kuchen exit esop
kuchen exit esop ESOP: Damit beim Exit auch Mitarbeiter ein Stück vom Kuchen abbekommen.

Ein Beitrag von Thomas Grota, Investment Director bei T-Venture.

Phantomaktien-Programme für deutsche Startups

In letzter Zeit wurde ich öfters von Gründern und Journalisten nach den Standardmetriken für Mitarbeiterprogramme in deutschen Startups gefragt – den sogenannten Phantomaktien-Programmen oder im Englischen Employee Stock Option Programs (ESOP).

Ich war etwas überrascht, dass es soviel Unsicherheit und verborgenes Wissen zu diesem Thema gibt. Im Folgenden habe ich meine Erfahrung zu diesem Punkt aus meiner Sicht als Venture Capitalist in der Zusammenarbeit mit unseren Portfoliounternehmen zusammengefasst.

Warum nutzen Startups Phantomaktien-Programme?

Die einfache Antwort auf die Frage nach dem Warum lautet: Phantomaktien-Programme sind Motivation für Mitarbeiter und die Absicht, wertvolle Mitarbeiter an den Exit-Erlösen des Unternehmens partizipieren zu lassen. Die Programme sollen dafür sorgen, die wichtigen Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden und ihnen die Möglichkeit bieten, sich ein wenig auch als Gründer des Unternehmens zu fühlen. ESOPs ermöglichen es zudem, Geld einzusparen, das sonst für höheres Gehalt notwendig wäre. Die Laufzeit des Unternehmens, bis zum Zeitpunkt, an dem alle Barreserven aufgebraucht sind (Runtime), kann damit verlängert werden. Dieser Punkt ist allerdings nur ein positiver Nebeneffekt.

Was ist die rechtliche Grundlage und wer kann helfen?

Jeder Rechtsanwalt mit Erfahrung im Venture-Capital-Bereich kann die Gründer bei der Einrichtung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes sowie bei den gesellschaftsrechtlichen Prozessen wie Verträgen und Gesellschafterbeschlüssen unterstützen. Verschiedentlich haben einige Anwaltskanzleien auf andere Modelle neben dem Phantomaktien-Programm aufmerksam gemacht. Wir empfehlen unseren Gründern allerdings auf diesem altbewährten Konstrukt zu bestehen. Alle meine Portfoliounternehmen haben diese ESOP-Modell angewendet und mir ist kein anderes Konstrukt bekannt, das erfolgreich angewendet wurde.

Worin liegt der Vorteil von „Phantomaktien“?

Der Hauptgrund liegt im deutschen Steuerrecht und dem rechtlichen Rahmen des deutschen GmbH-Gesetzes. In Deutschland wird der Erhalt von GmbH-Geschäftsanteilen besteuert, für den Fall, dass der Empfänger der Anteile kein Gründer ist – also nicht schon bei Gründung der Gesellschaft auf der Gesellschafterliste stand. Als Gründer besitzt man die GmbH-Anteile mit Gründung zum Nominalwert. Hier entspricht ein Anteil üblicherweise einem Euro des Stammkapitals. Der Wert der Geschäftsanteile erhöht sich mit jeder folgenden Finanzierungsrunde. Ausnahmen wären sogenannte Downrounds, bei denen die neue Bewertung unterhalb der letzten Finanzierungsrunde liegt.

Erhält eine Person nun Geschäftsanteile an einer Gesellschaft, die bereits einer Höherbewertung erfahren hat, wird das deutsche Finanzamt diese Zuteilung als einen Vermögensgewinn aus dem Delta der unterschiedlichen Bewertungen ähnlich einer Gehaltszahlung besteuern. Der Empfänger der Geschäftsanteile wird somit in dem Jahr steuerpflichtig für diesen Beitrag, in dem er diese Zuteilung erfährt. Mit der Steuererklärung des folgenden Jahres wird dieser Zugewinn somit in Form einer Einkommens- oder Vermögensteuer von dieser Person eingefordert. Obwohl an diese Person zu diesem Zeitpunkt noch kein Bargeld, etwa als Teil eines Exit-Erlöses, geflossen ist, muß sie trotzdem Steuern an das Finanzamt abführen.

