Ein Beitrag von Christian Rissmann, Rechtsanwalt spezialisiert auf Insolvenzrecht und Geschäftsführerhaftung.

Wer gründet, ist mutig – und geht zwangsläufig ein Risiko ein. Denn eine Gründung ist automatisch mit erheblichen Verbindlichkeiten verbunden, irgendwoher muss das Geld für die Produktentwicklung, Personal und Miete schließlich kommen. Laut Deutschem Startup Monitor finanzieren sich die meisten Gründer zunächst selbst. Einige nehmen Darlehen bei Familie oder Freunden auf, andere finanzieren sich über klassische Bankkredite. So zum Beispiel die Brüder Wawrzinek, Gründer des Hamburger Spiele-Unternehmens Goodgame Studios. Mit einem Sparkassen-Kredit über 500.000 Euro starteten die beiden 2009 ihr Gaming-Startup. Auch die drei Gründer des erfolgreichen Sociomantic holten sich das Kapital für ihre Online-Werbevermarktung über einen Bankkredit, auf eigenes Risiko.

Doch was passiert, wenn die Geschäftsidee scheitert?

Dann können Gründer schnell selbst hoch verschuldet sein. Eine endgültige Befreiung natürlicher Personen von diesen Schulden hat der Gesetzgeber mit der Etablierung der Insolvenzordnung durch das Insolvenzverfahren geschaffen (§ 1 Satz 2 InsO). Dann wurde 1999 in die Insolvenzordnung die sogenannte Verbraucherinsolvenz – umgangssprachlich Privatinsolvenz – eingeführt. Ob einen Gründer diese Form der Insolvenz betreffen kann, hängt entscheidend von der Rechtsform seines Startups ab.

Bei der persönlichen Haftung, beispielsweise bei einer GbR, sind die Schulden des Unternehmens auch immer eigene Schulden. Bei haftungsbeschränkten Gesellschaften (UG, GmbH, AG) haftet zunächst die Gesellschaft für ihre Schulden. Trotzdem zieht das Scheitern einer haftungsbeschränkten Gesellschaft oft eine Privatinsolvenz der Gesellschafter und Geschäftsführer nach sich. Denn: Im Insolvenzfall sehen sie sich häufig hohen Haftungsansprüchen ausgesetzt.

Neben den gesetzlichen Haftungsfällen kann auch die Bürgenhaftung eine Rolle spielen: Keine vernünftige Bank wird einen Kredit an eine Kapitalgesellschaft vergeben, wenn sich nicht die Gesellschafter für die Schuld der Gesellschaft verbürgen. Gesellschafter gehen also das Risiko ein, sich zu verschulden, sollte der Hauptschulder nicht zahlen können.

Zwar sinken die Fälle, allerdings haben 2014 noch immer über 68.000 Verbraucher einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Privatvermögen gestellt.

So läuft das Verfahren ab

Der Weg, der folgt, ist lang und unbequem: Erst nach einem langjährigen Verfahren wird der Verbraucher seine Schulden wieder los. In diesem Verfahren muss sich der Schuldner bemühen, seinen Gläubigern möglichst viel der Schulden zurückzuzahlen.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren gliedert sich in fünf Stufen:

  1. Zunächst muss ein außergerichtlicher Einigungsversuch mit den Gläubigern unternommen werden.
  2. Scheitert dieser, wird das Insolvenzgericht selbst versuchen eine Einigung mit den Gläubigern zu finden.
  3. Scheitert auch der Versuch, wird ein vereinfachtes Insolvenzverfahren eröffnet. Dabei wird ein Plan zur Schuldenbereinig aufgestellt und manche Vermögenswerte des Schuldners werden veräußert, sofern sie gepfändet werden können. Die Zivilprozessordnung legt nur fest, was nicht gepfändet werden kann (§ 811 ZPO). Das soll die wirtschaftliche Existenz und eine bescheidene Lebensführung des Schuldners sichern. Darunter fallen beispielsweise ein Computer oder Fernseher.
  4. Steht der Plan, schließt sich die sogenannte Wohlverhaltensphase an. Sie dauert in der Regel sechs Jahre. Zwar ist zum 01.07.2014 eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, die die Phase auf drei Jahre verkürzen kann. Doch diese Verkürzung ist mit noch höheren Hürden verbunden, die unten noch erläutert werden.
  5. Am Ende des Weges steht die Restschuldbefreiung. Der Schuldner wird die alten Verbindlichkeiten los; neu entstandene Schulden bleiben aber bestehen.

Im Detail bedeutet das:

Die Wohlverhaltensphase

Ist das Eröffnungsverfahren abgeschlossen, beginnt also die sechsjährige Wohlverhaltensphase, die den Verbraucher von seinen Restschulden befreien soll. In dieser Phase muss der Schuldner weitreichende Pflichten einhalten, die ihn erheblich einschränken können. Man ist zudem verpflichtet, eine angemessene Tätigkeit auszuüben (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Das bedeutet, dass der Schuldner mit seiner Beschäftigung eine adäquate Bezahlung erzielen muss.

