nfc_kreditkarte
nfc_kreditkarte Hat die Kreditkarte einen NFC-Chip, so kann kontaktlos ohne PIN oder Unterschrift gezahlt werden.

Die Kassiererin in einem Kölner Lidl-Supermarkt stutzt. Gerade hat der Kunde die vierstellige Geheimzahl eingegeben, die Kasse druckt die Quittung aus. Jetzt greift sie zum Kartenlesegerät und will dem Kunden Karte und Quittung reichen, so wie sie das normalerweise jeden Tag Dutzende Male tut. Nur dass in dem Gerät keine Karte steckt. „Wie haben Sie das jetzt gemacht?“

Ähnlich geht es den Angestellten bei einem McDonald’s in Berlin. Vor jeder Kasse ein halbes Dutzend Kunden. Wer jetzt mit Karte zahlen will, sorgt für Augenrollen. Normalerweise muss die Kassiererin einen Kuli suchen, zwei lange Quittungen ausdrucken, die Unterschrift darauf mit der Karte abgleichen.

Dieses Mal reicht eine sekundenschnelle Berührung der Karte am Lesegerät, schon blinkt grün „bezahlt“ auf. Die Transaktion von 1,29 Euro für einen Cheeseburger erfordert weder PIN noch Unterschrift. Das aber weiß die Kassiererin nicht. Resolut stoppt sie den davoneilenden Kunden: „Moment! Was war das denn jetzt? Ich möchte bitte mal Ihre Karte sehen.“

Wer in Deutschland einfach mal so im Vorübergehen bezahlt, steht schnell unter Betrugsverdacht. Zwar findet sich auf vielen Kreditkarten mittlerweile das Logo mit den vier symbolischen Funkwellen, doch kaum ein Kunde nutzt den zügigen Service. Bis 25 Euro muss er nicht einmal mehr eine PIN eingeben. Einfach die Karte wenige Zentimeter vor das Kassengerät halten, Freigabe abwarten und gehen. In skandinavischen Ländern, in Spanien und Großbritannien ist diese Art des Bezahlens längst Alltag. Hierzulande nutzen höchstens Technik-Freaks die Funktion. Das liegt an schlafmützigen Banken und übervorsichtigen Verbrauchern. Doch schon bald könnte sich die Blockade lösen.

Deutsche Banken ignorierten das Drahtlos-Bezahlen

Drahtloses Bezahlen per Funk, die sogenannte Near Field Communication (NFC), ist eigentlich auch in Deutschland Standard. Die Richtlinien des Karten-Konzerns Mastercard sehen vor, dass seit 2015 jedes neue Kartenlesegerät für Kredit- und Bankkarten mit Maestro-Logo auch drahtlose Zahlungen akzeptiert. Ab 2018 ist das sogar verbindlich.

Die Terminals an den Kassen vieler großer Supermarkt-, Fast-Food- und Tankstellenketten sind heute schon bereit. Nur weiß das niemand. Und dort, wo die Kunden ihre Karte nach wie vor in den Schlitz stecken müssen, wird sich erst etwas ändern, wenn der Kunde es verlangt. Nach einer Umfrage des Handelsinstituts EHI verweigert sich unter den kleineren Händlern bislang fast die Hälfte der neuen Technik. Die Experten sind deshalb skeptisch, dass bis 2018 tatsächlich alle Kassenterminals im Land auf funkende Karten und Smartphones reagieren.

Die deutschen Banken haben das Drahtlos-Bezahlen jahrelang ignoriert, in Branchenkreisen wurde das Thema als „Mastercard-Propaganda“ abgetan. In der Tat sehen Kreditkarten-Firmen wie Visa und Mastercard in der Drahtlos-Technik eine Chance, mehr Kunden vom Bezahlen per Kreditkarte zu überzeugen. Das versuchten die Banken mit ihren eigenen Karten vor vier Jahren selbst auch.

