Florian Nöll, Bundesverband Deutscher Startups
Florian Nöll, Bundesverband Deutscher Startups Florian Nöll vom Bundesverband Deutscher Startups

Das Wissen liegt unter den Trümmern des Neuen Marktes

Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet mit der Deutschen Börse an Plänen für eine Neuauflage des Neuen Marktes. Mit am Tisch bei den Gesprächen: der Bundesverband Deutscher Startups, der bereits seit längerem Lobbyarbeit für die Idee betreibt. Vorstandsmitglied Florian Nöll über die Idee – und was er sich davon verspricht.

Der Neue Markt 2003 endete im Desaster. Warum wollt Ihr eine Neuauflage?

Das ist eine Riesenlast, richtig. Aber dass es einmal schief gegangen ist, heißt ja nicht, dass man es nie mehr probieren sollte. Wir haben alle daraus gelernt. Es gibt große Unterschiede zwischen 2003, als auch der ein oder andere Halbstaatskonzern mit an der Misere beteiligt war, und heute.

Nämlich?

Früher hat es gereicht, wenn man Dotcom an seinen Firmennamen gehängt hat. Es gab Vorschusslorbeeren, nur weil man im Neuen Markt war. Gerade weil der Neue Markt so schlecht lief am Ende, wird der ganze Vorgang deutlich kritischer gesehen werden.

Wie sollen die Kriterien für ein neues Segment denn aussehen?

Wir wollen gar nicht, dass Regularien, die damals eingeführt wurden, wieder zurückgedreht werden. Wir haben auch nicht das Ziel, Privatanleger zu Geldgebern zu machen, sondern wollen, dass sich das Angebot an institutionelle Anleger richtet.

Starten wollt Ihr schon im nächsten Sommer. Ist das überhaupt realistisch?

Technisch ist das keine Herausforderung, sagt die Börse. Man muss es wollen und gut vorbereiten. Und wir sind doch die Startup-Branche. Da sollte es in einem Dreiviertel Jahr doch möglich sein, so etwas durchzuziehen.

Ihr braucht Startups und Digitalunternehmen, die mitziehen und den Mut haben.

Es gibt in Deutschland zehn bis 20 Unternehmen, die ernsthaft über einen Börsengang nachdenken. Mit denen stehen wir im regen Austausch.

Reicht das wirklich? Zehn bis 20 Unternehmen?

Wir sprechen ja nur mit Firmen aus der Digitalwirtschaft. Ein neues Segment könnte auch für Biotech- oder Hightech-Firmen durchaus interessant sein. Fakt ist: Es wird auf jeden Fall Börsengänge geben.

Gerade dann: Warum ein neues Segment?

Nach jetzigem Stand würden sich viele eher irgendwo international aufs Parkett bewegen, anstatt es hierzulande zu tun. Darum hilft es, wenn in Deutschland mehr Aufmerksamkeit auf dem Thema ist. So bleibt es vielleicht nicht bei Einzelfällen, sondern man kann einen Schub für die gesamte Branche kreieren.

Noch gibt es wenig Erfahrungen mit der langfristigen Perspektive der neuen Startups. Wie erklärt Ihr die Storys an der Börse? Ist damit wirklich ein Schub hinzukriegen?

Genaugenommen brauchen wir diese langfristige Perspektive nicht, weil diese neuen Startups heute schon relevante Umsätze, sogar Gewinne machen. Das wäre zu Neuen Markt Zeiten fast schon hinderlich gewesen.

Woran liegt es, dass in Deutschland bisher keiner die Börse im Blick hat.

Wir glauben, es ist eher ein Wissens-  und Kommunikationsproblem. Weder Startups noch Investoren wissen an wen sie sich wenden sollen. Darum ist die jetzt anstehende Diskussion so wichtig. Am Ende ist Vielleicht auch egal, ob man ein Segment umbenennt oder ein neues schafft. Das muss die Börse entscheiden.

Also die Börse als Marketingtool?

Auch. Aber uns geht es vor allem um zwei zentrale Themen. Ein Börsengang bietet großes Wachstumspotenzial für Unternehmen jenseits der zehn Millionen Euro Umsatz. Bisher werden solche Startups vor allem von ausländischen Investoren unterstützt. Es gibt kaum Geld von deutschen Risikokapitalgebern. Zum andern ist die Möglichkeit eines Exits an der Börse auch ein wichtiges Kriterium für Frühphasen-Investoren. Exits sind derzeit in Deutschland viel zu selten.

Woran liegt das deiner Meinung nach?

Es gibt wenige große, deutsche Internet- und Tech-Unternehmen, die als Käufer in Frage kommen, das ist in den USA anders. In Deutschland gibt es einfach eine andere Risikokultur – und einen schlechten Austausch zwischen Old und New Economy. Der deutsche Mittelstand tritt kaum als Käufer auf.

Aber es wird doch gerade ein Accelerator nach dem anderen gegründet.

Das ist in dieser Hinsicht auch positiv. Aber diese Accelerator-Programme sollten auch langfristig angelegt sein, Startups die Chance geben auch langfristig durch zum Beispiel eine starke Corporate-Venture-Abteilung unterstützt zu werden. Sonst gibt es ganz schnell auch negative Folgen.

Welche meinst du?

Zum Beispiel zu frühe Exits.

Siehst du genug Exit-Potenziale in Deutschland?

Das ist unsere Aufgabe auch bei den Börsenplänen: zu zeigen, dass es genug Startups gibt und geben wird, die börsentauglich sind. Wir glauben daran. Wir wissen aber auch, dass noch viel Aufmerksamkeit und Wissensvermittlung dafür nötig sein wird. Das Wissen, wie ein Börsengang zu stemmen ist, liegt für viele Startups leider noch immer unter den Trümmern des Neuen Marktes.

Bild: Florian Nöll