Parity-Gründerin Jutta Steiner

Blockchain-Technologien sind wie Teenager: jung und kompliziert. Da es oft um viel Geld geht, können Programmierfehler sehr unangenehme Folgen haben. Das Startup Parity, das in Berlin und London sitzt und eine Wallet-Software anbietet, musste selbst damit Erfahrung machen. Seit November sind dort etwa 500.000 Ether eingefroren, auf welche die Eigentümer nicht zugreifen können. Ob und wann das Problem gelöst werden kann, ist weiter offen. Mit Gründerszene spricht Parity-Gründerin Jutta Steiner, Mathematikerin und ehemalige Mc-Kinsey-Beraterin, über die Lage: Sie erklärt, welche Regulierungen sie sich vorstellen kann und verrät, was Parity in Zukunft noch vor hat.

Jutta, warum sollte ich als User eure Plattform nutzen?

Man sollte sich dafür interessieren, weil sich grundlegend verändern wird, wie wir Applikationen für das Internet bauen werden. Heute müssen wir großen Internetkonzernen wie Google und Facebook vertrauen, dass ihre Dienste so zur Verfügung stehen, wie sie versprechen. Diese Zentralisierung ist ein großes Problem, da das Internet eine wichtige Rolle in unserem Leben spielt und die Architektur anfällig ist, sowohl für Missbrauch und ungerechtfertigte Überwachung als auch für technische Ausfälle. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – das fasst die Motivation der Leute, die Blockchain-Projekte machen, ganz gut zusammen. Blockchain steckt allerdings als Technologie noch in den Kinderschuhen und es braucht viel Arbeit, bis sie für großskalige Anwendungen zur Verfügung steht. Hier setzen wir als Firma an, indem wir Techniken entwickeln, um die Technologie dorthin zu bringen.

Vor einigen Monaten gab es einen Zwischenfall bei der Nutzung der Parity-Wallet-Software. Seitdem sind etwa 500.000 ETH eingefroren. Wie geht die Community damit um?

Es ist natürlich hart für die Betroffenen. Allerdings ist auch ein Verständnis dafür da, dass die Technologie noch sehr früh dran ist und es Tools braucht, die solche Sachen in der Zukunft verhindern. Bessere Programmiersprachen für Smart Contracts zum Beispiel und automatische Validierung von bestimmten Statements darin.

Was den Ether-Freeze angeht, gibt es derzeit viele Diskussionen in der Community, was getan werden kann, um die Ether wieder zugänglich zu machen. Im Moment prallen zwei Dinge aufeinander: Auf der einen Seite viel Hype, Aufmerksamkeit und Geld, auf der anderen Seite unreife Technologien. Ähnliche Situationen werden weiterhin vorkommen und die Ethereum-Community wird eine Antwort finden müssen, wie sie damit umgeht. Teilweise kann das durch Verbesserung der Technologie passieren, teilweise wird es darum gehen, Governance-Mechanismen für dezentrale Systeme zu finden.

Wie gehst du selber mit der Situation um?

Es ist massiv frustrierend, aber das hilft natürlich nichts. Ich hoffe einfach, dass wir gemeinschaftlich zu einer Lösung kommen. Unser Hauptziel ist es, Infrastruktur für das dezentrale Web zu verbessern. Es ist schade, dass die Funds der Web3-Foundation nun unzugänglich sind, die damit gute Sachen anstellen könnten – denn die Stiftung will sich um bessere Infrastruktur kümmern.

Du sagst, es soll in Ethereum Prozesse geben, um mit Problemen wie dem Freeze umzugehen. Bist du in konkreten Gesprächen?

Es gibt ganz viele Diskussionen darüber, welche Governance-Systeme es langfristig braucht, um Ethereum zu einem Punkt zu bringen, an dem es verlässlich nutzbar wird. Wie soll man jemandem erklären, dass der Freeze dazu geführt hat, dass es Ether gibt, der eindeutig einem Eigentümer zugeordnet werden kann, der jedoch nicht zugänglich ist – und das nicht repariert wird? Für solche Fälle muss es Lösungen geben, damit das Ganze großflächig angenommen wird.

Was wäre deiner Meinung nach eine gute Lösung?

Ethereum ist nicht das erste System im Internet mit vielen verschiedenen Stakeholdern. Es gibt Gremien wie das IETF, die Internet Engineering Task Force, die dezentral aufgestellt sind und immer wieder entscheiden, wie Internetprotokolle in der Zukunft aussehen sollen und die für solche Zwecke Governance-Systeme erfunden haben. Da gibt es viel, was man sich abschauen kann.

