Ein Beitrag von Torben Lux, Volontär bei OnlineMarketingRockstars.de.

Julian Mohr (25), Jan Jatz­kow­ski (27) und Tobias Herz­berg (25) kom­men aus der klei­nen Gemeinde Borstel-Hohenraden im Kreis Pin­ne­berg bei Ham­burg. Gemein­sam wol­len sie jetzt vom Kin­der­zim­mer eines Freun­des aus eine glo­bal agierende Platt­form für Influ­en­cer Mar­ke­ting bauen. Der ganz nor­male, digi­tale Grö­ßen­wahn­sinn also – könnte man zumin­dest mei­nen. Dass Nqyer, wie das Star­tup heißt, aber durch­aus ein gewis­ses Poten­zial besitzt, beweist ein Blick auf das Port­fo­lio: Hier fin­den sich schon jetzt Social-Media-Stars mit Millionen-Reichweiten, Gesprä­che mit Bran­chen­pro­mis wie Sami Sli­mani und Michelle Phan lau­fen. Wir haben mit Mohr über Nqy­ers ambi­tio­nierte Pläne und den aktu­el­len Stand gespro­chen.

Erst seit ein paar Jah­ren geis­tert der Begriff Influ­en­cer Mar­ke­ting durch die Bran­che und hat sich dafür ziem­lich schnell zu einem der Buz­zwords über­haupt gemau­sert. Google Trends bei­spiels­weise zeigt seit dem ers­ten welt­wei­ten Ausschlag im Okto­ber 2010 ein ste­tig anstei­gen­des Inter­esse. Und Adweek.com nennt sogar zehn Gründe, warum Influ­en­cer Mar­ke­ting „the next big thing“ ist. Klei­ner Fun Fact dazu: In Deutsch­land sind wir wie gewohnt etwas lang­sa­mer und wol­len laut Google Trends erst seit Juni 2015 mehr zu dem Thema wis­sen. Doch Ausnahmen gibt es wie immer natür­lich auch hier.

Einige Player sind schon am Influ­en­cer-Marketing-Markt – jetzt will Nqyer mitmischen

Einer, der näm­lich allem Anschein nach das enorme Poten­zial von hohen Reich­wei­ten in sozia­len Netz­wer­ken und die daran ange­schlos­sene Ver­mark­tung ver­stan­den hat, ist der ehe­ma­lige Bank­kauf­mann Julian Mohr. Er und seine zwei Mitgründer wol­len mit Nqyer jetzt von die­sem Hype pro­fi­tie­ren und in den Markt ein­stei­gen. Die Platt­form will eine zen­trale Anlauf­stelle im Influ­en­cer Mar­ke­ting sein, die den geschäft­li­chen All­tag sowohl auf Influencer-, als auch auf Advertiser-Seite ver­ein­fa­chen soll. „Wir wol­len die Kon­takt­auf­nahme mit Influ­en­cern so unkom­pli­ziert wie mög­lich machen. Natür­lich gibt es schon viele Agen­tu­ren, die große Social-Media-Reichweiten unter einem Dach bün­deln. Eine zentrale Datenbank als Anlauf­stelle, wo neben den gan­zen Agen­tu­ren auch ein­zelne Player ver­tre­ten sind, gibt es aber bis­her nicht. Das wol­len wir mit Nqyer ändern“, sagt er gegen­über Online Mar­ke­ting Rockstars.

Auf Nqyer.com kön­nen sich Betrei­ber von Social-Media-Accounts mit hohen Reich­wei­ten und Mar­ken, die ihre Pro­dukte mit Hilfe von Influ­en­cern bewer­ben wol­len, regis­trie­ren. Für Agen­tu­ren und Netz­werke gilt das eben­falls. Das Geschäft mit Influ­en­cern ist dabei nicht ganz neu, auch in Deutsch­land gibt es schon einige Player am noch jun­gen Markt. Zu nen­nen sind unter ande­rem Brand­new IO aus Ber­lin, Pulse Adver­ti­sing aus Ham­burg oder HitchOn.de. Sogar TV- und Pilot-Hamburg-Mann Andreas Türck springt wohl gerade auf den Zug auf. Inter­na­tio­nal geht schon deut­lich mehr. Klar ist: Auch wenn die Bran­che noch ein wenig in den Kin­der­schu­hen steckt und sich die Geschäfts­mo­delle von Netz­werk zu Netz­werk teils deut­lich unter­schei­den, gibt es starke und erfolg­rei­che Kon­kur­renz. Ein­fach wird es mit Sicher­heit nicht für Nqyer.

