nicolas dittberner elance odesk fusion
nicolas dittberner elance odesk fusion Nicolas Dittberner, Deutschland-Chef von Elance

„Der beste Freiberufler sitzt nicht unbedingt nebenan“

Bis Mitte Dezember 2013 gab es im globalen Markt für Online-Arbeit zwei große Player: oDesk, fünf Millionen angemeldete Freiberufler; und Elance, mit drei Millionen Mitgliedern. Seit dem 18. Dezember dominiert nur noch ein Gigant den Markt: Die beiden US-Unternehmen kündigten überraschend ihre Fusion an.

Zusammen bringen es Elance und oDesk auf zwei Millionen auftraggebende Unternehmen in 180 Ländern und ein jährliches Transaktionsvolumen von 750 Millionen US-Dollar. Das ist beeindruckend, macht aber dennoch nur einen Bruchteil des gesamten globalen Marktes für Freelance-Arbeit aus – denn der wird auf über 400 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Einer, der genauso wie die Öffentlichkeit von der Fusion überrascht wurde, ist Nicolas Dittberner – der Deutschland-Chef von Elance. Dittberner, der 2011 den Facebook-Shop Ondango mitgründete, ist erst seit Mitte 2013 für die Markteinführung von Elance in Deutschland, Österreich und der Schweiz zuständig. Dazu gehörte auch eine scharfe Abgrenzungsstrategie gegenüber Hauptkonkurrent oDesk – bis zum 18. Dezember jedenfalls.

Im Interview spricht Dittberner über die Auswirkungen der Fusion, über kritische Reaktionen von Elance-Mitgliedern und über die große Frage: Ist Online-Arbeit die Zukunft der Arbeit?

Für welche Unternehmen eignet sich Online-Arbeit – vor allem für Startups?

Tatsächlich sind es vor allem Startups, Einzelunternehmen und digitale Agenturen gewesen, die dieses Beschäftigungsmodell zuerst aufgegriffen haben. Das liegt sicherlich am schwankenden Bedarf nach unterschiedlichen Fachkräften, den es dort gibt – anders als bei klassischen Mittelständlern, wo das Geschäft längerfristig planbar ist. Bis heute machen Startups, Einzelunternehmen und Agenturen 90 Prozent unseres Kundenstamms aus. In den USA wird dieses sogenannte hybride Beschäftigungsmodell auch von mittelgroßen bis großen Unternehmen eingesetzt.

Und in Deutschland?

Das ist auch repräsentativ für den deutschen Markt. Das Modell, Fachkräfte auch „remote“ einzusetzen, ist im Prinzip überall dort sinnvoll, wo traditionell mit Freiberuflern wie Programmierern, Designern oder Übersetzern gearbeitet wird.

Wie unterscheidet sich der deutsche Markt sonst?

Wir sehen, dass Online-Recruiting vor allem noch lokal stattfindet, also dass deutsche Unternehmen, die ihr Personal online suchen, Freelancer eher aus der näheren Umgebung rekrutieren. Ich denke aber, das wird sich mittelfristig ändern. Startups wie Wooga rekrutieren ihre Entwickler längst auf der ganzen Welt. Der beste Freiberufler für mein Projekt sitzt eben auch nicht unbedingt nebenan. Ansonsten ist Deutschland noch in einem frühen Stadium der Marktentwicklung. Hier werden Online-Freelancer noch nicht so selbstverständlich eingesetzt wie zum Beispiel in Großbritannien. Dort hat das Thema viel früher Fahrt aufgenommen. Die vergleichsweise stabile Wirtschaftslage in Deutschland hat dazu beigetragen, dass unser Modell hier verzögert aufgegriffen wurde. Es gibt ja einen Zusammenhang mit der Anzahl der Startup-Neugründungen, die sich in Deutschland antizyklisch zur Wirtschaftslage verhält.

Wie hat sich das Geschäft für Elance in Deutschland entwickelt?

Wir sind 2013 im Jahresvergleich um 65 Prozent auf der Auftraggeberseite und 71 Prozent auf der Seite der Freiberufler gewachsen. Im internationalen Vergleich spielt der deutschsprachige Markt für Elance aber noch eine untergeordnete Rolle.

Seit Juni 2013 kümmerst du dich um den Aufbau des Deutschland-Geschäfts. Wie wurde der Markt vorher betreut?

Durch eine Presseagentur und unser internationales Team in Oslo. Was die Internationalisierung angeht, arbeiten wir sehr agil oder „lean“. Neben Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden 2013 weitere Regionen mit Länderbeauftragten besetzt, etwa UK, die Nordics und auch Australien.

Wie viel Startup-Spirit ist bei Elance noch da? Das Unternehmen gibt es schon seit 2006.

Meine Arbeit hier in Berlin unterscheidet sich in der Hinsicht natürlich grundlegend von dem, was in der Zentrale in Mountain View passiert. In einem relativ frühen Marktstadium muss man eben noch viel Pionierarbeit leisten, die Aufgaben sind recht generalistisch. Da fühlt man sich schon manchmal zurückversetzt in die eigenen Startup-Zeiten. Was hilft, ist dass wir im Team auf unser eigenes Freelancer-Netzwerk zurückgreifen können. Wir beauftragen weltweit rund 180 Freelancer.

Ist das, was Elance anbietet, die Zukunft der Arbeit?

