Eigentlich begegnet man ihnen immer mit ihrem iPad unterm Arm. Die Aufklebersammlung auf der Rückseite des iPads lässt nur vage vermuten, welche App auf dem iPad läuft, doch wenn man ein Gespräch mit den Schweden beginnt, wird alles klar: Es geht um Bücher und eine kleine Revolution. Readmill (www.readmill.com) heißt das Berliner Startup und die App des skandinavischen Gründerduos David Kjelkerud und Henrik Berggren – mit ihrem sozialen Netzwerk für Leser von E-Books wollen sie die E-Book-Industrie umkrempeln. Das Berliner Startup ging nach dem Beta-Launch vor einigen Stunden offiziell online und verkündete bereits ein Seed-Investment. Nun machen sie sich auf, die global größte Plattform für soziales Lesen zu werden und damit digitalen Büchern eine wahre Daseinsberechtigung zu geben.

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Readmill: Bücher werden zum sozialen Erlebnis

Erinnerungen an die Schulzeit flammen auf, wenn man sich mit den Readmill-Gründern David Kjelkerud und Henrik Berggren unterhält. Auf einmal werden Bücher wieder besprochen, gemeinsam erlebt, so wie zuletzt im Deutschunterricht. Readmill vernetzt Bücher-Leser und eigentlich macht Readmill noch vielmehr: Readmill will Bücher mit dem Internet verbinden.

„Es geht nicht darum Bücher gemeinsam zu lesen. Uns geht es darum Bücher erstmals wirklich mit dem Internet zu verbinden und nicht den Content eins-zu-eins von der realen in die virtuelle Welt zu hiefen. Jeder redet über das Teilen, Readmill macht genau das möglich“, sagt Readmill-Mitgründer Henrik Beggren. Wenn Henrik Beggren vom E-Book-Markt erzählt, zeichnet er das enttäuschende Bild einer geglaubten Revolution. Digitale Bücher, dachte man vor einigen Jahren, ganz praktisch, doch zeitgleich irgendwie so nutzlos. All das was das reale Buch kann, geht mit dem E-Book verloren. Man kann es nicht fühlen, es beschreiben, die Seiten knicken, bekritzeln, Post-its in das Buch kleben. Mit Readmill geht das.

Readmill ist ein intelligentes Lesezeichen für E-Book-Lesegeräte, eine kostenfreie iPad-App ist das Herzstück des Startups. Nach der Registrierung können Mitglieder ihre nicht-kopiergeschützten elektronischen Bücher in die Readmill-App importieren und mit dem Konto verknüpfen. Dann erst startet das „soziale Erlebnis“. Die App zeigt was der Leser gerade liest, notiert was andere Leser zum Textabschnitt anmerken und vermerkt, welche Passagen der Leser selbst bermekenswert findet, wo er seine Bücher liest – alles kann über Readmill und bekannte Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Tumblr geteilt und öffentlich zur Diskussion gestellt werden. Die Konsumdaten der Leser werden öffentlich publiziert. So entsteht ein öffentliches Lesezeichen für E-Books.

Readmill kann zum neuen Marketing-Tool für Verlage werden

„Readmill verbindet nicht nur Leser, Readmill verbindet auch Leser mit Buchautoren und Verlage mit den Interessen der Leser“, sagt Berggren. „Wir wollten etwas kreieren, was komplett neu ist.“ Fünf Monate lief Readmill mit etwa 10.000 Testern in der Betaversion – nun gibt es die App im App-Store.

Readmill wolle sein Geld künftig über unterschiedliche Einnahmequellen machen, dazu gehöre ein Affiliate-Programm sowie die Möglichkeit für Verlage, die Interessen der Leser kennenzulernen – Readmill könne zu dem neuen Marketingtool für Verlage heranwachsen. Das Startup plant auch den Bücherverkauf aus der App heraus.

