Sie sind gemeinsam mit einem motivierten Gründerteam und einer guten Idee der Motor eines jungen Unternehmens: Investoren. Egal ob Venture-Capitalist, Business-Angel oder Inkubator – ohne das nötige Kleingeld gäbe es so manche spannende Business-Idee nur auf dem Papier. Gründerszene hat sich daher einmal die Mühe gemacht und unter dem Motto „Interview mit einem VC“ – und nein, Anspielungen an Blutsauger sind gänzlich zufällig – Deutschlands spannendste Geldgeber zu einem Interview gebeten. Dieses mal: Philipp Möhring von Seedcamp. Streng genommen also kein reiner VC, sondern eher ein Seed-Investor, aber dennoch ein interessanter Gesprächspartner für dieses Thema, da Seedcamp sehr international aufgestellt ist.

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Stell Dich doch mal kurz vor: Wer bist Du und wie bist Du als Investor unterwegs?

Mein Name ist Philipp Möhring und Ich arbeite bei Seedcamp (www.seedcamp.com) in London als Associate. Wir investieren in Early-Stage-StartUps in ganz Europa und unterstützen die Firmen massiv mit unserem Netzwerk bei Themen wie Fundraising mit internationalen Investoren, Strategischer Ausrichtung, Kontakten zu Partnern, anderen Firmen und Kunden.

Über das Jahr hinweg veranstalten wir Events in ganz Europa, bei denen wir die Firmen und unseren Mentorenkreis zusammen bringen und den Austausch von Wissen und Feedback fördern. Die StartUps, die wir dabei entdecken und für vielversprechend halten, laden wir nach London ein und investieren.

Gib uns doch mal ein paar Eckdaten zu euch: Größe, Größe des Fonds, Schwerpunkt, Stage, Investments…

Wir haben vor kurzem das First-Closing unseres zweiten Fonds über drei Millionen Euro verkündet. Wir haben Investoren aus ganz Europa, wobei wir uns auf Investoren konzentrieren, die in ihren eigenen Märkten zu den aktivsten Early-Stage-Playern gehören. Da diese Investoren oft StartUps aus dem Seedcamp-Umfeld und -Portfolio finanzieren, klappt diese Zusammenarbeit perfekt.

Wir investieren in Software- und Internet-Firmen, die international ausgerichtet und skalierbar sind. Ein Blick in unser Portfolio zeigt dabei, dass wir uns nicht auf spezielle Sektoren innerhalb dieser Grenzen festlegen. Wichtig ist uns außerdem, dass wir mit unserem Netzwerk Mehrwert bieten können und somit neben dem Geld einen weiteren Mehrwert schaffen.

Wie viel investiert ihr und wie viele Anteile müssen Gründer dafür an euch abtreten? „Das ist eine individuelle Sache“ zählt als Antwort übrigens nicht :-).

Wir investieren 50.000 Euro und beteiligen uns dafür mit acht bis zehn Prozent an der Firma.

Was begeistert Dich am Job als VC?

Man ist von Gründern umgeben, die die smartesten und ambitioniertesten Zeitgenossen sind, die man treffen kann. In der Szene gibt es einen unglaublichen Zusammenhalt, und die Arbeit macht einfach Spaß.

Meine persönlichen Interessen sind den Aufgaben und Inhalten meiner Arbeit sehr nahe, also kann ich mir nichts Besseres vorstellen. Außerdem bin ich ein Riesen-Nerd und liebe es ,neue Sachen zu probieren. Was gibt es da Besseres?

Berichte mal von Deiner schlimmsten und Deiner besten unternehmerischen Erfahrung.

Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Wenn man ein Team sieht, dass sich mit seiner Idee verwirklichen kann, egal wie hart und anstrengend es ist, und eine Firma aus einer einfachen Idee entsteht. All die schlechten Erfahrungen auf dem Weg sind ein Teil davon und machen den Erfolg am Schluss noch schöner.

Genauso ist es natürlich frustrierend, wenn aus scheinbar „unfairen“ und unlogischen Gründen etwas schiefgeht und damit viel zerstört wird. Insgesamt bin ich aber Optimist und davon überzeugt, dass jeder Rückschlag einen Grund hat, den man beim nächsten Mal vermeiden kann. Von Erfolg kann man meist nicht viel lernen.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?

Eine gute Idee kann nur von einem guten Team kommen.

Gibt es das ideale Gründerteam?

Ja. Es braucht einen Kreativen, einen „Builder“ und einen Geschäftsmann. Das müssen aber keine drei Personen sein, sondern es ist absolut üblich, dass sich zwei oder mehrere Ebenen überschneiden. Personen, die alle drei Qualitäten auf sich vereinen, sind extrem selten, aber natürlich ideal.

Alle drei Disziplinen müssen sich gegenseitig respektieren und verstehen, sonst gerät die Firma unweigerlich in Schieflage. Gründerteams, die nicht alle diese auf sich vereinen, können das Team natürlich erweitern, sollten aber auch in dem Fall nicht das Zusammenspiel der drei vernachlässigen.

Was muss ein Gründer machen, um bei euch eine Finanzierung zu bekommen? Welches sind die bedeutendsten Kriterien bei StartUps für Dich?

