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Old Economy, was ist das eigentlich?

Über den Startup-Boom und das gesteigerte Interesse der Politik an selbigem wurde ja bereits viel geschrieben: Das Internet-Segment befindet sich im Aufschwung und hat es auf das Radar des öffentlichen Interesses geschafft, nachdem sich eine gewisse Wertschöpfung in Sachen Wirtschafts- und Innovationskraft gezeigt hat. Gleichzeitig kam in der Internet-Wirtschaft mittlerweile auch zum Ausdruck, dass es in Deutschland gewisse Finanzierungslücken gibt, die sich insbesondere um den Bereich der Series A oder größere Tickets ranken.

Zum Füllen dieser Lücke und als gedankliche Anregung für Kooperationen unterschiedlicher Art bietet sich ein Wirtschaftsakteur an, der auf dem Radar von Internet-Startups bisher anscheinend keine Rolle spielt: die Old Economy.

An und für sich kam die Abgrenzung zwischen Old und New Economy im deutschen Sprachgebrauch in den 1990er Jahren auf, als sich mit der Entstehung unterschiedlicher Internet-Unternehmen ein Umdenken der wirtschaftlichen Betrachtungsweisen anbahnte. Den klassischen, auf Warenproduktion ausgerichteten Unternehmen (Old Economy) wurden die auf digitale Güter und virtuelle Dienstleistungen spezialisierten Web-Dienste (New Ecoomy) gegenübergestellt – gerade auch in der Annahme, dass dieser Wandel eine neue Form der Ökonomie hervorrufen würde.

Da der Großteil der klassischen auf Warenproduktion ausgerichteten Unternehmen in Deutschland dem Mittelstand angehören, wird hierzulande die Old Economy oft auch mit diesem assoziiert. Wenngleich es keine allgemein akzeptierte Definition des Mittelstandes gibt, meint der Begriff für gewöhnlich kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), die es auf eine Beschäftigtenanzahl zwischen 10 und 250 Personen bringen, Umsatzerlöse zwischen zwei und 50 Millionen Euro und eine Bilanzsumme zwischen zwei und 43 Millionen Euro erzielen (siehe dazu etwa auch die Mittelstandsdefinition des IfM Bonn. Qualitativ spielen Kriterien wie Eigentum, Leitung und Haftung eine Rolle.

Und wir sprechen hier durchaus von einer breiten wirtschaftlichen Basis mit einer gewissen Schlagkraft (zum Teil aber auch einer gewissen Behäbigkeit). Für das Jahr 2010 machten Mittelständler laut dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) 99,6 Prozent aller Unternehmen aus, erwirtschafteten 37,1 Prozent der deutschen Umsätze und beherbergten 60,2 Prozent der Beschäftigten.

Startups interessieren sich oft nicht für die Old Economy

Vor kurzem habe ich auf der Best of Both ein Panel moderiert, bei dem es um eben jene wirtschaftliche Verbindung von Old und New Economy ging. Die Best of Both ist ein privatwirtschaftliches Event, das darauf abzielt, beide Sphären zu verbinden, und auch wenn an der Umsetzung des Events sicher das eine oder andere diskutiert werden kann, ist die eigentliche Zielsetzung nicht unplausibel: Die Old Economy erhält Zugang zu Innovationen und kann das Risiko seiner Kapitalanlagen streuen, während die New Economy umgekehrt Kapital, Kontakte und Know-how zur Verfügung gestellt bekommt.

Trotzdem beobachte ich immer wieder, dass der Mittelstand beziehungsweise die Old Economy allgemein auf dem Radar von Internet-Startups keine Rolle spielen. Ursächlich hierfür sind wohl vor allem die Aspekte Tempo, Risikobereitschaft und Fachkenntnis. Ein Großteil der Old Economy rekrutiert sich aus Familienunternehmen, die eher traditionell investieren und einer gewissen Kalkulierbarkeit bedürfen. Der erste Wortteil des Begriffs Risikokapital kann da schon einmal zum Problem werden.

Im Vergleich zu Startups sind die Strukturen von Old-Economy-Unternehmen häufig schlichtweg zu träge und behäbig, um dem Tempo agiler Wachstumsunternehmen folgen zu können. In Kombination mit einer gewissen Unkenntnis der Materie ergeben sich auf diese Weise unterschiedliche Herausforderungen bei der Realisation von Finanzierungen oder Kooperationsvereinbarungen.

Und neben diesen strukturellen Faktoren erscheinen Zementmischunternehmen, Wurstwarenhersteller oder Waschmaschinenhersteller in der Wahrnehmung eines hippen Berliner Startups wohl schlichtweg auch nicht sexy. Es besteht kein Kontakt zwischen beiden Branchenzweigen und der positive Druck scheint derzeit nicht immer hoch genug, um an dieser Situation etwas zu ändern.

Warum die Old Economy dennoch attraktiv sein kann

Doch auch wenn diese strukturellen Unterschiede eine Zusammenarbeit nicht immer einfach gestalten, bieten Old-Economy-Unternehmen dennoch attraktive Anreize. Neben der Bereitstellung von Kapital (und hier kann es durchaus vorteilhaft sein, wenn das Gegenüber mangels Branchenkenntnis nur selten inhaltlich interveniert) blicken diese zumeist auf lange gewachsene Geschäftsbeziehungen und bringen damit ein potentes Kontaktnetwerk ein.

Ähnlich, wie man sich in der Startupszene untereinander kennt, öffnen auch Old-Economy-Gründungen Türen zu neuen Geschäftskreisen, die dann in Geschäftspartnerschaften münden können. Ganz nebenbei stellt sich aus solchen Verbindungen nicht selten auch ein gewisses Presseecho oder eine Image-Aufwertung des entsprechenden Startups ein.

Wenngleich Startups eben jene Branchen durch „disruptive“ Geschäftsideen umwälzen wollen, verfügen Deutschlands Mittelständler dennoch ebenso über umfangreiche Erfahrungen, die sie an junge Unternehmer weitergeben können. Am Ende des Tages macht es in bestimmten Situationen keinen großen Unterschied, ob sich Marketing und Vertrieb, Logistikfragen oder Geschäftsplanungsvorgänge auf einen New- oder Old-Economy-Kontext beziehen – Geschäftserfahrung bleibt Geschäftserfahrung.

Wer sich also für eine Zusammenarbeit mit Old-Economy-Unternehmen interessiert, dem empfehle ich das Rezipieren entsprechender Medienformate (manchmal genügt ja schon das Abonnieren eines Branchenblattes), das Besuchen von Events, die sich die Vernetzung dieser Sphären auf die Fahne geschrieben haben, oder auch die aktive Teilhabe in öffentlichen Foren, wie Verbände und Interessensvertretungen sie bieten. Mitunter kann vielleicht auch der eigene Investor oder Business Angel beim gemeinsamen Brückenschlag helfen.

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