Eine selbstständige Tätigkeit ist zwar generell möglich, jedoch muss der Schuldner gemäß § 295 Abs. 2 InsO damit genug erwirtschaften: Gläubiger müssen so gestellt werden, als ginge der Schuldner einer vergleichbaren, festangestellten Tätigkeit nach. Wird der Schuldner den Anforderungen nicht gerecht, muss er sich nach der Rechtsprechung des BGH um eine angemessene Beschäftigung bemühen. Verletzt der Schuldner diese Regel, kann ihm auf Antrag eines Gläubigers die Restschuldbefreiung versagt werden – womit die Verbraucherinsolvenz sinnlos werden würde, da die Schulden bestehen blieben.

Dennoch kann es sich lohnen, das Risiko der Selbstständigkeit einzugehen. Hat der Schuldner mit seiner Erwerbstätigkeit übermäßigen Erfolg, muss er keine höheren Zahlungen leisten, als er sie bei der Erzielung eines angemessenen Verdienstes zu leisten hätte. Der Grund: Maßgeblich für den pfändbaren Teil des Einkommens ist nur das „fiktive“ Einkommen, das man mit einem vergleichbaren Angestellteneinkommen erzielen würde. Voraussetzung für die Selbstständigkeit ist außerdem die Zustimmung des Insolvenzverwalters.

Die Verkürzung des Verfahrens

Vor knapp einem Jahr hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit zur Verkürzung der Wohlverhaltensphase auf drei Jahre statt sechs in die Insolvenzordnung eingefügt. Die Verkürzung ist möglich, wenn es dem Schuldner innerhalb der ersten drei Jahre gelingt, 35 Prozent seiner Schulden und die Verfahrenskosten zu begleichen. In der Praxis zeigt sich jedoch bisher, dass diese Quote in der Regel illusorisch ist. So lag im Jahr 2013 lag die Schuldenhöhe bei Verbraucherinsolvenzen durchschnittlich bei etwa 31.500 Euro, das Vermögen eines Schuldners aber nur bei knapp 5.000 Euro.

Auswirkung auf unternehmerische Tätigkeiten

Einem Neustart in die Selbständigkeit stehen gerade während des langjährigen Verfahrens viele Hindernisse entgegen. Dabei sind die rechtlichen Einschränkungen noch relativ gering. Grundsätzlich scheidet die Berufung zum Geschäftsführer einer GmbH für eine Dauer von fünf Jahren nur dann aus, wenn man wegen Insolvenzverschleppung, Insolvenzstraftaten, Betrug, Untreue oder ähnlichen Delikten rechtskräftig verurteilt wurde (gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG).

Tatsächlich entstehen jedoch Probleme, deren Überwindung Kreativität und Durchhaltevermögen erfordert. Zunächst stellt sich die Frage nach der Finanzierbarkeit der selbständigen Tätigkeit. Grundsätzlich besteht auch in der Privatinsolvenz die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen. Die Befreiung von den alten Schulden wird dadurch nicht automatisch gefährdet. Jedoch unterliegen neuen Schulden nicht der Befreiung – sondern der Schuldner muss hierfür vollständig einstehen. Doch welche Bank vergibt unter diesen Voraussetzungen einen Kredit? Grundsätzlich rät jeder Schuldnerberater, neue Schulden zu vermeiden. Also sind Gründer da auf die Finanzierung durch private Investoren angewiesen, die entweder direkt Kapital oder zumindest Sicherheiten für einen Kredit zur Verfügung stellen.

Darüber hinaus führt eine Privatinsolvenz zu einem erheblichen Imageproblem. In Deutschland ist die Insolvenz noch immer ein Stigma, während sie beispielsweise in den USA weniger negativ behaftet ist. Insolvenzverfahren sind öffentlich und werden beim Insolvenzgericht am Wohnort des Schuldners geführt. Unter Insolvenzbekanntmachungen.de wird die Eröffnung des Verfahrens einschließlich Name, Geburtsdatum und Wohnort des Schuldners veröffentlicht – wenn auch meist mit großer Verzögerung. Ist eine Bekanntmachung erst einmal publik, erweckt sie bei Geschäftspartnern schnell einen unzuverlässigen Eindruck.

Schufa-Einträge und Einträge in anderen privaten Wirtschaftsauskunfteien gehen mit den Schulden einher. In der Schufa wird die Abgabe einer Vermögensauskunft gespeichert, also eine allumfassende Liste mit den Vermögensgegenständen des Schuldners. Außerdem gespeichert werden die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Erteilung der Restschuldbefreiung. Die Daten werden erst drei Jahre nach Erledigung gelöscht. Mittlerweile ist es fast undenkbar, dass Unternehmen Langzeitverträge eingehen, ohne vorher eine Schufa-Auskunft über den Vertragspartner zu verlangen. Somit wird es in der Zeit der Privatinsolvenz extrem erschwert, Verträge über Geschäftsräume, Gas, Strom, Telekommunikationsleistungen und so weiter einzugehen.

Was tun, wenn…

Je früher qualifizierte Hilfe in Anspruch genommen wird, desto geringe sind normalerweise die Auswirkungen auf das persönliche Vermögen. Die Krise sollte möglichst im geschäftlichen Bereich bekämpft werden, sodass sie gar nicht erst auf den privaten übergreift. Scham ist da fehl am Platz: Ein Schuldnerberater oder Anwalt sollte rechtzeitig kontaktiert werden. Das Scheitern einer Geschäftsidee kann mit guter Beratung auch zu einem neuen Start werden – denn jede Krise bringt auch Chancen mit sich.

Bild:  yuoak / Getty Images