Die Outfittery-Chefinnen Anna Alex (links) und Julia Bösch. Das Unternehmen belegte den 16. Platz des Gründerszene-Rankings mit einer Wachstumsrate von 352 Prozent

Mode nur für Männer – mit persönlicher Beratung online und am Telefon. Das ist die einfache Formel, mit der Julia Bösch und Anna Alex seit 2012 eines der erfolgreichsten Mode-Startups in Berlin führen: Outfittery. Curated Shopping heißt das, betreutes Shoppen sozusagen.

Outfittery hat mit der Online-Modeberatung ein beeindruckendes Wachstum hingelegt: Rund 200 Mitarbeiter aus rund 25 Nationen arbeiten inzwischen für das Unternehmen – alle in Berlin. „Wir sind in acht Ländern aktiv und haben 200.000 Männer, die sich von uns einkleiden lassen“, sagt Bösch. In allen acht europäischen Ländern sei Outfittery klarer Marktführer, werben die beiden Gründerinnen. Auch dank einer großen TV-Werbekampagne kennen den Shopping-Dienst für Männer laut einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung inzwischen 31,8 Prozent der Männer und 16 Prozent der Frauen – mehr als jeden anderen Curated-Shopping-Anbieter in Deutschland.

Zuletzt besorgte sich das Unternehmen eine neue Finanzspritze von 20 Millionen US-Dollar für weiteres Wachstum von der skandinavischen Beteiligungsgesellschaft Northzone. Den Umsatz 2014 schätzt das Blog „Exciting Commerce“ auf Grundlage einer öffentlichen Präsentation des Unternehmens auf 18 bis 19 Millionen Euro. Größter Wachstumsmotor sind für Outfittery die Weiterempfehlungen der Kunden – rund ein Drittel der Neukunden komme so auf Outfittery. „Ehrlicherweise haben wir das am Anfang nicht so vermutet, dass Männer sich darüber austauschen, dass sie jetzt einen Shopping-Service nutzen“, sagt Bösch.

Dass Outfittery so erfolgreich ist, verdanken die Gründerinnen vor allem einer Tatsache: Für viele Männer ist Shopping eher Last als Vergnügen – gut aussehen wollen sie aber trotzdem, vor allem im Job. Die Spezies Mann kennen die beiden Gründerinnen dabei bestens – vor allem sein Shopping-Verhalten. Der typische Mann sei effizienter in seinem Einkaufsverhalten als die durchschnittliche Frau, erklären sie. Während Frauen eine große Auswahl und das ziellose Stöbern beim Shoppen häufig genießen, sind Männer zielorientiert. „Der Weg ist das Ziel“, das mag für viele Frauen beim Shoppen zutreffen – für Männer zählt in der Regel das Ergebnis. Und haben sie einmal ihre Lieblingsmode gefunden, bleiben sie meist dabei. „Man unterstellt Männern nicht überall Loyalität – aber beim Thema Mode ist das bei Männern deutlich ausgeprägter als bei Frauen“, sagt Bösch. Das macht Männer aus Sicht der Gründerinnen zu den „netteren“ Kunden.

Reduktion von Auswahl

Zweimal im Jahr kaufe der Durchschnittsmann ein, sagt sie – „unser Mann kauft häufiger ein, drei- bis viermal.“ Außerdem lässt der Outfittery-Mann mehr Geld da. „Der Kunde gibt bei uns im Schnitt 250 Euro pro Bestellung aus. Das ist dreimal so viel wie normalerweise im Online-Modehandel“, sagt Bösch. Das Erfolgsgeheimnis von Outfittery besteht in der Reduktion von Auswahl. „Das ist das, was wir als zweite Welle des E-Commerce sehen“, sagt Bösch – „dass nur noch Relevantes für dich angezeigt wird.“ Damit rückten Service, Beratung und Orientierung in den Mittelpunkt des Onlinehandels.

Platz Nummer 16: Outfittery GmbH

Der Dienst am Kunden ist auch deshalb wichtig, weil die Mode bei Outfittery zum Listenpreis verkauft wird – also zum Teil deutlich teurer als im regulären Onlinehandel bei Anbietern wie Amazon oder Zalando. Bequemlichkeit hat eben ihren Preis. Einen Tommy-Hilfiger-Pullover verschickt Outfittery beispielsweise zum Vollpreis von 100 Euro – bei Amazon kostet er 42 Euro. Die Sneakers Le Coq Sportif Gaspar Grey gab es bei Outfittery für den Vollpreis von 90 Euro – bei Amazon kosten sie in Größe 46 derzeit 45 Euro. Im Test von Gründerszene hätten wir bei unserer ersten Bestellung 830 Euro bezahlt, wenn wir sämtliche Kleidung behalten hätten. Darin enthalten waren zwei Hosen, ein Jackett, zwei Hemden, ein Paar Schuhe, ein Ledergürtel, ein Pullover, eine Strickjacke und ein T-Shirt. Allerdings überzeugten uns sowohl Auswahl als auch das „Unboxing“ der Kleidung. Dank schöner Schachtel und insgesamt sehr ansprechender Aufmachung wird Shopping bei Outfittery selbst für manchen Shopping-Muffel zum Spaß.

Die Listenpreise sorgen natürlich für eine fette Marge – vielleicht macht Outfittery sich deshalb auch keine allzu großen Gedanken um das Dauerthema im E-Commerce: die Retoure. „Die Retoure ist Teil unseres Geschäftsmodells“, sagt Bösch – und natürlich kostenlos. „Wir erwarten, dass du immer etwas zurückschickst – das ist wie in einer Umkleide.“ Auch im Laden kaufe ja niemand alles, was er in die Umkleidekabine mitnehme – „man probiert ein paar Sachen an, du brauchst ja auch ein paar Alternativen, um dich entscheiden zu können“, sagt Bösch.

