Für Startups, die ein neues Büro einrichten, gelten heute ganz andere Prinzipien als noch vor wenigen Jahren. Die Art der Arbeit hat sich massiv verändert: Aber warum? Weil die Arbeitswelt eine zunehmend individuellere wird und sich vom typischen „festen“ Arbeitsplatz zu einer pluralisierten Menge an individuellen Arbeits- und Lebenskonzepten wandelt. Der Megatrend Individualisierung hinterlässt seine Spuren…

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Büroarbeit im Wandel

In der Berufswelt von morgen suchen Menschen immer mehr nach Identität auf der „Lebensbühne Arbeit“, die dadurch als nicht mehr getrennt vom Privatleben betrachtet werden kann. Das hat massive Auswirkungen. Gearbeitet wird nicht mehr nur am „Arbeitsplatz“, sondern eben überall. Das Konzept „Raum und Arbeit“ ist damit weit weniger determiniert zuzuordnen als bisher – es muss komplett neu überdacht werden. Neue Raumkonzepte von Startups werden zukünftig Individualität ganz selbstverständlich mit einschließen – vor allem auch deshalb, weil sich die Arbeitswelt der Zukunft nicht mehr am Durchschnitt orientieren kann.

In Deutschland sind heute laut sozioökonomischem Panel unter 40 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in unbefristeten Vollzeitjobs. Die atypische Arbeit – zusammengesetzt aus befristet, geringfügig und in Teilzeit Beschäftigten – hat seit Mitte der 90-er Jahre um mehr als 50 Prozent zugenommen. Gerade die Selbstständigenquote liegt heute mit knapp über zehn Prozent höher als früher.

Starker Motor für diese neue Welt der Selbstunternehmer ist die Kreativwirtschaft: Sie macht inzwischen mehr als die Hälfte aller Selbstständigen aus. Damit verlieren wir allmählich unser Bild von Arbeit und Arbeitsplatz, das noch immer stark industriell geprägt ist. Aus einem fest gefügten Rahmen wird ein fließender Prozess, der als szenarisches Gemälde gar nicht mehr alles komplett beinhalten kann und sich im Laufe eines Lebens auch immer wieder ändert.

Dies ist deshalb so aufregend, weil nebst der soziokulturellen Veränderung am Arbeitsplatz ja auch die Produktivität gewahrt sein muss. Aber was ist heute produktiv? „Während bei der herstellenden Industrie seit den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts die Effizienz um das 14-fache gesteigert wurde, blieb es bei der Büroarbeit dagegen bei einer Verdoppelung.“ (Raymond & Cuncliffe in Tomorrows Office). Viel Bedarf nach neuen Ansätzen also.

Kreative Produktivität verlegt die Raumgrenzen

Um die „kreative“ Produktivität zu steigern, werden Startups in Zukunft die hierarchische Raumordnung überdenken und neue Konzepte einführen müssen. Damit fällt ein altes Paradigma endgültig, das den Arbeitsplatz als „Schreibtisch und Computer“ definiert. In Zukunft übersetzt man dies anders und führt ein neues Paradigma ein: „Raum und Dialog“. Das Konzept zukünftiger Bürogestaltung baut nicht auf Einzelplatzlösung oder denkt gar in Zellenbüros. Zukunftskonzepte sind „Creative Offices“. Hier können Mitarbeiter den gesamten Ort nutzen, um ihren Job zu erledigen. Unternehmen werden poröser und müssen Übergänge erzeugen, wo früher Abteilungen waren.

Und auch neue Formen des Sharings – wie etwa im Betahaus in Berlin vorgelebt – setzen sich gerade bei jungen Unternehmen immer mehr durch. In solchen Raumverbünden können unterschiedlichste Raumkonzepte genutzt werden, obwohl man eigentlich ja nur einen Schreibtisch mietet. Aber man teilt sich mit den anderen das ganze Raumgefüge: Wie in einer Stadt. Wie überhaupt das Büro der Zukunft eher einer Stadt ähnelt mit ihrer kreativen Unterschiedlichkeit als einer Fabrik mit klaren Abläufen und Prozessen.