Das ist es, was wir propagieren, ja. Was wir damit meinen: Dass Unternehmen in Zukunft noch stärker auf hybride Beschäftigungsmodelle zurückgreifen werden, in denen Festangestellte und Freiberufler zusammenarbeiten. Es geht dabei um Wettbewerbsfähigkeit und den Zugang zu spezialisierten Fachkräften. Unternehmen werden sich in Zukunft ein Netzwerk aus externen Spezialisten, Anbietern und Partnern aufbauen, die gemeinsam mit dem Kernteam die Unternehmensleistung erzeugen. Daneben beobachten wir, dass viele gute Fachleute heute einen freiberuflichen Werdegang mit wechselnden Auftraggebern gegenüber einer Festanstellung bevorzugen. Unsere Aufgabe ist es, den Zugang und die Zusammenarbeit mit diesen Leuten möglichst gut zu organisieren und Standards dafür bereitzustellen. Aber wir haben heute auch nicht alle Antworten darauf, wie sich dieser Trend weiterentwickelt.

Wer profitiert mehr von dem Trend – die Freiberufler oder die Auftraggeber?

Beide Seiten. Den Auftraggebern geht es um den Zugang zu Fachkräften, um Transparenz und die Vergleichbarkeit bei der Auswahl der Freiberufler. Das Thema Matchmaking, also den besten Freiberufler für das ausgeschriebene Projekt vorzuschlagen, wird produktseitig weiter eine unserer Hauptaufgaben bleiben. Die Freiberufler erhalten über uns Zugriff auf Aufträge und Projekte und können ihr Portfolio diversifizieren und internationaler aufstellen.

Die maximale Vergleichbarkeit kann aber auch zu einem „Race to the bottom“ bei den Löhnen führen.

Ja, dieses Problem entsteht bei der Globalisierung der Arbeit. Interessanterweise gilt das aber nicht unbedingt für Fachkräfte. Man muss auch klar sagen, dass der Preis nur ein Kriterium unter vielen ist – beispielsweise neben der Zeitzone, dem Kultur- und Sprachraum und letztlich der zu erwartenden Qualität. Deutsche Freiberufler sind zum Beispiel sehr beliebt bei Auftraggebern aus den USA, da sie bekannt sind für Zuverlässigkeit, Gründlichkeit und eine hohe Qualität.

Was ist der Durchschnittslohn bei Elance? Bei eurem Ex-Konkurrenten oDesk lag der 2012 bei gerade mal zehn Euro.

In den USA lag der durchschnittliche Stundenlohn 2013 bei 33 Dollar pro Stunde, auf globaler Ebene bei immerhin 24 Dollar pro Stunde. In Deutschland haben wir im IT-Bereich einen Anstieg um 15,7 Prozent auf nun 24,30 Euro gehabt, bei Designern eine Steigerung um 13,5 Prozent auf 25,80 Euro. Der Durchschnittslohn ist allerdings nicht unbedingt repräsentativ. Viele Projekte werden nicht pro Stunde, sondern über ein Gesamtbudget abgerechnet. Und als deutscher Freiberufler konkurriert man eher über Projekterfahrung, Ausbildung und Bewertungskriterien wie Zuverlässigkeit.

Als die Fusion von Elance und oDesk im Dezember bekannt gegeben wurde, waren die ersten Reaktionen eher kritisch. Viele Elance-Nutzer finden offenbar, bei oDesk würde mindere Qualität für niedrigere Preise geboten.

Es gibt unterschiedliche Wahrnehmungen der beiden Plattformen, die Fusion der beiden größten Anbieter bedeutet ja doch eine grundlegende Veränderung für den Markt. Wir haben aber überwiegend neutrale bis positive Reaktionen erhalten. Wir nehmen jedes Feedback sehr ernst, unser CEO Fabio Rosati beteiligt sich selbst aktiv im Austausch mit der Community. Sobald die Fusion abgeschlossen ist, wird die Unternehmensführung eine Strategie entwickeln, wie sich die verschiedenen Marktsegmente am besten bedienen lassen.

Deine erste Reaktion auf die Fusionsankündigung gab es von dir auf Twitter: „This reached me in the middle of our holiday party, what a surprise!“ Hattest du wirklich keine Vorahnung?

Nein. Bis zum Schluss war nur unsere Unternehmensleitung involviert, es galt strenge Geheimhaltung. An dem betreffenden Abend hatte ich meine lokale Weihnachtsfeier mit Partnern und Kunden aus Berlin. Die SMS meines Chefs hat mich erst sehr spät erreicht, weil ich im Kreuzberger Kellerlokal keinen Empfang hatte. Da war ich schon erst einmal baff. Dann schießen einem natürlich alle möglichen Vorstellungen durch den Kopf, vor allem: Was ändert sich für meine Tätigkeit, wenn auf einmal der größte Mitbewerber wegfällt? Für das internationale Team wird sich erstmal nicht viel ändern, da es diese Struktur im noch zu gründenden neuen Unternehmen nicht doppelt gibt.

Was heißt die Fusion für dich? Was bringt sie für die Unternehmen?

Was sie für mich bedeutet, kann ich erstmal nur erahnen. Denn solange der Merger nicht vollständig abgeschlossen ist, sind uns aus rechtlichen Gründen die Hände gebunden. Natürlich ist es gewissermaßen eine Erleichterung für die eigene Arbeit, wenn auf einmal der größte Mitbewerber wegfällt. Letztlich ermöglicht uns die Fusion aber, die Investitionen in Technologie und Forschung zu bündeln. Beim Matchmaking, bei Tools zur Zusammenarbeit und dem zunehmenden Zugriff mobiler User auf die Plattform haben wir noch viel Entwicklungspotenzial.

Bild: Elance