Readmill will digitale Bücher sinnvoll machen

Readmill ist nicht das erste soziale Netzwerk für Buchliebhaber. Aber die Readmill-Gründer wollen weiter gehen als die Konkurrenz. Bei den Social-Reading-Plattformen LovelyBooks (www.lovelybooks.de) oder BookRix (www.bookrix.com) müssen sich die Mitglieder zum Beispiel über Kriterien wie Lieblingsautoren oder händisch eingetragene Lieblingstitel vernetzen, Readmill schaut auf das tatsächliche Leseverhalten. Große Konkurrenz kommt auch aus den USA: zum Beispiel Goodreads (www.goodreads.com) oder Librarything (www.librarything.com). Auch Amazon hat nicht geschlafen.

Eine Erweiterung auf Kindle-Lesegeräte könnte Readmill eigentlich einen riesigen Nutzer-Schub bringen. Doch Amazon hat bereits eine eigene Plattform für Kindle-Kunden gebastelt und diese mit Social-Media-Elementen versehen. Berggren bringt den „alten“ Plattformen durchaus Respekt entgegen, doch alles, was andere Unternehmen bisher gemacht hätten, sei zu übertragen, zu gewollt, Readmill wolle etwas komplett Neues kreieren. Die Konkurrenz wie Goodreads sei Teil einer alten Generation, sie bediente Interessen und sei nur eine billige Kopie des haptischen Bucherlebnisses, aber die Leser da draußen würden mehr verdienen, so Berggren.

Readmill und die SoundCloud-Familie

In ihrer Bürogemeinschaft unweit der Friedrichstraße wird die Vernetzung gelebt – das neunköpfige Readmill-Team teilt sich ein Büro mit dem Berliner Startup Amen (amenhq.com). Und alle in ihrem Umfeld entdecken nun die Lust am Bücherlesen wieder. Für ihre Idee sind die Schweden einmal um die Welt geflogen – Flickr-Mitgründerin Caterina Fake gab im November 2010 bei einem Treffen in San Francisco die Initialzündung – sie präsentierte den Gründern die Arbeit an einem Buch, die Idee von Readmill war geboren.

Viel früher allerdings entdecken die beiden Schulfreunde Berggren und Kjelkerud aus Stockholm die Lust am Gründen. Bereits zu Schulzeiten gründeten sie ein Produkt-Design-Studio. Im Jahrgang über Berggren und Kjelkerud waren die SoundCloud-Gründer Eric Wahlforss und Alexander Ljung. Nach der SoundCloud-Gründung arbeite Berggren selbst ein Jahr für das Startup. Dann entstand die Idee zu Readmill. SoundCloud habe die Readmill-Gründer inspiriert, ihr Startup in Berlin aufzubauen.

„Die Buchindustrie steht heute mehr oder weniger da, wo die Musikbranche vor fünf Jahren war. Aber sie bewegt sich viel schneller“, so Berggren. Man kann also gespannt sein, ob Readmill es schafft, die selbe Klasse wie SoundCloud zu erreichen. Auch finanziell steht SoundCloud hinter Readmill – neben Passion Capital (www.passioncapital.com), Index Ventures (www.indexventures.com), Prehype (www.prehype.com), Peter Read, Christophe Maire und „old friends from Stockholm“ war SoundCloud (soundcloud.com) an der 280.000 Euro hohen Seed-Finanzierung in das Startup beteiligt.

Readmill plant iPhone- und Android-App

Im März 2011 zogen die beiden schwedischen Readmill-Gründer von Stockholm nach Berlin. Das Team möchte nicht weniger als eine Leserevolution in die Wege leiten. Readmill soll auf möglichst vielen Lesegeräten E-Book-Formate unterstützen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt wohl vor allem in der Integration von Readmill in möglichst viele Reader-Lösungen. Für das erste Quartal 2012 ist eine iPhone-App und eine Android-App geplant. Readmill könne laut Unternehmensanaben theoretisch mit 80 Prozent aller E-Bücher kombiniert werden.

Eine weitere Finanzierungsrunde für Readmill sei bereits angedacht – um einen schnellen Exit geht es den Gründern allerdings nicht, sie wollen ihre Idee nachhaltig groß machen. Die große Leserevolution ist ihnen und uns zu wünschen.

Readmill erklärt sich selbst

This is Readmill from Readmill on Vimeo.