Raum als kritischer Erfolgsfaktor

Und genau hier setzt auch der Anspruch an Raumkonzeption in Startups an: Wenn Arbeitsplatz sich in „Raum und Dialog“ definiert, wird Raumkonzeption anspruchsvoller. Räume müssen eine eigene Intelligenz entwickeln. Mit ihrer permanenten und impliziten Wirkung auf den Menschen und damit auf die Organisation werden Räume zum kritischen Erfolgsfaktor für Startups.

Wie aber Räume auf Menschen wirken sollen, muss vorher klar definiert sein und wird somit zum Teil der strategischen Produktivitätsplanung. Und für die Zukunft lässt sich sagen: Es muss unterschiedlich definiert werden. Ein Beispiel: Besprechungsraum ist nicht gleich Besprechungsraum. Je nachdem, ob es sich um ein operatives Meeting handelt, eine Brainstorming-Session oder eine Schulung, braucht es ein anderes Klima, eine andere Atmosphäre. In Büros der Zukunft kann man nicht von Normalität ausgehen, sondern von Unterscheidung.

Produktivität 2.0: Wohlfühlen

So abstrakt und komplex die neue Arbeitswelt erscheinen mag, so neu und anders werden auch die Antworten in den Büros von Startups ausfallen. Emotionale Faktoren werden in die Gestaltung des Arbeitsraums der Zukunft integriert: Wie zum Beispiel das Wohlfühlen. Roman Muschiol beschreibt dies in seiner empirischen Studie zu „Begegnungsqualität in Bürogebäuden“ so: „Es bedarf einer Förderung der emotionalen Faktoren, um die Produktivität im Wissenssektor nachhaltig zu fördern. Die Wohlfühlqualität im Büro dient damit keinem Selbstzweck.“

Und mit dem neuen Verständnis für Produktivität im Büro kommen auch neue Raumsymbole ins Spiel: Wer hätte vor 15 Jahren zum Beispiel daran gedacht, dass ein Büro eine Lounge braucht? In modernen Büroplanungen kann man jedoch ohne das Konzept „Lounge“ gar nicht mehr auskommen. Polstermöbel in Büros sind (außer in den Chefetagen) ein neues Phänomen. Die Designer von Pearsonlloyd bringen diese Entwicklung auf den Punkt: „Es bedarf Aufgeklärtheit, Realitätssinn und Progressivität um zu erkennen, dass auch jemand, der auf einem Sofa sitzt, MEHRWERT für das Unternehmen schafft.“ Für das Büro der Zukunft in Startups lässt sich also klar sagen: Wohlfühlen ist ein zentraler Faktor für die Produktivität.

Fazit: Neue Arbeitswelten

In Zukunft erleben wir neue Arbeitswelten: Kreativität und aufwendige interaktionelle Arbeit bestimmen die zukunftsträchtigen Unternehmen. Damit müssen auch Produktivität und Mehrwert neu verstanden werden. Gerade Startups sollten sich bei ihrer Büro- und Standortentscheidung weniger am Status orientieren, sondern vielmehr darüber nachdenken, welche Qualität an Arbeit an diesem Ort geleistet werden kann. Ob die Arbeit dort auch Spaß macht. Und ob letztlich die Stätte der Arbeit auch ein Magnet für Talente sein kann. Denn gerade die Talente sind es, die sich – eben weil die Zeiten volatiler, komplexer und auch schwieriger werden – sehr wohl überlegen, WO sie Arbeiten wollen. Wie schon der Flowforscher Mihaly Csikszentmihalyi richtig pointierte: „Frage nicht was ist Kreativität, sondern wo!“

Bild: leAcronym / pixelio.de