Kiran Hacker (l.), Michael Hoffmann und Michael Zöller haben Nightbank gegründet

Pleite zu sein, ist jetzt keine Ausrede mehr, nicht zu spenden: Das Onlineportal Nightbank macht jeden Nutzer zum Spender – indem er sein Sofa bereitstellt oder indem er für eine Sofa-Übernachtung Geld bezahlt, das dann nicht an den Gastgeber geht, sondern an ein gemeinnütziges Projekt.

Schlafen und schlafen lassen für den guten Zweck. Korrekt ausgedrückt ist Nightbank ein Gastfreundschaftsnetzwerk mit einem Crowdfunding-System für Entwicklungsinitiativen. Jeder Mensch auf der Welt kann sich registrieren, sein Sofa oder Bett anbieten, sich die Initiative auf Nightbank aussuchen, die er unterstützen möchte, und einen Preis festlegen. So wird er bei Nightbank zum Spacer. Der Sleeper, also der Übernachtungsgast, sucht sich eine passende Unterkunft aus und schreibt den Spacer an. Werden die beiden sich über den Termin einig, steht der Spendendeal.

Idee kam nach Erdbeben in Nepal

Der Sleeper bezahlt für die Übernachtung über das Portal per Kreditkarte, und das Geld geht direkt an Nightbank. Wichtig für die Gründer: „Wir unterstützen sogenannte Graswurzelinitiativen, die direkt da ansetzen, wo Hilfe gebraucht wird“, sagt Gründer Michael Hoffmann. Nightbank arbeite mit den Projekten. „Dazu legen wir vertraglich vorab fest, wie viel Geld wofür gebraucht wird und dass sie uns eine genaue Dokumentation schuldig sind“, erklärt Hoffmann. 

Die Idee zu dem Projekt hatte er 2015. Er war für seine Doktorarbeit an der London School of Economics zuvor zwei Jahre auf Feldforschung in Nepal. Zum Zeitpunkt des schweren Erdbebens am 25. April 2015 lebte er zwar wieder in Deutschland, doch viele Bekannte fragten ihn, wie sie in Nepal helfen könnten.

Schnell fand Hoffmann einen Draht zu einem Studenten, der gemeinsam mit Freunden ein Dorf mit Notunterkünften wieder aufbauen wollte. Innerhalb von zwei Wochen sammelte Hoffmann 3000 Euro, und so konnte die Initiative vor Ort Zelte kaufen und den Opfern ein provisorisches Dach über dem Kopf bieten. „Auf Facebook dokumentierten sie den ganzen Prozess, und jeder konnte sehen, wo sein gespendetes Geld gelandet ist und geholfen hat.“

Jeder hat einen Schlafplatz, den er nicht täglich nutzt

Der direkte Draht zu dem Projekt, die Transparenz und die Hilfe zur Selbsthilfe ohne Mittelsmänner – darin sah Hoffmann einen wichtigen Unterschied zu anderen Hilfsorganisationen oder großen NGOs. Aus seinem Umfeld in Berlin hörte er jedoch oft von Menschen, dass sie helfen wollen, aber kein Geld dafür haben. Und so kam er schließlich auf die Idee, dass fast jeder – ob arm oder reich – ein Sofa oder einen Schlafplatz hat, den er selbst nicht jede Nacht benutzt.

Zusammen mit einer befreundeten Webcontent-Expertin und dem Mitgründer und Webdesigner Kiran Hacker entwickelte er die konkrete Idee für Nightbank. Durch Zufall trafen sie den Leipziger Gamedesigner Michael Zöller, der schon nach wenigen Sätzen über Nightbank von dem Projekt überzeugt war und einstieg.