Er muss sich für eines unserer Events bewerben. Es ist dabei sinnvoll, sich viel Zeit und Sorgfalt zu nehmen, um das Team, das Produkt und das Umfeld zu erklären. Zu jedem Seedcamp werden 20 Teams eingeladen und alleine das ist für jeden Gründer schon ein riesiger Mehrwert. Wir sind im April wieder in Berlin, sehen aber sehr gerne auch Teams, die sich über Grenzen hinweg bewegen – schließlich erwarten wir das sowieso.

Wir haben drei Seedcamps im Jahr, die von Investment-Interviews begleitet werden (für 2011: London im Januar, New York im Juni und noch einmal im Herbst in London). Dort entscheiden wir dann im Team und mit unserem Investment-Komitee (unseren Investoren), welche Teams wir an Bord nehmen.

Und wir entscheiden uns schnell. Wichtigste Kriterien sind neben offensichtlicher wie ökonomischer Logik und Marktsituation das Team, das Produkt und die internationale Skalierungsfähigkeit.

Was ist wichtiger – Profitabilität oder Wachstum?

Da profitables Wachstum ab Start meist unmöglich ist (bzw. natürlich kein Kapital benötigt): Erst Wachstum, dann Profitabilität. Wenn Produkt und Markt zusammen passen, muss man schnell skalieren. Das ist die Grundfeste von Venture-Capital und Unternehmen, die Venture-Capital suchen sollten.

Welches sind die Top 3 Kardinalsfehler von StartUps in Deutschland?

Aus eigener Erfahrung und natürlich insbesondere mit Seedcamp im Hintergrund ist das ganz klar die stiefmütterliche Behandlung des Europäischen und internationalen Auslands. Gleichzeitig ist das in Deutschland einfach zu verstehen, da der lokale Markt groß genug ist, um eine erfolgreiche Firma aufzubauen. Nach zwei bis drei Jahren StartUp-Phase ist es aber beinahe unmöglich, noch einmal mit gleicher Energie und von vorne im Ausland anzufangen, vor allem, weil sich der Markt in dieser Zeit natürlich auch weiter entwickelt. US Firmen haben es da ironischerweise leichter, da die meisten Märkte 18 bis 24 Monate hinterher sind, was Internetnutzung und Adaption neuer Services angeht.

Die Bemängelung wenig innovativer Investoren ist ein Steckenpferd, das allerdings überall auf der Welt gleich gerne bemüht wird. Wenn man das gleiche Argument von Gründern zum Beispiel in der Ukraine, Polen, Deutschland, England und den USA hört (eigene Erfahrung und meiner Meinung nach progressiv besser mit Kapital versorgt), dann muss es an den Erwartungen liegen, denen die Marktsituation nicht gerecht wird. Das ist nachteilig, aber Fakt, also muss man aus dem Gegebenen das Beste machen.

Als drittes würde ich die stiefmütterliche Behandlung von Technologie, Produkt, und User-Experience nennen. „Ich brauch nur noch einen Techie (!), der mir das umsetzt“ hört man einfach zu oft und StartUps werden oft eher als Medien- denn als Technologie-Unternehmen verstanden. Dass das ausgerechnet in Deutschland so passiert, ist wirklich ironisch.

USA vs. EU – hinken wir Amerika in Sachen VC und Entrepreneurship hinterher?

Ja. Der Markt ist weiter, Investoren und Gründer besser informiert und vernetzt und die Zielgruppe größer und besser „educated“. Das einzige was da bleibt, ist sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren und vor Ort zu arbeiten, was das Zeug hält, um langsam, aber sicher aufzuholen.

Welche Themen sind für Dich derzeit hot?

Mobile ist endlich da. Online-Offline ist ein Thema, das immer besser umgesetzt wird, wobei sich StartUps auf die Nischen konzentrieren müssen, die nicht von den Big-Boys wie Google und Groupon angegangen werden. Mit dem Social-Graph aus bestehenden Netzwerken und Technologien können StartUps direkt loslegen, ohne das endlose Spiel von Katz und Maus zu spielen. Big-Data in allen Bereichen wird immer wichtiger, und erlaubt noch viel Innovation. Die Software-isierung von klassischen Technologien wird fortschreiten, und alles geht in die Cloud.

Wie stehst du zu Copycats?

Finde ich meist enttäuschend und wenig kreativ (benutzt wenigstens eine andere Farbe), ist aber ein Weg, Geld zu verdienen. Das Spiel funktioniert meist nur in „isolated Pockets“, und die Kopien sind nie so gut wie das Original. Bei Seedcamp finanzieren wir keine klaren Copycats.

Auf welchen StartUp-Events kann man euch treffen und welche Blogs/Zeitungen kannst du empfehlen?

Auf allen Seedcamp-Events, auf größeren Tech-Events in ganz Europa, bei fast allen in London und mich auch gerne mal zwischendurch in Deutschland. Gründern kann ich die exzellenten Hacker-News von Y-Combinator empfehlen, außerdem bin ich abhängig von Quora, wo man endlos rumsurfen kann und erstaunlich viel StartUp-Wissen findet.

Philipp, danke für das Gespräch.

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