Raisin-Gründer Tamaz Georgadze denkt strategisch – nicht nur beim Schachspiel.

Im Alter von fünf Jahren holte Tamaz Georgadze bei Schach-Meisterschaften Titel und Pokale. Heute erobert er mit der Plattform Raisin als Vermittler von Termingeldern Märkte. „Ich war ganz gut“, sagt er bescheiden. In Wahrheit war er unten den besten fünf bis sieben seines Landes. Man kann Georgadze als Wunderkind bezeichnen, aber das hört er nicht gerne: In der Schule hat er vier Klassen übersprungen, mit Zwölf das Abitur gemacht, mit 16 promoviert. Dann wurde er Referent des georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse. 1995 zog er nach Deutschland.

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Der Gründer denkt strategisch

Heute braucht alles seine Zeit, das gilt für Finanztechnologien ganz besonders. „Man kann vieles Hauruck machen. Aber wir sind in dem sensiblen Bereich der Kapitalanlage. Da dauert alles etwas länger.“ Das Schachspiel hat Georgadze geprägt. Er sieht viele Parallelen zu seinem Job als Gründer und CEO. „Viele Themen, die wir haben, sind strategischer Natur.“ Georgadzes Startup Weltsparen bietet bis zu 2,45 Prozent Zinsen für Festgeld sowie Tagesgelder an und ist in neun Märkte expandiert. Insgesamt werden Anlagen von 35 Banken angeboten.

Die Geschäfte werden über die Partnerbank MHB abgewickelt. Die Anlagen sind für Kunden bei 100.000 Euro pro Bank gedeckelt. Das ist der Betrag, der auch durch die europäische Einlagen­sicherung gedeckt ist. Die Idee für Weltsparen, wie sich Raisin in Deutschland nennt, hatte Georgadze bei der Unternehmensberatung McKinsey. 

RAISIN
Wachstumsrate: 162%
Gründungsjahr: 2012
Kategorie: Plattform 
Website: www.raisin.com

Er war Berater für Einlagenprodukte und Banken. „Um 2008 hatte ich die Idee, dass es Kunden möglich sein sollte, grenzüberschreitend Geld anzulegen.“ Georgadze half Klienten, in Osteuropa Konten zu eröffnen, wo Banken damals hohe Zinsen zahlten. Das wurde die Blaupause. „Wir wollten ursprünglich Banken und Anleger weltweit zusammenbringen.“ Doch die Regulatorik verhinderte das. Banken benötigen eine lizenzierte Niederlassung in der EU. Das ist ein aufwendiger Prozess, der sich für viele Geldhäuser nicht rechnet. Deshalb konzentriert sich Weltsparen auf die Einlagenvermittlung im europäischen Finanzmarkt. Aber selbst innerhalb Europas sind grenzüberschreitende Dienstleistungen kompliziert.

Keine Angst vor dem Brexit

Den Brexit fürchtet Weltsparen nicht, wenngleich er in dem internationalen Unternehmen bedauert wird. „Wir sehen eine große Unsicherheit bei den großen Banken in London. Viele gehen nach Dublin oder Frankfurt. Darin sehen wir Opportunitäten, weil dadurch ein neues Geschäft entsteht“, sagt der Gründer. Der britische Markt gilt als drittgrößter Anlagemarkt in Europa. „Für uns ist der britische Markt wichtig. Wir wollen ihn auf Dauer bedienen.“ Das war auch der Grund, 2017 den britischen Finanzdienstleister PBF Solutions zu übernehmen, der mit eigenen Produkten (SavingDeals, Fundshare) weiter am Markt bleiben soll. „Die Übernahme war zum Teil auch vom Brexit getrieben.“ Parallel baut Weltsparen in Großbritannien eine Anlageplattform auf, die in den nächsten Wochen starten soll.

Marktführer in Deutschland

In Deutschland ist Weltsparen mit einem Einlagevolumen von vier Milliarden Euro Marktführer und teilt sich mit dem Startup Zinspilot den Markt, nachdem dieses Savedo übernommen hat. Auf beide Startups entfällt nur ein kleiner Teil des deutschen Festgeldmarktes, der mit einem Privatkundenvermögen von 600 Milliarden Euro beziffert wird. Trotz der hohen Zinsen greifen Banken in dieses Geschäft nicht ein.

„Das ist für sie ein technologisches und ein psychologisches Problem“, sagt Georgadze. Banken verfügen über verkrustete Technologien und sind seit Generationen auf vertikale Strukturen fixiert, also den Kunden für sich zu behalten und ihm nur eigene Produkte anzubieten. „Doch der Kunde gehört niemandem. Die Banken realisieren das nicht“, sagt der Gründer. „Für Kunden werden die Hürden zu wechseln immer kleiner.“

Zusammenarbeit mit Banken

Georgadze will mit Banken kooperieren. Mit der Bank N26 funktioniert das schon. „Seitdem fragen Banken bei Weltsparen an und wollen eine ähnliche Lösung für ihre Kunden übernehmen.“ Ein weiterer Fokus sind Festgeld-Einlagen für Geschäftskunden. „Kleine und mittlere Unternehmen sind für uns ein wichtiger Bereich.“ Ein dritter Ansatz ist, Aktienprodukte und Unternehmensanleihen anzubieten. Als erstes Investmentprodukt wird WeltSparen über die Plattform der Bank DAB BNP Paribas ETF-Portfolios anbieten, die Privatanlegern einen besonders günstigen Zugang zu den Kapitalmärkten ermöglichen.

„Da gibt es viel Unzufriedenheit wegen der hohen Kosten bei der Hausbank“, sagt Georgadze. Zum Schluss des Treffens sitzen Gründer und Reporter am Schachbrett. Georgadze spricht über ­Parallelen zwischen Spiel und Entrepreneurship. „Man muss immer ein paar Züge voraus berechnen. Wir folgen einer Vision, die in fünf bis sieben Jahren wahr werden kann.“

Mit fremder Hilfe funktioniert das besser: So hat der internationale Finanzdienstleister PayPal 2017 einen zweistelligen Millionenbetrag in den Festgeld-Marktplatz Raisin investiert. Für PayPal ein interessanter Schachzug: Die Plattform könnte damit ins klassische Bankgeschäft einsteigen und Tages- sowie Festgelder anbieten. Für Raisin war dies bereits die vierte Finanzierungsrunde: Das Startup hatte in drei Runden insgesamt 60 Millionen Euro Wagniskapital erhalten.

Bild: Chris Marxen | Headshots-Berlin.de