Der Autor Jan Luley ist Abteilungsleiter für Display Advertising in der Online-Agentur spacedealer GmbH. Er betreut dort strategisch und operativ die Display-Etats verschiedener Kunden aus diversen Bereichen.

RTB und das mathematische Problem

Real Time Advertising (RTA), Real Time Bidding (RTB) oder auch Programmatic Buying sind aktuell die Display-Trendthemen. Die automatisierten Prozesse des Kampagneneinkaufs und der Kampagnensteuerung versprechen für die Display-Kampagnen auf den ersten Blick erhebliche Vorteile gegenüber der klassischen Umfeldplanung.

Theoretisch trifft das auch auf Websitebetreiber mittelständischer Unternehmen zu (Mittelstand bezieht sich in diesem Fall auf die Reichweite der Website. Hört man sich aber auf den letzten Konferenzen zu diesem Thema um oder liest sich die jeweiligen Case Studies durch, fallen im Detail vor allem zwei Dinge auf:

1. Der RTB-Einsatz ist in der Regel dann erfolgreich, wenn die Werbekunden bereits viele Conversions verzeichnen. Der Einkauf und die Kampagnenoptimierung via Real Time Bidding können in diesem Fall effizient umgesetzt werden, da die vorhandenen Datenmengen für die Modellierung der Bidding-Algorithmen dann auch ausreichend sind.

Je nach Ausrichtung der Bidder und des Kampagnensetups benötigt man für eine ideale RTB-Optimierung aber zirka 30 bis 50 Datenpunkte pro Tag. Oder anders gesagt: Mehr als 1.000 Conversions pro Monat. Vor diesem Hintergrund stellt sich dann natürlich die Frage:

Was machen eigentlich Advertiser, die aufgrund ihrer speziellen Produktausrichtung (oder Wachstumsphase) noch nicht 1.000 Conversions oder mehr pro Monat verzeichnen?

2. Die allermeisten RTB-Kampagnen unterliegen in der Betrachtungsweise immernoch den direkten Verkaufserfolgen, also Metriken wie Cost per Sale oder dem Return on Investment. Dadurch gibt es in der Kampagnensteuerung eine starke Tendenz in Richtung Retargeting.

Diese Maßnahme hat erfahrungsgemäß im Display Advertising die besten Konvertierungsquoten, ist aber durch die Wiederansprache der Website-Besucher endlich in seiner Reichweite. Hier sind also wieder Werbetreibende mit hohen Besucherzahlen im Vorteil (mehr als 100.000 Unique User pro Monat) und können Retargeting-Kampagnen mit einem relevanten Volumen umsetzen.

Was machen Advertiser, deren monatliche Besucherzahlen deutlich unter 100.000 Unique Usern liegen?
Der Erfolg einer RTB-Kampagne mit geringeren Conversionzahlen, also der Zugewinn automatisierter Optimierungsprozesse, dürfte also eher überschaubar sein. Der „Performancetreiber“ Retargeting ist bei diesen Websites im Wachstumsstadium noch zu vernachlässigen.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, ob für eine Display-Reichweitenkampagne die Conversion-Optimierung immer der richtige Ansatz ist? Für Produkte mit Spontankauf-Charakter kann das noch funktionieren. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmer seinen Cloud-Anbieter wechselt, weil er vor zwei Tagen dazu einen Display-Banner gesehen hat? Also das Werbemittel gesehen, geklickt und direkt den Beratungstermin vereinbart hat.

Bei Produkten mit längeren Entscheidungszyklen wird das wohl kaum so passieren. Ist die Kampagne also nicht erfolgreich? Nach der Logik einer CPO-Optimierung eher nicht. Ist der User aber unter Umständen trotzdem ein potenzieller Neukunde? Vielleicht.

Werbetreibende in der Wachstumsphase beziehungsweise mit geringeren Conversions, bedingt durch das Business Model, benötigen also neue Metriken sowie ausreichend Datenpunkte für eine sinnvolle automatisierte Optimierung.

Programmatic Buying | Erfolgsbewertung

Um der Kernaufgabe einer Display-Kampagne wieder gerecht zu werden (also über neue Produkte zu informieren und den ersten Kontakt zu potenziellen Kunden herzustellen), sollte die Kampagne auch nach Parametern im Bereich Awareness und Reichweite bewertet werden. Die ausschließliche Optimierung nach Clickrate scheint dazu nicht mehr zeitgemäß, da die Bounce Rate dabei keine Berücksichtigung findet.

Zur Bewertung lassen sich zum Beispiel folgende Daten verwenden:

  • Werbemittel-Sichtbarkeitsrate, Werbemittelkontakte je User
  • Informationstiefe der User auf der Website>

Mit Hilfe eines einfachen Skripts im Tag Management können die Conversion Pixel zum Beispiel nach dieser Regel auslösen:

  • User war mindestens X Minuten auf der Website UND
  • User hat mindestens Y Seiten aufgerufen

Dieses Vorgehen ermöglicht es zum einen, die RTB Kampagne nach „Qualitätsbesuchen“ automatisiert auszusteuern und zum anderen wesentlich mehr Datenpunkte zu generieren. Das anfängliche Problem, dass nicht genug Conversions für den Bidding-Algorithmus zur Verfügung stehen, ist damit aus dem Weg geräumt.

Die Frage, welche Regeln denn nun die richtigen Werte für das Auslösen des Pixels sind, lassen sich folgendermaßen beantworten:

  • Ein Klamotten-Retailer hat vielleicht folgende Durchschnittswerte: 7 Minuten Verweildauer  und 10 Seitenaufrufe.
  • Bei einem Carsharing-Unternehmen sehen die Daten dann eher so aus: 3 Minuten Verweildauer und 4 Seitenaufrufe.

Fazit

Die Parameter für die Erfolgsdefinition sind also abhängig vom jeweiligen Businessmodel, die Logik bleibt im Kern aber die gleiche. Anreichern lassen sich diese Logiken natürlich auch um weitere Handlungen wie „In den Warenkorb gelegt“, oder „Newsletter-Anmeldung“. Werden diese Verknüpfungen aber zu eng definiert, stehen am Ende natürlich auch wieder weniger Datenpunkte zu Verfügung. Ein Blick in das Web-Analytics-Tool liefert hier meist schon die notwendigen Daten.

Für die Display-Reichweitenkampagnen verschieben sich also die Datenpunkte im Nutzungs- und Entscheidungsprozess der potenziellen Kunden nach vorne. Durch dieses Vorgehen können dann auch „Werbetreibende aus dem Mittelstand“ sinnvoll die Vorteile des Real Time Advertising nutzen.

Die Auswirkung der Display-Reichweitenkampagne auf Leads oder Sales wird dabei natürlich auch weiter zur Optimierung herangezogen. Dieses Ziel ist dann aber eher für Pull-Maßnahmen (Search-Kampagnen, Inhouse Newsletter, Retargeting,…) der primäre Fokus.

 

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Bild: Paul-Georg Meister  / pixelio.de