Pierre Chappaz: „Größe ist sehr wichtig“

In der französischen Startupszene ist Pierre Chappaz eine Größe, in der Online-Marketing-Branche eine Legende. 1999 war Chappaz einer der Gründer das Vergleichsportal Kelkoo, das später von Yahoo übernommen wurde. 2005 schuf Chappaz das Infoportal Wikio, um das er sukzessive immer mehr Startups scharte, unter anderem auch den Online-Vermarkter Ebuzzing. Dessen Name übernahm 2011 die gesamte Wikio-Gruppe.

Im gleichen Jahr startete in Frankreich der Video-Vermarkter Teads, den Chappaz 2014 übernahm, ihn anschließend mit Ebuzzing fusionierte und heute als sein Hauptprojekt sieht. Nach eigenen Angaben peilt Teads dieses Jahr 100 Millionen US-Dollar Umsatz an, schon jetzt hat das Unternehmen 320 Mitarbeiter, nächstes Jahr sollen es 500 werden. Aktuell größte Herausforderung: der Markteintritt in den USA. Chappaz erklärt im Interview, wo Teads derzeit steht und wie er plant, das Unternehmen noch größer zu machen.

Bei Deinem Vortrag bei der Neumacher-Konferenz in Hamburg sagtest Du: „Ob man Unternehmer ist oder nicht, das spürt man.“ Wann hast du gespürt, dass Du Unternehmer werden möchtest?

Das wusste ich sehr früh. Ich habe mein erstes Unternehmen direkt nach dem Studium gegründet. Damals habe ich Werbevideos für hochwertige Marken produziert. Es war kein großes Unternehmen, trotzdem lief es gut. Das Problem war, dass wir niemanden kannten im Markt. Wir waren sehr jung und hatten kein Netzwerk und keine Erfahrung. Das machte es sehr schwierig, zu wachsen. Als ich dann ein Angebot von Toshiba bekam, habe ich das angenommen, um zu lernen, was es heißt, auf der anderen Seite zu stehen. Ich habe zehn Jahre im Marketing-Bereich bei großen Unternehmen gearbeitet. Als ich bei IBM war, entwickelte sich gerade das Internet. Damit eröffneten sich unzählige neue Möglichkeiten. Also beschloss ich, dass es nun an der Zeit war, mein eigenes Startup zu gründen.

Würdest Du Gründern grundsätzlich empfehlen, vorher in einem größeren Unternehmen zu arbeiten?

Nein, nicht notwendigerweise. Es gibt viele sehr erfolgreiche Gründer, die nie in einem großen Unternehmen gearbeitet haben. Mir hat es allerdings sehr geholfen: Teads ist mittlerweile schon ein recht großes Unternehmen geworden. Im Moment haben wir 320 Mitarbeiter aus mehr als 20 Ländern, nächstes Jahr sollen es 500 sein. Die Erfahrung aus meiner Zeit bei IBM hilft mir bei der Unternehmensführung: Manchmal ist es sinnvoller, den Teams vor Ort mehr Verantwortung zu geben; andere Dinge müssen zentral geregelt werden, damit die Unternehmensstruktur gewahrt bleibt. Dafür muss man die Erfahrung aus einem großen Unternehmen mit Startup-Eigenschaften wie Flexibilität kombinieren. Ich versuche, von beiden Welten das Beste zu kombinieren.

Wann kam Dir die Idee, in den Markt für Video-Werbung einzusteigen?

Angefangen bei Ebuzzing haben wir 2007. Wir begannen, Video-Werbung in Blogs und sozialen Netzwerken zu vertreiben. Und wir haben eine eigene Technologie entwickelt, um zu verstehen, wie soziale Netzwerke funktionieren. Wir haben alle publizierten Inhalte, also zum Beispiel Artikel, Blogposts und Twitter-Nachrichten, indexiert. Dadurch waren wir in der Lage, in jedem Bereich die wichtigsten Personen auszumachen. Über diese Personen haben wir dann versucht, deren jeweilige Communitys zu erreichen. So wurden wir der Marktführer im Bereich Social Video Advertising.

Wie ging es dann weiter?

Im Jahr 2011 entschieden wir uns, in einen breiteren Markt hineinzugehen. Wir platzieren die Videos nun in den Artikeln von den besten 500 Medienanstalten aus aller Welt. So erreichen wir derzeit eine Reichweite von 680 Millionen Internetnutzern in 60 verschiedenen Ländern.

Wie hat sich durch Eure Arbeit die Werbebranche verändert?

Am Anfang war die Branche sehr konservativ. Sie haben einfach das Fernsehmodell genommen und es ins Internet übertragen. Bevor man ein Video anschauen wollte, musste man daher immer erst verschiedene Anzeigen anschauen. Aber das ist kein gutes Modell, weil die Nutzer nicht zu etwas gezwungen werden wollen. Unsere Anzeigen dagegen respektieren den Nutzer: Er kann sich die Anzeige anschauen, wenn es ihn interessiert. Außerdem haben wir auch ein neues Geschäftsmodell entwickelt: Unsere Werbekunden zahlen nur, wenn der Internetnutzer eine Anzeige auch wirklich anschaut.

Was macht Dein Unternehmen erfolgreich: die Idee oder das Geschäftsmodell?

Ich denke, es ist vor allem wichtig, dass ein Unternehmen eine Lösung für ein Marktproblem liefert. Man muss das Problem finden, das man lösen will, und so einen wahren Mehrwert schaffen. So entsteht ein Großteil des Erfolgs. Das Geschäftsmodell muss aber natürlich auch stimmen. Dazu kommt dann noch die Ausführung: Management, Personal, Finanzierung, Qualität des Produkts – alles muss perfekt sein. Ich treibe mein Team sehr stark an, damit alle versuchen, die höchsten Standards zu erreichen. Ein Produkt lässt sich nur erfolgreich vermarkten, wenn die Details stimmen.

Welche weiteren Faktoren führen zum Erfolg?

Wenn man der Gewinner in einem globalen Markt sein will, ist Größe sehr wichtig. Ich habe immer versucht, nicht nur durch internes Wachstum einen Markt zu erobern, sondern immer auch durch Übernahmen und Zusammenschlüsse mit anderen Unternehmen. Dafür haben wir uns Unternehmen gesucht, die entweder eine Technologie hatten, die wir nicht besaßen, oder Unternehmen, die in einem anderen Markt aktiv waren. In jedem Markt gibt es kleine lokale Player und es gibt die big guys. Ich wollte immer ein big guy sein. Bei Kelkoo habe ich noch an Europa gedacht, bei Teads geht es nun um ein globales Unternehmen.

Was ist Eure größte Herausforderung im Moment?

Unsere derzeit größte Herausforderung ist es, in den USA zu wachsen. Vor einem Jahr haben wir dort angefangen. Wir hatten einen erfolgreichen Start, aber es ist ein riesiger Markt und wir möchten einen großen Anteil daran bedienen. Der amerikanische Markt für Videowerbung ist drei Mal so groß wie der gesamte europäische Markt. Das Schwierigste für uns ist es, schnell genug gute Leute zu bekommen. Wir wollen nur die besten Mitarbeiter einstellen. Aber wir sind noch nicht so bekannt im Markt und der Wettbewerb ist sehr hart.

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