Das ewige Aufschieben von wichtigen Aufgaben

Ich habe Probleme. Ich bin ein Prokrastinator.

Ich saß sehr viel länger an diesem Artikel, als ich geplant hatte. Statt zu schreiben, habe ich zum Beispiel lange Zeit damit verbracht, mir dieses Bild anzugucken. Keine Ahnung, wie ich darauf stieß. Von dem Affen inspiriert, habe ich mir dann die lustigen Äffchen aus diesem Artikel angeschaut und darüber nachgedacht, ob der große Affe wohl gegen mich gewinnen würde, wenn wir gegeneinander kämpfen müssten.

Dann habe ich darüber nachgedacht, ob er wohl auch gegen einen Tiger gewinnen würde, und mir dann die Frage gestellt, wer gewinnt, wenn ein Tiger und ein Löwe gegeneinander kämpfen. Ich wusste es nicht, deshalb habe ich die Frage gegoogelt. Ich habe Probleme. Ich bin ein Prokrastinator.

Prokrastinator → Prokrastination; Substantiv; Aufschiebungsverhalten, Erledigungsblockade, Bummelei

Um zu verstehen, warum manche Menschen, ich zum Beispiel, Dinge ewig lang aufschieben, muss man sich das Gehirn dieser Menschen ansehen.

Das Gehirn eines normalen Menschen:


Ziemlich normal, oder? So hingegen sieht das Gehirn eines chronischen Aufschiebers aus:


Offenbar gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen den zwei Typen. Im Gehirn des unteren wohnt ein kleines Haustier: der Spaß-Affe. Der wäre völlig okay, vielleicht sogar ganz süß, wenn man wüsste, wie man mit ihm umgehen soll. Leider hat dem Aufschieber das niemand erklärt, deshalb ist er schwer überfordert mit ihm. Er hat keine Ahnung, wie man den Affen behandeln soll.





Es gibt kein Wesen, das sich weniger zum Dinge-erledigen eignet, als der Spaß-Affe. Er denkt nur ans Jetzt, hat nie aus irgendeinem Fehler gelernt und ignoriert die Zukunft komplett. Es geht ihm einzig und allein darum, jeden Moment seines Lebens so bequem und angenehm wie möglich zu gestalten. Rationale Entscheider und Macher sind ihm sehr suspekt. Das Misstrauen beruht auf Gegenseitigkeit.

Seine Einstellung: Warum soll man noch weiterjoggen, wenn man längst keine Lust mehr hat? Warum soll man Klavier üben, wenn es keinen Spaß macht? Warum soll man arbeiten, wenn man am Computer sitzt und einen Klick weiter das große, weite Internet mit Youtube-Videos und interessanten Facebook-Posts auf einen wartet? Menschen, findet der Affe, sind geisteskrank.

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Der Artikel stammt von Tim Urban und wurde im englischen Original auf waitbutwhy.com veröffentlicht. Er erschien auch auf Welt.deins Deutsche übersetzt von Pia Frey.

Bilder: WaitButWhy.com

Auf dem Spielplatz des Grauens

In der Welt des Affen ist alles sehr einfach: Man isst, wenn man Hunger hat, man schläft, wenn man müde ist und man kümmert sich auf keinen Fall um irgendwelche mühsamen Dinge. Es ist also klar, dass der Affe in der Welt der Menschen ein höchst ungeeigneter Steuermann ist. Rationale Entscheider und Macher, in deren Gehirnen kein Spaß-Affe wohnt, haben das Glück, mit niemandem um das Steuerrad kämpfen zu müssen, wohingegen die Aufschieber jeden Tag harte, anstrengende Gefechte austragen müssen.

So passiert es, dass der Aufschieber sich mit dem Affen an Bord Tag für Tag an einem Ort wiederfindet, der sich „Spielplatz des Grauens“ nennt.*

Jeder Aufschieber kennt diesen Ort. Es ist ein Ort, an dem an jeder Ecke Unterhaltung lauert – immer genau dann, wenn gerade der schlechteste Zeitpunkt für Unterhaltung ist. Und der sogenannte Spaß bringt an diesem Ort keinen Spaß, weil man ihn sich hier nicht verdient hat. Auf dem Spielplatz des Grauens ist die Luft schwer von Schuld, Angst und Selbstvorwürfen. Entscheider, die sich hierhin verirrt haben, schlagen vergeblich vor, einfach abzuhauen und stattdessen etwas Sinnvolles zu tun.

