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Schlaganfälle sind eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Eine nicht erkannte und unbehandelte Herzrhythmusstörung ist nicht selten der Auslöser dafür. Schlägt ein Herz aber nur für kurze Zeit unregelmäßig, ist es für den Laien kaum feststellbar, ob es sich um eine harmlose kurzzeitige Abweichung handelt oder um die Anzeichen einer ernsten Erkrankung.

Preventicus aus Jena hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Unterscheidung zu erleichtern – per App. Die Anwendung erlaubt dem Nutzer, allein mithilfe seiner Smartphone-Kamera und dem integrierten Kamerablitz seinen Puls zu messen und eine eventuelle Herzrhythmusstörung erkennen zu können. Die App mit dem Namen Heartbeats soll annähernd so genau sein wie ein aufwendiges Elektrokardiogramm (EKG). In einer klinischen Studie der Universität Basel sei eine sehr gute Erkennungsgenauigkeit bei einer fünfminütigen Messdauer nachgewiesen worden, wirbt das Startup.

Die Idee zu Heartbeats hatte der Medizintechniker Thomas Hübner. Inspiriert hätten ihn die ersten Smartphone-Apps, die den Puls messen konnten, erzählt er. Vor drei Jahren begann er, eine erste App für die Erfassung von Studiendaten zu entwickeln. Die heutige App ist eine andere, der Algorithmus, der die Daten auswertet, ist jedoch der gleiche geblieben. Hübner hat Erfahrung in dem Bereich: Schon vor Preventicus hat er Messgeräte zur Erfassung, Analyse und Auswertung von sogenannten Biosignalen entwickelt, Schwerpunkt: Kardiologie. 

Mit Smartphone-Kamera und Blitz zur Herzrhythmusanalyse

Die App bietet, so Hübner, einen ernstzunehmenden medizinischen Nutzen – das ist dem Gründer wichtig. „Die App-Stores sind voll von funny Health-App-Gadgets. Wir machen richtige Medizin, auch wenn eine Smartphone-App zunächst nicht so wirkt.“

Heartbeats sei „in jedem Fall der geregelten Welt der Medizinprodukte zuzurechnen“, betont Hübner. Das Startup gibt sich alle Mühe, das unter Beweis zu stellen. So ist die Anwendung CE-zertifiziert, also entspricht der Vorgaben, die an ein Medizinprodukt dieser Art gestellt werden, und besitzt einen eigenen wissenschaftlichen Beirat. 

Das Handling der App ist denkbar einfach: Man legt seinen Arm auf die Tischplatte und platziert die Smartphone-Kamera über den kleinen Finger. Dann kann mit einem kurzen Tippen auf das Startsymbol in der App die Messung beginnen. In der kostenlosen Version dauert die Messung nur eine Minute. In der Premiumversion geht sie fünf Minuten, ist aber dafür auch deutlich genauer.

Die App ermittelt die Pulsfrequenz, indem durch den Kamerablitz der Finger durchleuchtet und von der Kamera der Puls analysiert wird. „Es ist genauso wie wenn man im Dunkeln den Blutpuls erkennen kann, wenn man seinen Finger vor eine Lampe hält und aufmerksam hinsieht“, so Hübner.

Wie schätzen Experten die App ein? Heribert Brück vom Bundesverband niedergelassener Kardiologen sagt, sie sei in bestimmten Fällen hilfreich: „Wenn der Patient die Phasen des unregelmäßigen Pulses erkennt und genau dann den Rhythmus mit der App analysiert, kann damit eventuell ein bis dahin nicht dokumentiertes Vorhofflimmern erkannt werden.“

Er sehe „den Nutzen eher darin, bei Patienten, die über ein gelegentliches Herzstolpern klagen, zu unterscheiden, ob es sich wahrscheinlich um ein Vorhofflimmern handelt oder um andere Rhythmusstörungen“, so Brück.

Finanzierung vom HTGF

Heartbeats ist vor allem für Nutzer gedacht, denen schon einmal Unregelmäßigkeiten bei ihrem eigenen Herzschlag aufgefallen sind. Oft treten die nämlich nur gelegentlich auf. Wer dann zum Arzt geht, und das Herz wieder ganz normal schlägt, hat Pech gehabt. Wer allerdings über die Heartbeats-App verfügt, kann, so die Idee, bei einer Unregelmäßigkeit selbst messen – und die Wert dann dem Arzt zur Verfügung stellen.

Das Startup empfiehlt, einen Monat lang einmal täglich oder ein Quartal lang alle drei Tage sowie bei spürbarem Herzstolpern die App einzusetzen. Die App generiert anschließend eine PDF-Datei, die der Arzt einsehen kann.

Die ersten eineinhalb Jahre hat Hübner das Startup selbst finanziert, inzwischen sind Investoren eingestiegen: Unter anderem haben der High-Tech Gründerfonds, Born2Grow und Cascara Ventures investiert.

Preventicus setzt für sein Geschäftsmodell auf eine Zusammenarbeit mit Krankenkassen – und auf den Verkauf der App. Hübner vergleicht seine Geschäftsidee mit der Einführung des Blutdruckmessgeräts. Vor 20 Jahren seien die ersten Geräte für die Heimanwendung an Endkunden verkauft worden, heute gebe es sie in jedem dritten Haushalt. So ein Gerät kostet gut und gerne 30 Euro. „Das, was bisher der Arzt mit dem EKG in der Praxis macht, kann in Teilen Heartbeats in der Heimanwendung per Smartphone leisten“, sagt Hübner.

Alternativen gibt es allerdings schon – nur sind sie meist aufwendiger als die Lösung, die Preventicus mit Heartbeats entwickelt hat. Kardiologe Heribert Brück erklärt: „Es gibt Ereignisrekorder in der Form einer Scheckkarte, die ein ,richtiges´ EKG aufzeichnen und es per Internet an den Kardiologen schicken und es gibt Smartphone-basierte EKG, die jedoch Kabel erfordern.“

Die Vollversion von Heartbeats kostet im Jahr knapp 25 Euro. Zum Vergleich: Ein Smartphone-basiertes EKG von CardioSecure kostet knapp fünf Euro im Monat. Dazu kommen die Anschaffungskosten der dafür notwendigen Kabel in Höhe von knapp 100 Euro.

Bild: Preventicus