Sie statteten die Girocard, die viele Nutzer immer noch unter dem Namen EC-Karte kennen, mit der Funk-Funktion aus. Die Markteinführung von GiroGo kostete die Branche viel Geld. Die Sparkassen bauten die Chips in alle ihre 45 Millionen Bankkarten ein. Nur hat die Sache einen Haken: Der Nutzer muss seine Bankkarte erst mit Guthaben aufladen, bevor er sie nutzen kann. GiroGo floppte beim Verbraucher. Im Sparkassenlager heißt es mittlerweile kleinlaut: „Wir fokussieren uns jetzt auf Spezialgebiete.“ Weg von den Ladenkassen, hin zu Fußballstadien, Straßenbahnen und Kantinen.

Noch haben viele Kunden Sicherheitsbedenken

Das Thema haben die Banken aber keineswegs schon wieder aufgegeben – im Gegenteil. Ab 2017 sollen die ersten Terminals im Einzelhandel den eigenen deutschen Standard „Girocard-Kontaktlos“ lesen können.

Der aus Kundensicht wichtigste Unterschied zu GiroGo: Statt von einem zuvor aufgeladenen Guthaben wird der gezahlte Betrag direkt vom Konto abgebucht. Wie bei den Kreditkarten soll auch hier gelten: Bis zu Beträgen von 25 Euro ist nicht einmal eine PIN-Eingabe notwendig. Sparkassen und Volksbanken haben bereits begonnen, die ersten Karten mit dem Schwingen-Logo auszugeben. Bis alle Bürger eine entsprechende Girocard in ihrem Portemonnaie haben, wird es allerdings noch einige Jahre dauern. Zunächst testen die Banken das eigentlich längst etablierte Kontaktlos-Verfahren aufwendig in Pilotprojekten.

Dass bislang nur wenige deutsche Bankkunden das Funk-Verfahren aktiv einfordern, liegt auch an Sicherheitsbedenken. Sie fürchten Hacker-Angriffe auf die Karten. In der Tat lassen sich Kartennummer und Ablaufdatum mit jedem Smartphone auslesen.

Doch erstens müssen die potenziellen Betrüger dafür sehr nah an die Karten kommen. Und zweitens müssen sie erst einmal einen Händler im Internet finden, bei dem es reicht, Kartennummer und Ablaufdatum einzugeben, um an die Ware zu kommen. Normalerweise ist zumindest noch der dreistellige Sicherheitscode auf der Rückseite notwendig. Der ist nicht auf der Karte gespeichert.

In Asien und Großbritannien längst Standard

Kritiker der Technik demonstrieren gern am Beispiel Amazon, dass es doch geht. In der Tat kann man beim Online-Handelsriesen mit den Daten bezahlen – aber nicht, weil die Kontaktlos-Karten unsicher sind, sondern weil der Händler auf die entscheidende Sicherheitsabfrage verzichtet. Er will verhindern, dass der Kunde den Kauf wegen der Extraeingabe abbricht. Kommt es zum Schaden, haftet Amazon selbst.

Datenschützer machen den Banken klare Vorgaben. „Dieses zunächst verbraucherfreundlich wirkende Verfahren stellt besondere Anforderungen an die Datensicherheit“, heißt es im Datenschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen von 2015. Um zu verhindern, dass die Kontonummer überhaupt ausgelesen werden kann, müssen die Banken auf Wunsch eine Schutzhülle für die Karte zur Verfügung stellen. Zudem muss es möglich sein, die Funk-Funktion der Karte abzuschalten. Nach Angaben der Finanzwirtschaft werden beide Punkte inzwischen erfüllt.

Die Scheu vieler Kunden wird deshalb wohl trotzdem nicht so schnell verschwinden. Denn Vertrauen in die Technik hat viel mit Erfahrung zu tun. In anderen Ländern, beispielsweise in Asien und in Großbritannien, nutzen viele Menschen die Funk-Bezahltechnik seit vielen Jahren bereits täglich. Ohne die entsprechende Kontaktlos-Karte im Portemonnaie kämen sie nicht einmal in die U-Bahn. Hier ist sie längst ein Alltagsgegenstand.

Einen Schub könnte es in Deutschland durch das Smartphone geben. Apple mit dem Bezahlsystemen ApplePay und Google mit Android Pay setzen auf dieselbe Technik. Statt in der Karte ist der Funkchip im Smartphone eingebaut. Bislang fehlen Bankpartner, mit denen die Tech-Größen zusammenarbeiten. Die Deutsche Bank will bald mit Mastercard eine eigene Mobillösung an den Markt bringen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

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