Die Privalino-Gründer Patrick Schneider, Dr. Nicolai Erbs und Kolja Lubitz (v.l.)
Die Privalino-Gründer Patrick Schneider, Dr. Nicolai Erbs und Kolja Lubitz (v.l.)

Dass Dritte private Chatverläufe mitlesen, klingt nach Datenklau und dem Eingriff in die Privatsphäre. Das Messenger-Startup Privalino wirbt trotzdem genau damit: „Privalino liest die gesamte Kommunikation des Kindes mit“, heißt es auf der Website des Unternehmens.

Dieser Beitrag erschien bereits am 10. Januar 2018. Da Privalino bei der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ teilnimmt, veröffentlichen wir ihn hier erneut.

Hinter dem Slogan steckt eine Idee dreier Gründer aus Duisburg. Nicolai Erbs, Kolja Lubitz und Patrick Schneider haben ihren Messenger für Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren entwickelt, um sie vor Gefahren aus dem Internet zu schützen. „Hauptsächlich wollen wir gegen Cybergrooming vorgehen“, erklärt Schneider. Dieser Begriff bezeichnet sexuelle Belästigung von Kindern im Netz. 

Diese sei in Online-Chats oder auf Gaming-Seiten keine Seltenheit, sagt Schneider: „Erwachsene Personen schreiben Kinder an und fordern sie auf, Videos oder Fotos zu schicken. Oder sie schicken selbst anzügliche Bilder.“ Er habe das selbst getestet und einen Fake-Account beim Chat-Portal Knuddels angelegt, in dem er angab, ein Kind zu sein. „50 Prozent der Nachrichten, die ich bekommen habe, waren Kanalwechselanfragen“, sagt er. Die Gesprächspartner hätten das Gespräch mit dem vermeintlichen Kind also dahin verlegen wollen, wo Videochats möglich sind, etwa zu Skype oder WhatsApp. 

Nutzt ein Kind Privalino anstelle der üblichen Messenger, soll der Kontaktversuch des Erwachsenen scheitern. „Der Algorithmus erkennt anhand des Schreibstils, ob eine Person erwachsen ist“, erklärt Schneider. Es werde etwa auf Rechtschreibung, Grammatik, die Häufigkeit gestellter Fragen und die Benutzung von Pronomen geachtet. Den Algorithmus auszutricksen, indem man seinen Schreibstil an den von Kindern anpasst, sei „ziemlich schwierig“, so Schneider.

Und wie sieht es mit Datenschutz aus? 

Entdeckt die Software einen Erwachsenen, spielt sie einen Alarm an die Privalino-Mitarbeiter aus. Die schauen sich den Chatverlauf an und senden dem Kind im Zweifelsfall eine Nachricht mit der Frage „Kennst du diese Person?“. Verneint es, wird die vermeintlich erwachsene Person blockiert. In zukünftigen Versionen des Messengers sollen auch die Eltern des Kindes eine solche Warnungsnachricht erhalten. Eine weitere Funktion ist ein Schimpfwortblocker, der gegen Mobbing helfen soll, zudem ist es nicht möglich, Bilder und Videos zu versenden. „Später sollen Eltern auswählen können, mit wem ihre Kinder Bilder austauschen dürfen“, sagt Schneider. Auf der Kooperation mit Eltern basiert auch der kürzlich erschienene Kids-Messenger von Facebook: Dabei können Kinder über die Accounts ihrer Eltern mit ausgewählten Kontakten schreiben oder per Videochat kommunizieren.

„Natürlich sagen viele Leute, wir würden in die Rechte der Kinder eingreifen“, gibt Schneider zu. Seiner Meinung nach muss das zum Schutz der Kinder aber passieren. Der Datenschutz trete in solch jungem Alter in den Hintergrund. „Außerdem lesen unsere Mitarbeiter die Texte nur, wenn der Alarm ausgelöst wird“, fügt er hinzu. Die Realnamen der Privalino-Nutzer würden dabei nicht angezeigt, lediglich eine Nutzer-ID sei zu sehen.

Privalino soll Standard-Messenger für Kinder werden 

Seit März 2016 arbeiten Schneider und seine Kollegen an Privalino. Bisher konnten sich die Gründer mit dem Exist Gründerstipendium finanzieren. „Für die Zeit danach konnten wir bereits ein Investment an Land ziehen“, sagt Schneider – nähere Details gibt er nicht preis. Derzeit ist der Messenger kostenlos erhältlich. „Für die Zukunft stellen wir uns das Geschäftsmodell so vor, dass die Elternintegration entweder einmal oder monatlich Geld kostet“, so der Gründer.

Bis Ende 2018 soll sich Privalino an Schulen in Hessen etabliert haben. In diesem Bundesland hätten Schüler einer dritten Grundschulklasse den Messenger kürzlich getestet und bereits weiterempfohlen, sagt Schneider. 67 Nutzer habe Privalino jetzt, ein Alarm sei bisher noch nicht ausgelöst worden. Das Ziel der Gründer: Privalino soll einmal der Standard-Messenger auf dem ersten Smartphone eines Kindes sein.

Bild: Privalino