Aber der Affe hat hier das Sagen und er ist sich todsicher, dass kein Mensch, der sich an diesen Ort verirrt hat, dazu kommen wird, sogenannte „vernünftige Dinge“ zu erledigen. Man befindet sich hier in einem Fegefeuer absurder Ablenkungsmanöver. Hier, auf dem Spielplatz des Grauens, wo die Spaß-Affen das Sagen haben, kann jeder Mensch nur verlieren.


Nach kurzer Zeit an diesem Ort ist der arme rationale Entscheider schwer frustriert von der Vorstellung, was für ein großartiger Mensch er hätte werden können, wenn er nicht auf dem Spielplatz des Grauens gelandet wäre.**


Wie soll man hier, unter der Herrschaft des Affen, jemals der großartige Entscheider und Macher werden, der man einmal sein wollte? Nur so: mit Hilfe des PANIK-MONSTERS. Das Panik-Monster ist das einzige Wesen, das dem Spaß-Affen das Blut in den Adern gefrieren lässt.


Meistens schläft das Panik-Monster. Aber manchmal wacht es ganz plötzlich auf – meistens, wenn irgendeine Deadline ansteht, wenn die Gefahr einer öffentlichen Blamage zu groß wird, wenn ein Karriere-Desaster droht oder sich irgendeine andere furchtbare Konsequenz abzeichnet.




Der Spaß-Affe, den sonst nichts und niemand einschüchtern kann, hat riesige Angst vor dem Panik-Monster. Es ist den Attacken des Panik-Monsters zu verdanken, dass Menschen, die wochenlang keinen Satz zu Papier bringen, plötzlich nächtelang aufbleiben und seitenlange Essays schreiben, weil irgendeine Abgabefrist abläuft. Die Attacken des Panik-Monsters sind grausam. So schaffen es selbst außerordentlich faule Menschen, plötzlich eine rigorose Last-Minute-Disziplin an den Tag zu legen.

Das ist allerdings nur bei den Aufschiebern so, die Glück gehabt haben. Es gibt auch welche, die gegen die Attacken des Panik-Monsters immun sind. Im allerletzten Moment flüchten sie sich mit dem Spaß-Affen auf einen Baum, wo sie in eine Art Wachkoma fallen und irgendwann von der Welt vergessen werden. Das ist natürlich alles kein Zustand. Selbst die Aufschieber, die in letzter Minute ihre Dinge auf die Reihe kriegen und es schaffen, ein kompetentes Mitglied der Gesellschaft zu bleiben, müssten etwas ändern. Warum? Darum:

1) Es ist unangenehm. Aufschieber verbringen einen großen Teil ihrer Zeit auf dem Spielplatz des Grauens. Wie der Name schon sagt, ist es dort grauenhaft. Ihre Zeit könnten sie stattdessen damit verbringen, sich mit gutem Gewissen für getane Arbeit zu belohnen.

2) Aufschieber bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück. Sie schaffen es selten, ihre Chancen auszuschöpfen. Ihre Potentiale werden überschattet von Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen.

3) Aufschieber haben keine Zeit für andere schöne Dinge: Auch wenn es die meisten Aufschieber am Ende doch immer schaffen, ihre To-Do-Listen abzuhaken, bleiben Dinge auf der Strecke. Dinge, die auf der „Can-Do-Liste“ stehen“ – und die das Leben lebenswert machen: Sonntagsausflüge, Marmelade kochen, Gitarre spielen, ins Kino gehen, ein Buch schreiben oder lesen zum Beispiel. Solche Dinge tun Aufschieber selten, weil das Panik-Monster sich leider nicht für Beschäftigungen dieser Art interessiert. Gerade diese kleinen Tätigkeiten bereichern aber unseren Alltag. Wir Aufschieber verpassen viele Glücksmomente, weil wir so viel Zeit auf dem Spielplatz des Grauens verbringen.

* Sehr wahrscheinlich befinden sich viele, die diesen Artikel gerade lesen, auf dem Spielplatz des Grauens.

**Ich selbst habe volle zwei Stunden auf dem Spielplatz des Grauens verbracht, bis ich es schaffte, dieses Bild zu malen. Ich ahnte, dass die Beschriftung der Schilder furchtbar mühsam werden und ewig lang dauern würde. So war es dann auch.

Der Artikel stammt von Tim Urban und wurde im englischen Original auf waitbutwhy.com veröffentlicht. Er erschien auch auf Welt.de; ins Deutsche übersetzt von Pia Frey.

Bilder: WaitButWhy.com