Also was ist nun eine gute Lösung? Braucht man ein Gremium?

Es geht darum, wie man mit verschiedenen Meinungen umgeht und einen Weg findet, valide und konstruktive Kritik umzusetzen. Eine einfache Mehrheitswahl ist bei der Governance von technisch komplexen Systemen nicht unbedingt die beste Art, darüber zu entscheiden, wie sich das System weiterentwickeln soll. Es kann sinnvoller sein, zu versuchen, einen Punkt zu erreichen, wo niemand eine bestimmte Lösung ablehnt. Die IETF nennt das „rough consensus“.

Parity-Gründerin Jutta Steiner

Weißt du bereits, wie es mit dem eingefrorenen Ether weitergeht?

Das weiß im Moment leider noch niemand. Aber wir versuchen gemeinsam mit den betroffenen Projekten einen Vorschlag zu erarbeiten. Der Bug, den es in der Parity-Wallet-Software gab, ist ja bei Weitem nicht der einzige Bug, den es in der Ethereum-Infrastruktur gab. Verschiedene Handelsplattformen hatten mit ähnlichen Fehlern zu kämpfen, es gab einen relativ bekannten Bug in der JavaScript-Library, der dazu geführt hat, dass Ether nicht zugänglich war. Aufgrund von persönlichen Gesprächen bin ich zuversichtlich, dass wir auf einem guten Weg sind. Diskussionen im Internet leiden einfach darunter, dass man nicht sehr konstruktiv miteinander umgeht.

Wie viel Geld sollte ich denn als Privatperson oder Unternehmen in diese noch unausgereiften Systeme stecken?

Es ist wichtig, sich über die Vor- und Nachteile im Klaren zu sein und langfristig über die Technologie nachzudenken. Ob man in den nächsten drei Monaten Ether kauft, ist nicht so entscheidend. Es geht mehr darum – und das ist wichtig – fundamental zu verstehen, warum diese Technologie alles verändert: Weil eben in der Mitte nicht mehr das Datencenter steht, weil dort nicht mehr eine Institution wie Google oder Facebook steht, wenn es darum geht, großskalige Applikationen bereitzustellen.

Ihr habt mehr als 40 Mitarbeiter. Wie finanziert sich Parity?

Wir hatten anfangs Investoren, aber mittlerweile gibt es auch kommerzielle Projekte, durch die wir uns finanzieren. Im vergangenen Jahr haben wir angefangen, mit dem World Food Programme zusammen zu arbeiten. Es geht darum, private Blockchains zu benutzen, um mehr als 100.000 Flüchtlingen in Jordanien Benefits zugänglich zu machen.

Wie genau hat das funktioniert?

Das WFP benutzt unsere Software in Flüchtlingslagern, um verschiedene Parteien einfach anbinden zu können, zum Beispiel Zahlungsanbieter. Wir haben da eine Grundlagentechnologie, mit der das einfach geht und wo man sich nicht mit einem Drittanbieter verständigen muss, da alle die gleichen Protokolle verwenden.
Außerdem arbeiten wir mit der Energy Web Foundation zusammen, um die Technologie für dezentrale Energiesysteme nutzbar zu machen. Peer2Peer-Trading von Energie ist ein Beispiel. Ein weiteres Beispiel ist unsere Zusammenarbeit mit der Web 3 Stiftung, um grundlegende Protokolle für das dezentrale Internet vorwärts zu bringen.

Woran arbeitet ihr derzeit?

Ein großes Projekt, an dem wir gerade arbeiten, ist eine neue Blockchain-Technologie namens Polkadot – eine Plattform, auf der man sehr einfach seine eigene Blockchain starten kann. Außerdem stellt es Technologien zur Verfügung, um existierende Netze interoperabel zu machen, zum Beispiel Ethereum und Bitcoin miteinander sprechen zu lassen.

Was ist daran der Vorteil?

Andernfalls musst du dich wieder auf einen Dritten verlassen, der vermitteln muss. Wenn du ein Payment-Netzwerk und ein Smart-Contract-Netzwerk hast, müssen die kommunizieren können, wenn man beispielsweise ein dezentrales Uber bauen will. Und die Kommunikation zwischen den Netzwerken macht Polkadot möglich.

Danke für das Gespräch, Jutta.

Bild: Parity