Mohr ver­gleicht das Por­tal indes­sen mit einem Markt­platz im Stil von Xing, nur eben zuge­schnit­ten auf die noch junge Indus­trie rund um Influ­en­cer Mar­ke­ting. Er sagt: „Momen­tan ist Influ­en­cer Mar­ke­ting noch ein Schlacht­feld. Eine Grauzone ohne all­ge­mein­gül­tige Regeln. Reicht im Post ein Hash­tag mit ‚Spon­so­red’ oder ‚Anzeige’ aus? Viele machen ja nicht ein­mal das. Trotz­dem finde ich die Dis­kus­sion, ob Pro­duct Pla­ce­ments mora­lisch ver­werf­lich seien, schwachsinnig. Ers­tens ist das kein neues Phä­no­men, was erst seit YouTube, Ins­ta­gram und Co besteht. Und zwei­tens nör­gelt auch kaum jemand über Cris­ti­ano Ronaldo, der auf min­des­tens jedem zwei­ten Foto in sozia­len Netz­wer­ken seinen Spon­sor Nike präsentiert.“

Erst wenige Woche live und trotz­dem inter­na­tio­nale Social-Media-Stars im Portfolio

Im Influ­en­cer Mar­ke­ting ist also alles noch ein wenig wie im wil­den Wes­ten – was ja beson­ders bei neuen Nischen im Inter­net ein bekann­tes Phä­no­men ist. Viele wit­tern das schnelle, große Geld. Wie sieht also die Mone­ta­ri­sie­rung bei Nqyer aus? „Für den Anfang set­zen wir auf ein rei­nes Abo-Modell, das heißt, für alle Adver­ti­ser kos­tet der Zugang zur Platt­form. Aktu­ell sind es 9,90 Euro für sie­ben Tage, außer­dem erhält man zehn Tokens, die man für den Kon­takt mit angemeldeten Influ­en­cern braucht und nach­kau­fen kann“, erklärt Mohr. Also kein typi­sches Provisionsmodell, was man sonst so kennt? „Stimmt. Für den Anfang arbei­ten wir erst ein­mal so. Der Zugang soll nicht frei sein, weil wir den Influen­cern auf Nqyer auch wirk­lich nur ernst­hafte Inter­es­sen­ten lie­fern wol­len, bei denen eine Zusam­men­ar­beit Umsatz bedeu­tet. Mit der klei­nen Bezahl­schranke tref­fen wir sozu­sa­gen eine erste kleine Vor­aus­wahl. Wir spie­len aber auch mit dem Gedanken, in Zukunft Premium-Profile mit Fea­tures für Influ­en­cer anzu­bie­ten, im Zuge des­sen auch Pro­vi­si­ons­mo­delle ein­zu­füh­ren und das Abomodell damit abzustellen.“

Obwohl Nqyer erst seit weni­gen Wochen live ist, fin­den sich im Port­fo­lio des Star­tups schon jetzt einige inter­na­tio­nale Influ­en­cer mit Mega-Reichweiten, dar­un­ter unter ande­rem Alpha­cat (3,2 Mil­lio­nen Fol­lo­wer auf Vine, über 335 Mil­lio­nen Loops), Rclbeauty101 (4,1 Mil­lio­nen Abon­nen­ten auf YouTube, eine Million Abos auf Ins­ta­gram) und Eleventh­gor­ge­ous (1,3 Mil­lio­nen Abon­nen­ten auf YouTube) – alle drei unter Ver­trag bei Len­non Manage­ment. Aber wie haben die drei Grün­der das in einer so frü­hen Phase des Star­tups geschafft? Mohr hat die ein­fa­che Ant­wort: „Wir waren im Juni extra bei der New Plat­form Adver­ti­sing Kon­fe­renz, wo Naomi Len­non von Len­non Manage­ment ja auch auf der Bühne stand. Da haben wir sie ein­fach ange­spro­chen, sie hat unsere Idee sofort ver­stan­den und anschei­nend auch für gut befun­den. Ein paar Tage und Mails spä­ter stand dann fest, dass sie uns unter­stützt und die Influ­en­cer von Len­non Manage­ment auf Nqyer ver­tre­ten sein wer­den. Das war natür­lich eine extrem wich­tige Bot­schaft nach drau­ßen für alle, die mit dem Gedan­ken spie­len, sich bei uns anzumelden.“

