Das Büro in Kiew, erklärte Honor Gunday im Sommer 2014 stolz, sei „das Herz und das Gehirn“ seines Unternehmens Paymentwall. Entwicklung, Design, Analytics, Projekt- und Produktmanagement: All diese Bereiche würden von der ukrainischen Hauptstadt aus gemanagt. Eine Mitarbeiterin schwärmt in dem Promo-Video, Paymentwall sei ein „Paradies für Data Scienticsts“.

Doch offenbar sind die Zustände in dem Büro in Kiew alles andere als paradiesisch. Die Führungsmethoden von Honor Gunday (bürgerlich: Onur Sena Gunday), dem Gründer und CEO des 2010 gestarteten Payment-Unternehmens, das seinen Hauptsitz in San Francisco hat und seit 2012 auch ein Berliner Büro besitzt, scheinen eher in eine Steinzeitdiktatur zu passen als zu einem modernen Digital-Startup. Dieses Bild ergibt sich aus Berichten von Mitarbeitern, Berichterstattung in der Ukraine – und den Rechtfertigungsversuchen des Unternehmens selbst.

Es fing damit an, dass Gunday im August auf seinem Facebook-Profil folgende Nachricht postete: „Paymentwall hat letzte Woche 25 Leute in Kiew gefeuert, um Platz zu machen für bessere Mitarbeiter in unserem Büro.“ Jetzt suche er Bewerber für 50 offene Stellen. Paymentwall beschäftigt nach eigenen Angaben 150 Mitarbeiter in zehn Büros auf der ganzen Welt.

Wie es sich für die gefeuerten Mitarbeiter anfühlt, dass der Ex-Chef ihre Entlassungen mit einem grinsenden Selfie verkündet, das mag man sich nicht ausmalen. Das war aber noch nicht alles. Den nächsten Tiefschlag verpasste HR-Chefin Inna Makarkina den ehemaligen Mitarbeitern. Gegenüber dem ukrainischen Tech-Portal AIN rechtfertigte sie die Entlassungen wie folgt:

Einige Mitarbeiter wären „nur auf ihren eigenen Vorteil“ bedacht gewesen, sie hätten faul „auf der Couch oder im Lounge-Bereich“ auf das Mittagessen gewartet. Andere Angestellte seien nicht bereit gewesen, an den organisierten Team-Reisen zum Paymentwall-Standort in Manila teilzunehmen. Und andere hätten sich auf den Geschäftsreisen wie „Touristen im Urlaub“ verhalten.

Der eigentliche Grund für die Entlassungen sei aber die folgende Episode gewesen: Ein Angestellter habe Interna an einen Konkurrenten weitergegeben (andere Mitarbeiter bestreiten diese Darstellung – demnach verschickte er nur seinen Lebenslauf). Daraufhin habe der Chef seine Mitarbeiter aus Kiew vor die Wahl gestellt, den betroffenen Mitarbeiter zu behalten oder zu feuern. Die Mehrheit stimmte für den Verbleib des Kollegen. Über die Entscheidung soll Gunday so erzürnt gewesen sein, dass er die gesamte Mannschaft nach Hause geschickt habe – mit der Maßgabe, nur wer sich bemühe und sich zurückmelde, behalte seinen Job. Dies hätten nur die Hälfte der Mitarbeiter gemacht. „Wir haben 25 Personen entlassen, und uns beschämt diese Tatsache nicht“, fasst Makarkina den Vorgang zusammen.

Gründerszene kontaktierte CEO Honor Gunday und bekam nach einiger Zeit eine Antwort von Isil Ugurlu, der europäischen Marketing-Chefin des Unternehmens. Sie betont, die Hintergründe der Entlassungswelle seien bei AIN „fälschlich und realitätsfern“ dargestellt worden. Ihre Erklärung macht die Sache aber nicht unbedingt besser.

„Während der wohl schwierigsten Zeit der Ukraine in jüngster Vergangenheit (Krim-Konflikt zwischen Ukraine und Russland) hat Paymentwall jenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, deren Angehörige zur ukrainischen Armee einberufen worden sind oder bei denen die Gefahr eines Einzugs bestand, geholfen das Land zu verlassen. Vorübergehend sind 15 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die Paymentwall-Niederlassungen in Hanoi (Vietnam) und Manila (Philippinen) verlegt worden. […] Dass Paymentwall sich um das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sorgt, macht sich unter anderem auch dadurch bemerkbar, dass beispielsweise die Kosten für Unterkünfte und Flüge dieser Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen komplett von Paymentwall getragen worden sind (die Kosten belaufen sich auf über 100.000 US-Dollar).

Im Anschluss an die Rückkehr von Hanoi und Manila nach Kiew hat eine Massenresignation in Paymentwalls Niederlassung in Kiew stattgefunden. Dies geschah wider Erwarten, da sich Paymentwall neben produktiver Arbeit eher Motivation und Loyalität von Seiten der zurückgekehrten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhofft hatte. Anstelle sich dankbar zu zeigen, dass Paymentwall aktiv das Leben seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen retten konnte, führen die Betroffenen nun online Hassdiskussionen.“

Nach dem Vorfall habe das Unternehmen „bestimmte operative Geschäftsfelder“ von Kiew nach Manila verlagert. Dies sei „eine strategische Entscheidung. Im Übrigen halte Paymentwall am Standort Kiew fest und werde die Anzahl der Mitarbeiter dort sogar verdoppeln.

Ob sich nach diesen Vorfällen überhaupt neue Mitarbeiter finden lassen? Wer trotzdem interessiert ist, der sollte besser beim Arbeitgeber-Bewertungsportal Glassdoor nachsehen. Dort sind für Paymentwall entweder enthusiastische Fünf-Sterne-Bewertungen zu finden – oder regelrechte Hasstiraden auf den Chef. Zum Beispiel in der Kategorie „Ratschläge an den CEO“. Ein paar Kostproben? „Fang an, deine Mitarbeiter wie Menschen und nicht wie Sklaven zu behandeln.“ „Sucht euch einen neuen CEO und lernt, wie man Leute mit Respekt behandelt oder ihr seid dem Untergang geweiht.“ „Glaub mir, es ist nie zu spät seine Würde wiederzufinden. Tu das richtige.“

Bild: YouTube / IDCEE