Bedeutet NowThis das Ende der Webseite?

Die drei großen Trends im Publishing sind Video, Social und Mobile. Und genau in diesem Dreieck bewegt sich das Video-Nachrichten-Unternehmen NowThis. Das US-Startup produziert mit einem kleinen Team kurze News-Clips und verbreitet diese ausschließlich auf Plattformen wie Facebook, Twitter, Snapchat und Co. Eine echte Homepage gibt es nicht. Damit könnte NowThis der Vorreiter einer neuen Publisher-Generation sein und das Ende der News-Webseiten einleiten.

NowThis wurde 2012 von Eric Hippeau (Ex-CEO der Huffington Post) und Kenneth Lerer (Mitgründer der Huffington Post und Aufsichtsratsvorsitzender bei Buzzfeed) gegründet. „Die Idee kam, als Ken und ich uns Gedanken über Mobile News machten“, erzählt Hippeau gegenüber Digiday. „Es war klar, dass es keine Video-Nachrichten im richtigen Format für mobile Geräte gab“. NowThis richtet sich an eine Zielgruppe, die immer online ist, ständig in sozialen Netzwerken unterwegs – Menschen zwischen 18 und 34. Die produzierten Videos sind zwischen 30 Sekunden und zwei Minuten lang und bestehen aus zusammengeschnittenem, lizensiertem Bildmaterial und erklärenden Texten im Bild. Seit dem Start wuchs das Unternehmen in sozialen Netzwerken stark, dank Publishing-Partnerschaften mit Buzzfeed und dem Guardian.

Die Webseite einfach abschaffen

Im Februar 2015 entschied sich das Startup, die bis dahin mit Content gefüllte Webseite abzuschalten und Inhalte nur noch in sozialen Netzwerken und der eigenen App einzustellen. NowThis’ Vizepräsident für Strategie und Partnerschaften, Athan Stephanopoulos, glaubt, dass noch andere Publisher diesem Beispiel folgen werden, „außer wir leben in einer Welt, in der die Menschen nicht wach sind.“

Tatsächlich experimentieren andere Player in der Branche mit „Distributed Content“. Buzzfeed kommuniziert schon lange Traffic als eine Kombination aus allen Kanälen. So mache die Webseite nur 23 Prozent aus, native Videos auf Facebook dagegen 27 Prozent. Das gerade von Axel Springer gekaufte Business Insider versucht mit dem sogenannten Insider gerade etwas Ähnliches wie NowThis. Auch hier erscheinen Artikel und Videos direkt bei Facebook im Stile von NowThis – eine Webseite gibt es nicht.

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Posted by NowThis on Tuesday, October 6, 2015

Auf die einzelnen Plattformen zugeschnitten

Ashish Patel
NowThis VP of Social, Ashish Patel

„Ich denke, viele Publisher sehen Social als Startpunkt, um ihre Leser in den eigenen ‚Walled Garden’ zu führen und da zu monetarisieren – sie sehen aber, dass das immer schwieriger wird. Wir sehen Social als den Start- und Endpunkt“, sagt NowThis-Vizepräsident Ashish Patel. Die Zielgruppe gehe eben nicht gezielt auf Websites, sondern finde Content in den Kanälen, in denen sie sich aufhält. Dem Video-Dienst sei es egal, wo die Videos gesehen werden. Wichtig sei, das Publikum weiter auszubauen, Anreize zum Sharing zu schaffen, und so weiter. Genau deshalb schneidet NowThis die Videos auf die verschiedenen Platformen zu. Insgesamt produziert das Startup Videos, die bei Facebook, Twitter, Snapchat, Instagram, Tumblr, Vine, Kik (eine kanadische Chat-App) und in den eigenen Apps landen.

NowThis ist der Ansicht, dass jede Plattform eigene Gesetze hat: „Wir produzieren nicht ein Video und schneiden das dann auf 15 Sekunden, damit es auf Instagram laufen kann und dann auf sechs Sekunden für Vine. Wir erzählen die Geschichte auf eine andere Weise und so, dass sie visuell passend zur Plattform ist“, sagt Athan Stephanopoulos. So entstehen pro Tag zwischen 50 und 60 Videos. Facebook (knapp 1,6 Millionen Fans) ist der wichtigste Kanal für NowThis. Dort lag das Startup im August 2015 auf Platz 4 der Video-Produzenten mit 274 Millionen Views – und ist damit der erfolgreichste News-Dienst im Videobereich der Plattform (Die Plätze 1 bis 3 belegen Buzzfeed-Kanäle). Die meist 30 bis 45 Sekunden langen Clips sind so produziert, dass sie mit Facebooks Autoplay-Mechanik – also ohne Ton – funktionieren. Was auf den Bildern passiert, wird über Untertitel im Video erzählt.