Die Anteilsverteilung an einem Beispiel

Ein Beispiel: Die Gründer haben das Unternehmen zusammen bei einem Nominalbetrag von einem Euro pro Stammanteil gegründet. Zur Vereinfachung gehen wir davon aus, daß es sich hierbei um 25.000 Anteile handelt und die Gründer somit 25.000 Euro als Stammeinlage eingezahlt haben. Nach einer Seed-Runde mit einem Investment von 200.000 Euro bei einer Post-Money-Bewertung von 1.000.000 Euro erhält der neue Gesellschafter 6.250 Geschäftsanteile und somit 20 Prozent am Unternehmen.

Der Wert der Anteile der Gründer, die diese bereits vor der Finanzierungsrunde besaßen, hat sich mit dieser Finanzierungsrunde auf 800.000 Euro erhöht. Sie haben diese Anteile nicht neu erhalten und die Wertsteigerung hat sich wie bei Aktien an der Börse vollzogen. Aber wenn die Gründer nun einen „Anteils-Pool“ von zehn Prozent (3.125 Anteile) des Unternehmens für ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm bereitstellen wollen, dann haben diese Anteile zu diesem Zeitpunkt einen Wert weit über dem Nominalbetrag von 3.125 Euro und Anteile werden entsprechend zu dieser hohen Bewertung zugeteilt.

Zur Verdeutlichung: Der Wert dieses „Anteils-Pools“ ist zum Zeitpunkt der Zuteilung über 90.000 Euro wert. Man stelle sich nun vor, in einem Startup mit einer Unternehmenswertung von 50 Millionen Euro würde ein wichtiger Entwickler ein Prozent aus dem Mitarbeiterbeteiligungsprogramms erhalten: Der Mitarbeiter müsste in der nächsten Steuererklärung einen Gehaltsanteil von 500.000 Euro versteuern – ohne einen Euro in bar erhalten zu haben. Ein klares „No-Go“ für dieses Modell.

Phantomaktien sind erst nach dem Exit zu versteuern

Das Modell der Phantomaktien erstellt „virtuelle Geschäftsanteile“, die erst dann einen realen Geldwert darstellen, wenn das Startup beim Verkauf einen Erlös erzielt. In dieser logischen Sekunde wird ein zuvor über einen Gesellschafterbeschluss beziehungsweise -vertrag definierter Betrag des Exit-Erlöses im Rahmen des Mitarbeiterprogrammes an die berechtigten Personen verteilt. Zu diesem Zeitpunkt erhalten die Begünstigten des Programms reales Geld auf ihr Bankkonto, mit dem sie die dann fällig werdenden Steuern an das Finanzamt zahlen können. Mit diesem Modell müssen die begünstigten Personen des Programms erst dann Steuern zahlen, wenn sich aus Vermögenssicht auch dazu in der Lage sind.

Bild: NamensnennungWeitergabe unter gleichen Bedingungen Bestimmte Rechte vorbehalten von luftholen

kuchen exit esop
kuchen exit esop ESOP: Damit beim Exit auch Mitarbeiter ein Stück vom Kuchen abbekommen.

Wie erstellt man einen virtuellen Anteils-Pool?

Der rechtliche Prozess basiert auf Vertragsdokumenten, die von allen Gesellschaftern des Unternehmen unterschrieben werden, einem oder mehreren Gesellschafterbeschlüssen beziehungsweise einer Ergänzung des Beteiligungsvertrages. Alle Gesellschafter erklären sich im Exit-Fall bereit, einen definierten Teil der Exit-Erlöse zur Auszahlung an die Teilnehmer des Programms auszuzahlen. Am einfachsten ist es, sich dieses Modell als eine virtuelle Kapitalerhöhung vorzustellen, die alle anderen Gesellschafter gleicherweise verwässert und erst zum Exit-Zeitpunkt durchgeführt wird – ohne dass eine neue Stammeinlage gezeichnet wird.

Angenommen: Es wurde ein Anteils-Pool von 10.000 virtuellen Anteilen im Gesellschafterkreis vereinbart, zu einem Zeitpunkt, als das Kapital der Gesellschaft von einem Stammkapital von 40.000 GmbH-Anteilen auf 90.000 Stammanteile erhöht wurde. Zum Zeitpunkt der Veräußerung des Unternehmens werden üblicherweise zunächst alle Transaktionskosten abgezogen und im Anschluss daran etwaige Liquidationspräferenzen an die berechtigten Investoren ausbezahlt.

