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Interview mit Open-Data-Aktivist Christian Heise

Christian Heise ist Open-Data-Aktivist der Open Knowledge Foundation und setzt sich unter anderem für offene Regierungsdaten ein. Im Interview erklärt er, was beim Regierungsprojekt GovData schief läuft und warum die Startup-Lobby aufbegehren sollte.

Christian, ist Open Data mehr als eine Nerd-Spielerei? Worum geht es dir?

Wissen und Informationen sind der Rohstoff für eine moderne Gesellschaft und eine zwingende Voraussetzung für politisches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Engagement. Daten haben einen zunehmenden, direkten Einfluss auf die Menschen und ihre Lebenswirklichkeit und bieten die Chance, das Gemeinwesen, die Politik und Verwaltung, die Wissenschaft und die Wirtschaft nachhaltiger und besser zu gestalten. Dieses Wissen sollte nicht künstlich verknappt oder beschränkt werden, sondern allen Menschen als öffentliches Gemeingut wirklich offen zugänglich sein.

Daten offen zu legen, klingt nach Mehraufwand für die Verwaltung. Was springt bei Open Data für sie dabei raus?

Es darf nicht vergessen werden, dass auch Unternehmen durch Ihre Steuern die Datenerhebung durch die öffentliche Hand finanzieren. Trotzdem sprechen wir hier nicht über die individuelle Aufbereitung der Daten für Unternehmen als Geschäftsmodell für die Verwaltung. Bei Open Data geht es vor allem um offene Rohdaten und darum, dass bis heute in Deutschland viele relevante Datensätze gar nicht oder nicht als offene Daten zugänglich sind. Eine kleine Liste dieser Daten haben wir hier zusammengefasst.

Es muss jedem klar sein, dass offene Daten neben dem Ziel für ein transparenteres Regieren und die Möglichkeiten, das Gemeinwesen nachhaltiger zu gestalten, auch als Wirtschaftsförderung verstanden werden können, da sie ohne einen einzigen Euro an Subventionen einen enormen Schub an wirtschaftlichen Impulsen und Innovationen bedeuten können.

Heute launcht das Regierungsportal Daten-Deutschland, was läuft hier deiner Meinung nach verkehrt?

Der Erfolg der Plattform und der Open-Government-(Data)-Strategie in Deutschland hängt maßgeblich davon ab, dass die Datensätze von Staat und Verwaltung einfach, frei zugänglich und offen zur Verfügung stehen und damit auch für potenzielle Nachnutzer wie Startups interessant sind. Das muss zeitgemäß und effektiv im Hinblick auf Umsetzung, Bedienung und Sicherheit geschehen. Wir befürchten, dass das mit dem heute gelaunchten Portal genau nicht passiert ist. Deshalb haben wir schon weit vor dem Launch der Plattform unter Not-Your-Gov-Data.de eine Erklärung veröffentlicht, in der wir begründen, warum die Plattform govdata.de in der jetzt gelaunchten Form nicht akzeptabel ist. Eine der vor zwei Wochen geäußerten Befürchtungen, wie die Adaption der nicht offenen Lizenzen durch Kommunen auf bestehende Portale, sind sogar schon jetzt eingetroffen.

Ist ein Portal mit „geschlossenen“ Daten nicht erst einmal besser als gar keines?

Ich bin begeistert von dem Ansatz der dialogischen Auseinandersetzung und Entwicklung bei dem Thema, aber wir sehen die ganz konkrete Gefahr der nachhaltigen und inhaltlichen Entwertung des Begriffs “Open Government” – und das ist definitiv nicht „erst einmal besser als gar keines“. Das Portal kommt im internationalen Vergleich nicht nur sehr spät, sondern offenbart eher einen Ansatz von klassischem eGovernment + Daten anstatt einer wirklichen Öffnung hin zu Transparenz, Offenheit und Innovation. Das dürfte auch wirtschaftlichen Unternehmungen nicht gefallen.

In Großbritannien öffnete vor Kurzem der erste regierungsfinanzierte Open-Data -Inkubator. Welche Möglichkeiten bieten sich Startups?

In Daten steckt viel Geld, das wissen viele Unternehmen schon lange. Aber offene Regierungsdaten bieten ungeahntes Potenzial für Applikationen oder Dienstleistungen in sämtlichen B2B- aber auch B2C-Bereichen. Open Data kann ganz klar als Wirtschaftsförderung verstanden werden, die ohne einen einzigen Euro an Subventionen einen enormen Schub an wirtschaftlichen Impulsen und Innovationen bedeuten kann. In Großbritannien und anderen Ländern hat man das erkannt. In Deutschland fehlt eine solche Erkenntnis. Die Strategie und auch die Möglichkeiten durch das gelaunchte Portal und die Lizenzen sind in diesem Bereich nun sehr stark begrenzt. Ich wundere mich deshalb sehr, warum der Bundesverband Deutsche Startups e.V. beziehungsweise andere Gründer und Gründervereinigungen sich hier bisher nicht für Open Data einsetzen. Im Open-Data-Showroom von Holger Drews finden Sie schon jetzt viele gute internationale Beispiele für Open-Government-Data-Projekte.

Die Open Knowledge Foundation verbreitet die Kunde der offenen Daten. Welche Projekte laufen zur Zeit und wie kann ich mich einbringen?

Zeichnen Sie die gemeinsame Erklärung auf not-your-govdata.de, kontaktieren sie Ihre Vertreter bei Bund und Ländern, engagieren Sie sich in der Open Knowledge Foundation, spenden Sie für uns (hier) oder verbreiten Sie einfach die Nachricht. Einen Überblick der Projekte des deutschen Chapters finden sie auf unserer Webseite.