.

Nachdem die Niederlande 2012 die Netzneutralität gesetzlich festgeschrieben und Special Services mit Zero Rating untersagt hatten, verdoppelte das Telekommunikationsunternehmen KPN das Freivolumen seiner Mobilfunktarife, um den eigenen – bisher von der Volumenabrechnung ausgenommenen – Videodienst weiterhin sinnvoll anbieten zu können. Die Entscheidung gegen Special Services führte also zu der Reduzierung einer künstlichen Engstelle – oder eine tatsächliche Engstelle verschwand zufällig zum gleichen Zeitpunkt.

Fazit

Mit Special Services erhalten die Netzbetreiber zwar eine Möglichkeit, zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften, es darf aber bezweifelt werden, dass diese Einnahmen auch tatsächlich in den Netzausbau zurück fließen würden, da durch einen bedarfsgerechten Netzausbau die Möglichkeit, an den Special Services zu verdienen, wieder zurückgehen würde.

Bild: © Bildagentur PantherMedia  /