Im nächsten Schritt wird dann der verbleibende Verkaufspreis nicht durch 90.000 Anteile sondern durch die vereinbarte Gesamtsumme von 100.000 Geschäftsanteilen aufgeteilt. Entsprechend der zugeteilten Menge erhalten nun die Gesellschafter und Teilnehmer des Phantomaktien-Programms ihre Erlösanteile vom verbliebenen Verkaufspreis. In diesem Modell spricht man von einer virtuellen Anteilsverteilung für alle Gesellschafter.

Normalerweise kommt es zur Vereinbarung eines ESOP zwischen Gründern, Business Angels und Seed-Investoren in der Seed-Runde. Spätestens in der folgenden A-Runde wird das Programm dann mit Verträgen und Beschlüssen umgesetzt. Dabei ist es oft üblich, daß auch die A-Runden-Investoren ihren Beitrag an dem Beteiligungsprogramm leisten.

Größe des Anteils-Pool und zu erwartende Beträge

In fast allen meinen Portfoliounternehmen verwässert der ESOP alle Gesellschafter um zehn Prozent. Das heißt: Im Falle eines verbleibenden Pro-Rata-Anteils bei einem Unternehmensverkauf von elf Millionen Euro, umfasst der ESOP eine Million Euro. Dieser Betrag wird nun entsprechend den vereinbarten Prozentanteilen aus dem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm auf die einzelnen Mitarbeiter umgerechnet. Ein üblicher Prozentanteil des ESOP für einen Mitarbeiter bewegt sich zwischen 0,25 und 2,5 Prozent – wobei diese obere Grenze zumeist nur in Ausnahmefällen für besonders wichtige Mitarbeiter vergeben wird, beispielsweise den CSO oder CTO. Der Standard für einen Mitarbeiter liegt zwischen 0,25 und 0,75 Prozent.

Diese Werte führen zu der Annahme, dass etwa 15 bis 20 Mitarbeiter von diesem Programm begünstigt werden. Für Startups sind zum Zeitpunkt einer B-Runde üblicherweise zwischen 80-150 Mitarbeiter beschäftigt, wodurch etwa 15 Prozent aller Mitarbeiter durch in ein solches Programm begünstigt werden. Falls die Gründer es für sinnvoll erachten, können sie gemeinsam mit dem Einverständnis der übrigen Gesellschafter weitere Phantomaktien-Programme vereinbaren.

Aktuell sehen wir in Deutschland Exit-Bewertungen von 20 bis 100 Mio Euro. Ausnahmen stellen Exits wie Trivago, Delivery Hero, Zalando und andere Rocket-Internet-Unternehmen dar. Wenn man sich auf den aktuellen Sweet Spot deutscher Exits konzentriert, würde man eine Bewertung zwischen 25 und 45 Millionen Euro annehmen. Um eine solche Exit-Bewertung zu erzielen, wird üblicherweise ein Investment zwischen fünf und zehn Millionen Euro für die unteren Bewertungsbereiche und etwa 20 bis 30 Millionen Euro für den oberen Bereich benötigt.

Auf Basis dieser Annahmen würde ein virtueller Anteils-Pool einen Betrag von 700.000 bis eine Millionen Euro am unteren Ende der Skala und etwa zwei bis drei Millionen Euro am oberen Ende umfassen. Abhängig von der Größe des zugeteilten ESOP-Anteils sind für den betrachteten Mitarbeiter somit Erlöse im Rahmen von 50.000 bis 500.000 Euro zu erwarten. Bei Ausnahme-Exits im 100-Millionen-Euro-Bereich sind Erlöse von ein bis zwei Millionen Euro denkbar.

Mitarbeiterbeteiliungsprogramme sind für alle Beteiligten sinnvoll und sollten wann immer möglich genutzt werden. Wenn der Unternehmenswert sich wie gewünscht entwickelt, sind die Erlöse im Vergleich zum Gehalt sehr attraktiv. Mit einem steigenden Investitionsklima in Europa und den dadurch initiierten höheren Bewertungen beim Exit profitieren die Mitarbeiter direkt von dem aktuell verbesserten Investitionsentwicklungen in europäische Startups.

Rechtlicher Hinweis: Liebe Gründer, bitte lasst euch bei diesem Thema von Anwälten und Steuerexperten beraten!

Bild: NamensnennungWeitergabe unter gleichen Bedingungen Bestimmte Rechte vorbehalten von luftholen