Ein Wassertank nahe Nairobi ist das erste Projekt

Im April 2017 gewann die als gemeinnützig eingetragene Organisation ein achtmonatiges Stipendium des Social Impact Lab Leipzig, welches Rechts- und Wirtschaftsberatung sowie eine Bürofläche in Leipzig bereitstellte. „Bis heute stecken wir genauso viel Zeit in Nightbank wie in unsere Berufe, mit denen wir unser Geld verdienen“, sagt Michael Zöller. „Wir haben kein Marketingbudget. Wir müssen die Leute von unserer Idee überzeugen.“

Nightbank steht noch am Anfang. Ein Tech-Startup, das für den guten Zweck gegründet wurde. „Wir arbeiten stetig an Nightbank und sind vor allem auf das Feedback der User angewiesen.“ 

Seit Januar unterstützt Nightbank das erstes Projekt, einen Stahlwassertankbau in einem Massai-Dorf nahe Nairobi, der kenianischen Hauptstadt. 800 von 11.300 benötigten Euro hat Nightbank für das Projekt schon erschlafen. „Es fängt ja jetzt erst so langsam an, dass jemand ein Space einstellt, das wir nicht kennen. Das ist dann ein tolles Gefühl“, sagt Hoffmann. „Unser nächstes Ziel ist, diesen Wassertank zu finanzieren.“

Auch Initiativen in Europa werden unterstützt

Online kann jeder die elfseitige Dokumentation zu der Initiative einsehen. „Da steht, was genau wir da vorhaben. Was wie viel kosten wird. Aber zum Beispiel auch die Angebote, die von verschiedenen Anbietern für den Stahltank eingeholt wurden. Jeder kann nachvollziehen, was, warum und an wen gezahlt wird.“

Mittlerweile können auch drei weitere Projekte mitfinanziert werden: eine Unterkunft für Flüchtlinge in Athen, eine Sozialapotheke in Athen und die Anti-Atomorganisation ICAN in Deutschland. Ein weiterer außergewöhnlicher Aspekt ist, dass nicht nur Projekte in Entwicklungsländern, sondern auch Projekte in der EU oder in Deutschland werden unterstützt.

„Der Traum ist, dass sich die Entwicklungshilfe irgendwann sozusagen umdreht. Dass Leute, die zum Beispiel im Sudan ein Haus haben und bereitstellen, ein Projekt in Deutschland unterstützen können.“ Jeder Spacer sucht sich aus, welches Projekt mit der Übernachtung bei ihm finanziert wird. „Noch treten wir selbst an Graswurzelinitiativen heran, um sie mit aufzunehmen – meistens über unsere persönlichen Kontakte. Aber jeder darf uns Vorschläge für Projekte schicken, die zu uns passen und die wir unterstützen sollen“, erklärt Zöller.

Termin bei Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries

„Vielleicht buchen Menschen irgendwann ihre Städtereise danach, wo eine Unterkunft auf Nightbank verfügbar ist. Oder auf der ganzen Welt verabredet man sich zum gemeinsamen Übernachten für ein gutes Projekt“, träumen die Gründer. Doch um das zu schaffen, haben die Männer noch viel Arbeit vor sich: „Andere Leute spielen in einer Band, wir machen Nightbank. Das ist unsere Passion.“

Diese Passion wird demnächst ausgezeichnet: Am 1. Dezember gab das Bundeswirtschaftsministerium die Preisträger des Kultur- und Kreativpiloten-Preis bekannt. Auch Michael Hoffmann und Michael Zöller gehören dazu. Sie erklärten Ministerin Brigitte Zypries (SPD) ihre Idee, bevor sie bei der Preisverleihung im Februar offiziell ausgezeichnet werden.

Die Gründer sind auf Aufmerksamkeit und Förderung angewiesen. „Wir wollen und werden damit kein Geld verdienen. Wir sind eine gemeinnützige Organisation. Aber irgendwann werden wir vielleicht ein Büro mieten müssen und Leute einstellen“, sagt Zöller. Bis es soweit ist, hoffen die Gründer erst einmal auf viele neue Spacer und Sleeper: „Jetzt gerade registrieren sich die ersten Leute, die wir nicht persönlich kennen. Das ist ein tolles Gefühl.“

Dieser Text erschien zuerst in der Welt.

Bild: The Nightbank