Zunächst gab es Probleme

So steil die Erfolgskurve für die beiden Unternehmerinnen auch ist – am Anfang standen wie so häufig bei der Existenzgründung zunächst Probleme. „Wenn du alles zum ersten Mal machst, ist das ganz schön anstrengend“, sagt Bösch. Die Kundenseite ließ sich dabei noch am leichtesten überzeugen – schwieriger seien da schon die Verhandlungen unter anderem mit den Modemarken gewesen. „Das Ganze zum Laufen zu bringen war das Schwierigste.“

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Das Gründerszene-Ranking: Die Top Ten

Bild: Michael Berger / Gründerszene

Und auch Fehler räumen sie ein: „Wir hätten früher Leute mit viel Erfahrung mit an Bord nehmen sollen“, sagt Bösch. So warb das Startup beispielsweise den zentralen Einkaufsleiter von Peek & Cloppenburg ab, der aktuelle COO kommt von Kühne & Nagel. „Die haben so viel mitgebracht und Outfittery so krass nach vorn gebracht, das hätten wir schon früher machen sollen.“

Noch vor der Gründung stand für beide die „Rocket-Schule“, in der sie ihren „Startup-MBA“ gemacht hätten. Bösch arbeitete bei Zalando, Alex bei Rocket Internet und verschiedenen Startups der Berliner Firmenschmiede. „Dort haben wir unsere gemeinsame Leidenschaft für Männer – oder besser gesagt für Männermode – entdeckt“, sagt Bösch.

Bei Zalando beziehungsweise Groupon bemerkten die beiden Gründerinnen aber auch, was ihr Startup von der Rocket-Welt unterscheiden sollte. Im Zentrum der Gründungsidee: der persönliche Kontakt zum Kunden. „Im Gegensatz zu Plattformen wie Zalando oder Groupon, wo die Kunden nicht einzeln angesprochen werden, sondern in der Masse unterzugehen drohen, wollten wir näher am Kunden sein und auf seine Wünsche individuell eingehen können“, sagt Alex. Die Gründerin begann ihre Karriere bei Groupon – das Online-Rabattportal machte mit Händlerbeschwerden Schlagzeilen.

Personal Shopper

Die persönliche Beziehung der Stil-Berater zum Kunden wird aber natürlich – wie es sich für ein Startup gehört – mit zahlreichen Daten unterlegt, die den Beratern die Auswahl der Kleidung erleichtern. Auch in anderer Weise war die Gründung typisch: Die Inspiration für das Startup kam aus den USA – „allerdings nicht von einem Onliner, sondern von einer Offline-Erfahrung“, sagt Alex. Ein Freund von Julia Bösch leistete sich in New York einen Personal Shopper. Als dieser Freund die mit Klamotten bereits vorbereitete Umkleidekabine wieder verließ, zeigte er sich begeistert: „Das war die beste Einkaufserfahrung, die ich jemals hatte“, sagte er laut Bösch – „und er sei jemand, der ansonsten nicht gern shoppen gehe.“ Ein Startup mit ähnlichem Konzept gab es in den USA rund ein Jahr vor Outfittery: Trunk Club. Auf den ersten Blick fällt auch die optische Ähnlichkeit beider Seiten auf.

Curated Shopping

Das Thema Curated Shopping haben aber längst auch die Schwergewichte im Modegeschäft mindestens als Experimentierfeld entdeckt. Zalando hat Modeblogger verpflichtet, die als Kuratoren für Zalando-Mode auftreten und auch Moderiese Peek & Cloppenburg ist mit einem Angebot namens Stilbox in das Curated-Shopping-Geschäft eingestiegen. Größter reiner Online-Konkurrent ist Modomoto. Andere kleine Anbieter wie 8select setzen bei der Auswahl der Mode inzwischen nicht mehr auf persönliche Beratung, sondern auf reine Software.

Platz Nummer 16: Outfittery GmbH

Das nächste Etappenziel für Outfittery: die klare Nummer eins in Europa werden. Weitere Länder für die Internationalisierung sind schon geplant. Als größte Konkurrenz sehen sie den stationären Handel, über den immer noch mehr als 90 Prozent der Modeverkäufe abgewickelt werden. Außerdem wollen die Unternehmerinnen in den Kleiderschrank des Kunden – mit einem bestimmten Gerät. Was das genau bedeutet, wollen die beiden noch nicht verraten. „Es wird Zeit für die nächste technische Spielerei.“

Und Frauen als Kunden? „Wir sind eben auch deshalb so stark, weil wir uns auf Männer konzentrieren“, betont Bösch. Ausgeschlossen sei das aber trotzdem nicht, sagen die Outfittery-Gründerinnen. Kürzlich hat Outfittery das Interesse an Curated Shopping bei Männern und Frauen durch die Gesellschaft für Konsumforschung untersuchen lassen. Demnach nutzen sieben Prozent der Männer bereits solche Angebote – aber rund 32 Prozent seien interessiert. Was die Gründerinnen vielleicht nicht erwartet hatten: Unter den Frauen waren sogar 38 Prozent an dem Konzept interessiert. Vielleicht eine Chance für die nächste Startup-Erfolgsgeschichte.


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Bild: Michael Berger / Gründerszene