Wie sollten Startups mit Journalisten umgehen? In etwa so wie Bagger-Könige in Bars mit einer gefragten Frau. Wie genau das in den unterschiedlichen Phasen der Beziehungsbildung aussieht, erkläre ich in meiner dieswöchigen Kolumne.

Pressearbeit

Über Pressearbeit und Dating

Schon häufiger wurde ich gefragt, wie denn am besten mit Journalisten umzugehen sei, und meistens konnte ich mich bisher um eine Antwort stehlen. Auf einem Panel des Media Entrepreneurs Day von Axel Springer konnte ich nun nicht mehr flüchten. Nora hat bei uns ja auch schon beschrieben, wie Journalisten sich in Startups verlieben. Nach einem Gespräch mit Jörg Rheinboldt und Aljoscha Kaplan habe ich auf besagtem Event nun ein Modell entwickelt, dass die Pressearbeit mit dem Dating vergleicht – inklusive Kennenlernphase, Verführung und Beziehung.

Pressearbeit Kennenlernen

Baggerei: Permanent angesprochen

Die Annäherungsphase mit einem Journalisten gleicht ein bisschen einem Flirt in einer Bar: Ähnlich einer gut aussehenden Frau, die sich oft unzähligen Avancen erwehren muss, werden auch Journalisten häufig angesprochen – und das auf mehreren Kanälen. Von plumper Baggerei über abgeschmackte Komplimente bis hin zu Geschwafel ist praktisch alles dabei. Journalisten haben deshalb nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, und so wie Frauen in der Bar auf den Richtigen warten, suchen wir nach einer guten Story.

Wir sind also offen, aber auf die Haltung und die Eignung des Präsentierten kommt es an. Viele Vertreter meiner Zunft (auch ich manchmal) weisen ein gewisses Ego auf oder sagen wir mal, ein Selbstbewusstsein bezüglich dessen, was sich gehört.

Initiative: Musst Du kommen, läuft was schief

Ist ein Unternehmen gezwungen, einen Journalisten anzusprechen, läuft streng genommen schon etwas schief. Wenn eine Frau in einer Bar einen attraktiven Mann ausmacht, kommt sie womöglich von selbst auf ihn zu – je nachdem, wie interessant sie ihn findet und was die Situation hergibt. Und genauso, wie es in der menschlichen Balz bestimmte Alphamerkmale gibt, die für Attraktivität sorgen, gibt es diese auch in der Pressearbeit.

Umfangreiche Finanzierungen, große Namen oder brisante Entwicklungen zählen etwa zu den Alphamerkmalen einer Story. Wenn ein Unternehmen ein heißes Eisen im Feuer hat, warum klopfen dann Journalisten nicht schon von selbst an? Ein Grund kann die stete Überlastung der Journalistenzunft sein, womöglich hängt es aber auch mit dem eigenen Inhalt zusammen. Wie sich dies einschätzen lässt und was sich für Optionen zur Kontaktaufnahme bieten, erklärt das Folgende.

Pressearbeit überzeugen

Selbstbild: Eine realistische Selbsteinschätzung

Wenn ich ein Unternehmen führe, dass etwas Vielversprechendes bearbeitet, melden sich Journalisten oft ganz von selbst. Wie oben schon skizziert, lohnt es sich also, das eigene Paket zu hinterfragen: Bietet man ein Sixpack und Muckis wie Adonis oder eher einen Waschbärbauch und den Abwechslungsreichtum von Grillenzirpen?

Ganz so oberflächlich geht es in der Journalistenzunft nicht zu, dennoch beobachte ich öfter, dass Startups ihren Newswert überschätzen und unweigerlich unpassend auftreten. Das macht sich entweder in der Anspruchshaltung bemerkbar, dass der eigene Relaunch als ganzseitiger Aufmacher feilgeboten oder aber bei Ablehnung wütend reagiert wird.

Ablehnung: Ein Nein sportlich nehmen

Kennt ihr diese Typen, die nach einem Korb mit einer Frau anfangen zu diskutieren, woran es denn läge und dass sie doch eigentlich ganz toll sind und zum Gegenüber passen? Ähnlich guten Ausgang nehmen solche Nachverhandlungen bei Journalisten. Es gibt zwei No-gos bei Ablehnungen: Wütend reagieren und rumfeilschen. Beides führt zu nichts und produziert auf allen Seiten nur schlechte Gefühle.

Wer das Ganze stattdessen mit Humor nimmt, sich bedankt und bei Interesse weitere Kontaktmöglichkeiten anbietet, fährt immer besser. Und ansonsten gilt wie bei der Balz auch: Flirte erfolgreich jemand anderen an, dann überlegt sich Dein Gegenüber das nächste Mal genau, ob es Dich abblitzen lässt.

