Das Nyris-Team

Eigentlich wollten die Geschwister Anna Lukasson-Herzig und Markus Lukasson einen schnellen Checkout für Online-Shops bauen. Doch auf dem Weg dahin merkten sie, dass ihnen bereits die Onlinesuche nach Produkten zu lange dauert. Deshalb arbeiten sie nun seit etwa einem Jahr an einer Software, die mithilfe künstlicher Intelligenz Objekte auf Bildern erkennt und somit etwa von Onlineshops in ihre Suche integriert werden kann.

Auch in der Industrie soll Nyris bald Anklang finden. Investoren wie der High-Tech Gründerfonds oder das von ProSiebenSat.1 aufgekaufte Portal Moebel.de sind von dem Startup bereits überzeugt. Im Herbst diesen Jahres zog das zwei Jahre alte Unternehmen zudem unter das Dach des Microsoft Accelerator in Berlin, betreibt aber auch noch ein Büro in Düsseldorf. 

Im Interview erzählt die gelernte Ingenieurin Anna Lukasson-Herzig, was hinter ihrem Startup Nyris steckt und wie man die Software, die unter anderem mit dem britischen Unternehmen und Zalando-Partner Cortexica konkurriert, anwenden kann.

Anna, was genau kann Nyris?

Hinter Nyris steckt eine visuelle Suchmaschine. Das heißt, wir suchen in einer Datenbank nach exakt gleichen oder ähnlichen Einträgen. Das tun wir via Bild und nicht mit einem Text oder einer Nummer. In der Datenbank kann alles mögliche vorhanden sein, es ist ziemlich egal, ob es ein Stuhl, ein Modeartikel oder ein Bauteil ist. Wir haben sie soweit optimiert und standardisiert, dass sie kategorieunabhängig ist. Wir finden unterhalb einer Sekunde ein Match, bis zu 50 neue Bilder pro Sekunde können in eine Datenbank hochgeladen werden. Eine Datenbank kann dabei bis zu 500 Millionen Objekte verarbeiten, ohne dass die Performance leidet.

Wie wird Nyris denn angewendet?

Was für den Endnutzer am einfachsten zu verstehen ist, ist die visuelle Produktsuche. So sollst du in einem Onlinestore sowohl mit Text als auch mit Bild suchen können. Und im Industriebereich gibt es zum Beispiel den Case, den wir für Daimler umgesetzt haben. Hier geht es darum, dass wir Bauteile eines Trucks für deren Managementsoftware erkennen. So ein Truck ist ein IoT-Wunderwerk, da gibt es Tausende Sensoren, die in Echtzeit Daten an den Server senden, wie Reifendruck, Tankfüllung und so weiter. Daimler hat nach einer Möglichkeit gesucht, diese Daten zu visualisieren. Wenn also der Fuhrparkmanager die Kamera auf den Truck hält, erkennt unsere Software das Kennzeichen des Fahrzeugs und der Truck wird eingeloggt. Hält er diese dann etwa auf den Reifen, wird automatisch der Reifendruck angegeben.

Wie seid Ihr auf die Idee zu Nyris gekommen?

Mein Bruder und ich sind beide Ingenieure, haben aber nicht den typischen Ingenieurwerdegang hinter uns. Mein Bruder war nach dem Studium bei Amazon, ich war bei Boston Consulting Group. Er liebt die Art und Weise, wie Amazon faktenbasiert arbeitet und Entscheidungen trifft. Aber was er auch gesehen hat, war, dass man immer noch viele Leute beim Checkout verliert. Deshalb war seine erste Idee, den perfekten Checkout zu bauen. Der sollte so schnell sein, dass der Nutzer nicht abgelenkt wird. Dass der User, bevor er überhaupt nachdenkt, ausgecheckt hat. Dann haben wir aber festgestellt, dass die Suche nach Produkten schon länger dauert. 

Und dann kam Idee zur Bildsuche dazu?

Genau, dann haben wir beschlossen, Bilderkennung zu versuchen. Wir haben uns erstmal externe Technologien angeschaut, sind damit aber relativ schnell an unsere Grenzen gestoßen. Auch die guten Services hatten eine Match-Zeit von etwa zwölf Sekunden. Und viele damalige Services konnten bis zu 150.000 Daten in einer Datenbank verarbeiten, mehr nicht. Wir wussten aber, wenn wir einen Checkout-Prozess für den gesamten E-Commerce bauen wollen, muss der Millionen von Daten verarbeiten können. Deshalb haben wir gesagt: Das müssen wir selber machen.

Es war sicher nicht leicht, die erste Idee aufzugeben.

Es war ein Learning aus unserer Zeit vor Nyris, dass man frühzeitig dem Kunden zuhört, was er eigentlich möchte und daraufhin die Entwicklung optimiert. Wir hatten am Anfang eine Idee, was der Kunde möchte, haben dann aber gemerkt: das ist es eigentlich gar nicht. Es ist Teil des Prozesses, dass man früh raus in den Markt geht und die ersten Tests macht. Wenn du das machst, kommst du nicht drum herum, dieses Feedback, was du bekommst, umzuwandeln. Das kann notfalls auch dazu führen, dass du eine Geschäftsidee komplett aufgibst. Es war relativ schnell klar, dass wir die Bilderkennung entwickeln müssen. 

Außer Daimler – wie viele Kunden habt Ihr?

Die genaue Zahl kann ich nicht sagen, wir sind in vier Ländern und auf zwei Kontinenten präsent. Zu unseren größten Kunden, welche wir nennen dürfen, gehören Miles and More, Daimler, Metro, Möbel.de und Global Sources.

Was habt Ihr in nächster Zeit noch vor?

Wir möchten Nyris stärker für Anwendungsfälle in der Industrie und im Servicebereich nutzen. Wie oben beschrieben, haben wir diese soweit entwickelt, dass es relativ egal ist, ob ein Stuhl oder ein Bauteil erkannt werden soll. Zudem haben wir die Erkennung von mehreren Objekten im Bild und die Position der Objekte im Bild bereits entwickelt. Im nächsten Schritt möchten wir die Zählung und Ausmessung von Objekten entwickeln. Diese Funktionen sind sehr nützlich für die Automatisierung vieler immer noch manueller Schritte in der Industrie oder können Prozesse deutlich beschleunigen. Ein Beispiel ist die automatische Schadenerkennung bei einem Fahrzeug, also dass man eine Beule einfach durch ein Foto erkennt und dann innerhalb von Sekunden sagen kann: das sind 2.500 Euro.

Wie läuft bei Euch die Finanzierung?

Wir haben 1,8 Millionen Euro bisher eingesammelt und sind noch bis Mitte nächsten Jahres durch finanziert, würden die Runde aber gerne vorziehen und sind schon im Fundraising. Aktuell überlegen wir, ob ein VC oder ein Family Office besser für uns wären. Wir wollen jetzt noch mal zwei Millionen einsammeln.

Danke für das Gespräch, Anna!

 

Geschwister und Gründer Markus Lukasson und Anna Lukasson-Herzig
Geschwister und Gründer Markus Lukasson und Anna Lukasson-Herzig

Bild: Nyris/Screenshot/Youtube