Die erfolgreichsten Video-Publisher bei Facebook im August. (Quelle: Reelso)
Die erfolgreichsten Video-Publisher bei Facebook im August. (Quelle: Reelso)

Unglaubliche View-Zahlen

Der Twitter-Kanal hat derzeit über 370.000 Follower und erreiche laut Stephanopoulos die älteste Zielgruppe. Deshalb eigne sich der Kanal für Breaking News und Events. Oft sind die Videos bei Twitter etwas länger als auf anderen Plattformen. Auf jeden Fall länger als bei Vine, wo NowThis 363.000 Follower hat und Videos über 187 Millionen Mal im 6-Sekunden-Loop liefen. Hier wird der Erklärtext unter das sehr kurze Video geschrieben, das meist in schnellen Schnitten ein Ereignis abbildet.

Bei Instagram (167.000 Abonnenten) gibt es Themen, die besser nicht auftauchen sollten. So lässt NowThis harte News hier meist weg. Snapchat lässt sich nur schwer analysieren. Eine offizielle Follower-Zahl gibt es nicht, aber laut Stephanopoulos sehe NowThis hier neben Facebook das größte Wachstum. Doch Hochkant-Videos sind nochmal ein ganz eigenes Format.

Andere Inhalte für jede Plattform (Quelle: NowThis)
Andere Inhalte für jede Plattform (Quelle: NowThis)

Insgesamt kommt NowThis laut Newswhip auf 435 Millionen Views im Monat und insgesamt 3,5 Millionen Follower – und das mit nur 20 Mitarbeitern in der Videoproduktion. Ebenso wichtig ist neben dem Content-Team das Social-Insights-Team unter Führung von Ashish Patel. Das Team analysiert die Performance der eigenen Videos, aber auch potenziell virale Geschichten. So schafft es NowThis auch Video-Content auszugraben, der noch nicht durch die Netzwerke gegangen ist. Aber wie misst das Insights-Team die Erfolge?

Laut Patel habe man versucht, einen „Cross-Plattform-Score“ zu entwickeln, bevor das Team gemerkt habe, wie unterschiedlich nicht nur die Anforderungen der Plattformen an die Videos, sondern auch an die Erfolgsmessung sind. Jetzt bewerte NowThis jede Plattform einzeln und tracke bisweilen auch manuell, wie einzelne Inhalte funktionieren – zumindest auf Plattformen, wo nicht so viele Daten zur Verfügung stehen. Damit verlässt sich das junge Unternehmen meist auf die Analytics-Tools der Plattformen. Sie können keine eigenen Pixel setzen und eigenständige Messungen durchführen.

Die Monetarisierung als großes Problem

Wie kann NowThis ohne eigene Webseite Geld verdienen? Die Plattformen, auf denen das Videounternehmen seine Inhalte postet, bieten bis auf Youtube keine Vermarktung an. Und Youtube scheint keine entscheidende Rolle in den Planungen von NowThis zu spielen. Facebook hat zwar damit begonnen, Werbeeinnahmen mit Videomachern zu teilen, das Ganze ist aber noch ein Testlauf und auf wenige Partner beschränkt.

Es bleibt Branded Content: NowThis betreibt ein eigenes Studio, um Inhalte für Werbepartner zu produzieren. Dazu gehört etwa ein Deal mit dem Lebensmittelriesen Mondelez. Dabei werden kurze Werbevideos von Mitarbeitern beider Unternehmen co-produziert. Mit der eigenen Expertise in die Online-Marketing-Welt einzubrechen, das bringt auch Vice Media großen Erfolg. Um seine Inhalte besser zu vermarkten, hat NowThis übrigens auf das frühere Anhängsel News verzichtet. So kann das Startup leichter zu vermarktende Lifestyle-Themen machen. Zu Beginn sprach Gründer Hippeau noch von Native Advertising, allerdings ist bei einem ersten Blick auf die NowThis-Videos davon nichts zu sehen. Dabei gebe es laut Ashish Patel bereits zwei getrennte Teams für werbliche und journalistische Inhalte.

Axel Springer hat nicht nur Business Insider gekauft, sondern auch in NowThis Geld gesteckt (wie auch NBC und SoftBank; das Funding von NowThis liegt bei über 15 Millionen US-Dollar). Wer auf der Facebook-Seite der Bild-Zeitung oder der Welt native Videos sieht, schaut sich Produktionen von NowThis an. Die entstehen in Zusammenarbeit mit dem US-Startup für den deutschen Markt. Noch ist die Zahl der Videos gering (Bild bringt etwa eins pro Tag), aber bei etwa 300.000 Views pro Video scheint das Format auch in Deutschland anzukommen. Interessant ist übrigens die Investition von NBC: Damit dürfte NowThis Zugang zum umfangreichen Video-Material des US-Medienkonzerns haben.

 Dieser Artikel erschien zuerst bei OMR.com.

Titelbild: NowThis;  Hinweis: Axel Springer ist Gesellschafter der Business Insider Deutschland GmbH, dem Medienhaus von Gründerszene. Weitere Informationen zu Business Insider findet ihr hier: www.businessinsider.de/informationen/impressum