Netzwerk: Verkuppeln ist besser als Anmachen

Mit Journalisten und ihren Storys verhält es sich ähnlich wie bei Investoren und ihren Investments: Öffentlich wird es kein Investor zugeben, aber der beste und praktisch einzige Deal-Flow (das Finden und Bewerten von Deals) kommt über das eigene Netzwerk. Des öfteren wurde mir bereits erzählt, dass dort 95 Prozent aller Mailanfragen gelinde gesagt Nonsens sind. Bei Journalisten verhält es sich mit dem „Story-Flow“ nicht ganz so krass, doch auch hier gilt, dass ein „Verkuppler“, also ein gemeinsamer Kontakt, so manche Tür öffnen kann, zumal er praktisch für die Qualität des Inhalts bürgt.

Speed-Dating: Auf den Punkt erklären

Wie heutzutage wohl fast jeder Arbeitnehmer haben Journalisten keine Zeit. Ein Kennenlernen mit ihnen ist also wie Speed-Dating: Es bleibt nur wenig Zeit, um mit interessanten Eigenschaften zu überzeugen. Lange Schwafel-Mails sollten also ebenso vermieden werde, wie kryptische Beschreibungen. Und wählt einen Kanal, den der Journalist am ehesten nutzt: Xing-Nachrichten werden meist unregelmäßig gelesen, Facebook ist zu privat und Anrufe ziehen aus der Arbeit. Mails ziehen deshalb wohl am besten – besonders, wenn ein gemeinsamer Kontakt diese initiiert.

Charme: Komplimente helfen immer

Dieser Punkt ist praktisch selbsterklärend: Auch Journalisten haben ein gewisses Ego und reagieren deshalb positiv auf nette Worte. Wie beim Flirten gilt aber: Es gibt solche und solche Komplimente. „Ich finde ihr Magazin sehr gut, es zählt zu meiner regelmäßigen Lektüre“ bekommt praktisch jeder Journalist täglich zu hören.

Dass sein letzter Artikel zur deutschen Gamingbranche aber genau ins Schwarze getroffen hat und spannende Anknüpfungspunkte zur Systemtheorie von Niklas Luhmann bietet, vielleicht eher nicht. Einfallsreiche und kontextbezogene Komplimente gepaart mit einer gewissen Kürze können also wichtige Verbündete sein, um zumindest die Aufmerksamkeit eines Journalisten zu erlangen.

Peacocking: Vom Entlein zum Pfau

Machen wir uns nichts vor: So wie es in der Männerwelt Typen gibt, die alle Frauen abbekommen, gibt es auch in der Presse Unternehmen, die übermäßig viel Aufmerksamkeit erhalten. Und mancher mag fragen: „Was finden die an dem?“ Wir hatten ja oben bereits den Punkt, dass eine realistische Selbsteinschätzung zentral ist und mancher Akteur eben nicht jene Alpha-Merkmale mitbringt, die es braucht.

Für diese Akteure gilt, dass sie sich interessanter machen müssen – vom vermeintlich hässlichen Entlein zum Pfau werden, der die Blicke auf sich zieht. Ein paar Beispiele für Aufmerksamkeit mit geringem Aufwand: Juvalias Videodreh mit Musik von Carly Rae Jepsen, Klashs Pitch im Borat-Look, Amens Poster-Bepflasterung von Berlin, oder Busuus Musikvideo zum Sprachenlernen.

Naggen: Vom hohen Ross zerren

Wie aufgetakelte Schönheiten in einer Bar, die ständig angesprochen werden, haben natürlich auch Journalisten ein gewisses Selbstverständnis (und manchmal auch ein entsprechendes Ego). Gezieltes „Nagging“, also der Versuch, durch kritische Anmerkungen das Ego einer Person wieder einzufangen, kann auch bei Journalisten helfen, den „Bitch-Shield“, den sich mancher vielleicht aufgebaut hat, zu durchbrechen. Der Grat ist hier aber sicher schmal, ehe ihr also anfangt zu pöbeln, wählt eure Worte weise. So viel zum Thema Pick-Up Artists :-).

Pressearbeit Beziehungen

Ehrlichkeit: Die Basis jeder Beziehung

Wie in jeder Beziehung gilt auch beim Austausch mit Journalisten, dass Ehrlichkeit einen der Grundpfeiler bildet. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“, sagt der Volksmund und ähnlich verhält es sich im Austausch mit der Presse. Oftmals werden durchaus sensible Themen mit Journalisten besprochen und wer sich hier Erde verbrennt, tut sich auf lange Sicht sicher keinen Gefallen. Auch bei unangenehmen Themen empfiehlt sich deshalb ein offener und ehrlicher Umgang,

Vertrauen: Der Klassiker

Da es im Austausch mit Journalisten nicht immer um angenehme Themen geht, ist auf Dauer ein gewisses Vertrauen unter den Akteuren unumgänglich – auf beiden Seiten. Das Gegenüber muss sich darauf verlassen können, dass Absprachen eingehalten werden und relevante Aspekte ebenso abgestimmt werden, wie die eigene Erwartungshaltung. Schließlich geht es teilweise wirklich um Existenzen. Einem Journalisten mit Vertrauen zu begegnen ist also ein wichtiger Schritt, der meist aber eine längere Beziehung voraussetzt.