Die Her­aus­for­de­rung, sich von Kon­kur­ren­ten am Markt abzugrenzen

Aber nicht nur das Port­fo­lio von Naomi Len­non ist bereits bei Nqyer ver­tre­ten, laut Julian Mohr sind aktu­ell ins­ge­samt rund 270 Influ­en­cer regis­triert und täg­lich kämen etwa zehn dazu. In fort­ge­schrit­te­nen Gesprä­chen befin­den sich die Grün­der mit wei­te­ren pro­mi­nen­ten Playern wie YouTube-Weltstar Michelle Phan mit ihrer Agen­tur ipsyOS oder der Ver­mark­tungs­ge­sell­schaft von Geld­druck­ma­schine Sami Sli­mani, NVC Ber­lin. Der Durch­schnitt seien diese hohen Reichweiten aber natür­lich nicht und tre­ten vor allem bei den pro­fes­sio­nel­len Netz­wer­ken und Manage­ments auf, die sich ein­tra­gen. Vor­rau­set­zung für ein­zelne Ins­ta­gra­mer bei­spiels­weise sind 10.000 Fol­lo­wers und ein bestimm­tes Follower-zu-Like-Verhältnis, YouTuber müs­sen 5.000 Abon­nen­ten vor­wei­sen können.

Der nächste schwie­rige Schritt für Nqyer dürfte die zu leis­tende Über­zeu­gungs­ar­beit bei Brands und Agen­tu­ren sein. Bis­her sol­len laut Mohr schon einige Kam­pa­gnen für ver­schie­dene Kun­den rea­li­siert wor­den sein und erste Umsätze im vier­stel­li­gen Bereich gene­riert haben. Die drei jun­gen Grün­der sind aktu­ell ver­stärkt auf der Suche nach Inves­to­ren. „Wir haben zu dritt mit Favics.com schon ein­mal gemein­sam gegrün­det. Das Pro­jekt lief aller­dings nicht wie gewünscht an beziehungsweise haben wir wäh­rend­des­sen auch gemerkt, was für ein gro­ßes Thema Influ­en­cer Mar­ke­ting wird und schon ist. Wir hat­ten damals ein Seed-Investment von einem Bekann­ten erhal­ten, wovon noch der Groß­teil zur Ver­fü­gung stand. Und weil der Inves­tor damit ein­ver­stan­den war, nut­zen wir das Bud­get jetzt für Nqyer. Wir sind aber stark auf der Suche nach einer neuen Finan­zie­rung – um die Tech­nik der Platt­form zu ver­bes­sern und Brands auf uns auf­merk­sam zu machen. Wir geben bis­her ja kei­nen Euro für Mar­ke­ting aus“, berich­tet Mohr. Einer der Grün­der, Jatz­kow­ski, sei bei­spiels­weise gerade auf ver­schie­de­nen Ver­an­stal­tun­gen in den USA gewe­sen, um zu poten­zi­el­len Inves­to­ren Kon­takt aufzu­neh­men. Wie­der mit der Unter­stüt­zung von Naomi Len­non. „Weil Influ­en­cer Mar­ke­ting dort schon gigan­ti­sche Züge ange­nom­men hat“, wie Mohr hin­zu­fügt. Hand­feste Neu­ig­kei­ten gäbe es aber noch nicht.

Für Außen­ste­hende kann es durch­aus schwer sein, den Markt für Influ­en­cer Mar­ke­ting zu durch­drin­gen und zu ver­ste­hen, wer hier womit Geld ver­die­nen will. Ähn­lich wie Multi Chan­nel Net­works für YouTuber wol­len hier viele Star­tups an den Reich­wei­ten der unzäh­li­gen „Social-Media-Stars“ par­ti­zi­pie­ren und so selbst zum Star wer­den. Für den Anfang scheint das Modell auch auf­zu­ge­hen, jedoch haben wir am Fall von Media­kraft auch alle mit­er­le­ben kön­nen, wie schnell diese emp­find­li­chen Netzwerk-Gebilde zumin­dest teil­weise ein­stür­zen kön­nen. Klar ist: Es bleibt span­nend im Wil­den Wes­ten und wir emp­feh­len, die Ent­wick­lun­gen in die­ser Bran­che genau zu verfolgen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf OMR.com.

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