Treue: Gehe nicht mit anderen ins Bett

Ja, das ist ernst gemeint. Für Journalisten ist das Rennen um eine Story oft ein Rennen um Exklusivität. Wer zuerst über etwas berichtet, bekommt die meiste Aufmerksamkeit und die meisten Backlinks. Deshalb kommen schnell Befindlichkeiten ins Spiel, wenn ein Journalist eine Story als exklusiv verkauft bekommt und wenig später beim eigenen Wettbewerber wiederfindet.

Es ist ein Balanceakt, den Newshunger von Journalisten ausgewogen zufrieden zu stellen, aber auch hier löst am Ende Ehrlichkeit das Problem. Wer eine offene Beziehung führen will, sollte darüber sprechen, jenseits dessen empfiehlt sich eine gewisse Treue, soll eine langfristige Beziehung entstehen.

Respekt: Noch ein Klassiker

Journalisten haben Regeln, Prozesse und ein gewisses Selbstverständnis. Wer dies nicht akzeptieren und respektieren kann, wird es im Umgang mit der Presse wohl schwer haben. Darum empfiehlt es sich, nachzufragen, was die Bedürfnisse, Erwartungen und Umstände eines Journalisten bei der Arbeit sind und diese zu respektieren, so gut es geht.

Empathie: Ins Gegenüber versetzen

Dieser Punkt geht Hand in Hand mit dem Obigen: Es liegt nahe, auf die eigenen Ziele bedacht zu sein. Sich mit Empathie ins journalistische Gegenüber zu versetzen, schadet dennoch nie. Fragen wie „Wie viel Vorlauf braucht Joel wohl für einen Artikel?“, „Ist er wohl sauer, wenn ich die gleiche Story seinem Wettbewerber stecke?“ oder „Welche unserer Investoren würde Joel bei einer Pressekonferenz wohl gerne interviewen?“ könnten manchmal viel Zeit und Aufwand sparen.

Gelassenheit: Nehmt es mit Humor

Nach meinem Gefühl nehmen sich viele der Startups, über die wir schreiben, zu ernst und überschätzen deshalb oft ihre Bedeutung. Kritisches mit Humor zu nehmen und über sich selbst zu lachen, sind mir deshalb sympathische Eigenschaften, die sich auch positiv auf die journalistische Zusammenarbeit niederschlagen.

Gemeinsamkeiten: Überschneidende Interessen helfen

„Gegensätze ziehen sich an“ – ja, ja, am Ende des Tages bedarf es meiner Meinung nach aber immer einer gewissen Schnittmenge, um eine Beziehung zu entwickeln. Wer also gute Beziehungen zu Journalisten aufbauen möchte, sollte nach Gemeinsamkeiten suchen.

Liebe: Sich riechen können ist wichtig

Ein vielleicht überraschender aber essenzieller Punkt: Auch Journalisten sind Menschen, und zwischen Menschen herrscht halt immer eine gewisse Chemie. Sympathie und Antipathie mögen nicht über das Für und Wider einer Story entscheiden, sind wohl aber eine Stellschraube für den Austausch mit der Presse. Wer merkt, dass er mit einem Journalisten nicht gut auskommt, tut also gut daran, an den eigenen Social-Skills zu arbeiten oder einen anderen Kontakt im Unternehmen zu benennen.

Streit: Die Feuerprobe für jede Beziehung

Richtig streiten zu können, zählt für mich zu den Grundpfeilern einer guten Beziehung. Ist es möglich, sich von Herzen zu streiten, ohne dass es ausfallend wird und hinterher alles in Scherben liegt, kann einen praktisch nichts mehr schocken. Mit Journalisten ist es fast vorprogrammiert, dass es früher oder später mal Streit gibt, weil diese auch über negative Entwicklungen berichten – und das sogar mit großer Bereitschaft, weil es meist viele Klicks gibt. Auch wenn einem die eigene Berichterstattung einmal nicht passt, empfiehlt es, die Stärke einer Beziehung zu zeigen, indem man es mit Fassung, vielleicht sogar einem gewissen Humor nimmt.

Bildmaterial: Margit Völtz,  Lupo, Matthias Sylupp, Rainer Sturm, Alexander Hauk / www.alexander-hauk.de / pixelio.de