ICOs faszinieren seit 2017 immer mehr Startups und Gründer: Jungunternehmer sparen sich das zermürbende Klinkenputzen bei Business Angels und VC-Investoren. Statt um Finanzierungsrunden zu ringen, erschaffen Startups bei Inital Coin Offerings ihre eigene Kryptowährung in Form von Token und verkaufen diese, um Geschäftsideen und Projekte zu finanzieren. ICOs sind die befreiende Antwort auf Knebelverträge von kontrollwütigen Anteilseignern. Für einen ICO braucht es nur noch ein White Paper, eine ansprechende Website und etwas Werbung. Der Erfolg gibt den meisten ICOs in der Tat Recht, auch wenn Kritiker hier nur einen vorübergehenden Hype sehen – womit sie womöglich Recht behalten.

 

Finanz-Vorschriften: Flucht ins Ausland macht keinen Sinn

Wie in den meisten anderen Ländern sind auch in Deutschland ICOs zumindest teilweise reguliert. Deswegen versuchen Startups ihre ICOs rein rechtlich häufig in Gibraltar oder der Schweiz zu starten, die Rechtslage in Deutschland ist ihnen nicht attraktiv genug. Wer so denkt, übersieht indes, dass zu einem gewissen Grad zwar das anwendbare Vertragsrecht, nicht aber das anwendbare Regulierungsrecht frei wählbar ist. Es gelten nämlich die finanzaufsichtsrechtlichen Beschränkungen jenes Landes, in dem die Token vertrieben werden. Das bedeutet: Wer seine Gesellschaft im Ausland errichtet und von dort Token in Deutschland vertreibt, muss sich an hiesige Regeln halten.

So gelingt der ICO

Um Token rechtskonform verkaufen zu können, sind folgende Punkte wichtig:

  1. Core Markets: Zunächst muss geklärt werden, welche Länder mit dem ICO hauptsächlich angesprochen werden sollen. In diesen Ländern muss rechtliche Compliance erreicht werden – also die rechtlichen Rahmenvorschriften eingehalten werden.
  2. Token Design: Nach der Identifizierung der Kern-Märkten muss erarbeitet werden, welche Funktion der zu verkaufende Token hat. Hier stellt sich zum Beispiel die Frage, ob zusammen mit dem Token auch Gewinnansprüche oder Unternehmensanteile verkauft werden sollen. In diesen Fällen ist der Token als Wertpapier (Security) zu qualifizieren, die Anforderungen und der damit verbundene Aufwand steigen stark an. Daneben gibt es viele weitere Ausgestaltungen: Utility Tokens etwa sind – zumindest bisher – den wertpapierrechtlichen Beschränkungen meistens nicht unterworfen. Da die BaFin die Regeln zu Finanzinstrumenten zur Anwendung bringt, sind Unternehmen trotzdem Grenzen gesetzt.
  3. Steuern: Steht das Token Design und ist klar, welche regulatorischen Beschränkungen gelten, ist die steuerrechtliche Frage zu klären. Hier mag es teilweise noch Gestaltungsspielraum durch die Wahl des Sitzlandes des Emittenten geben. Gerade aber bei der Umsatzsteuer kann es passieren, dass die Steuersätze jener Länder Anwendung finden, aus denen die Investoren kommen. Auch, wenn im Einzelfall keine Umsatzsteuer anfallen sollte, kann aber Körperschaftssteuer fällig werden. Im Detail sind die steuerlichen Aspekte sehr kompliziert und weil es noch keine Verwaltungspraxis gibt, muss jeder Fall individuell betrachtet werden.
  4. White Paper: In einem White Paper beschreiben die Unternehmen ihr Geschäftsmodell und erläutern, wofür die durch den Tokenverkauf generierten Einnahmen verwendet werden sollen. Die Praxis zeigt, dass solche Dokumente häufig ungeschickt formuliert sind. Zum einen darf dort nicht drinstehen, was rechtlich unzulässig ist. Zum andern dürfen sich Emittenten in dem Dokument aber auch nicht bis ins Detail auf das künftige Geschäftsmodell verpflichten.
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  6. AGB: In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden die Rechte und Pflichten der Parteien geregelt. Die wichtigste Passage ist die Haftungsbeschränkung. Leider kopieren viele Unternehmen die AGB anderer ICOs und ändern das anwendbare Recht, was zur Folge hat, dass viele Klauseln – und meistens auch jene zur Haftung – unwirksam sind. Die Folge ist eine unbeschränkte Haftung, die schnell an die Substanz des Unternehmens geht.
  7. Verbraucherwiderrufsrechte: Nicht in jedem Fall, aber bei vielen Token Sales gibt es Verbraucherwiderrufsrechte. Wird nicht darüber belehrt, so können Verbraucher, die Token erworben haben, selbst nach einem Jahr noch den Kaufvertrag widerrufen und ihr investiertes Geld zurückverlangen.
  8. Risikohinweise: Zwar finden die formalen und aufwendigen Prospektvorschriften nur bei Wertpapieren Anwendung. Doch auch wenn Token keine Wertpapiere sind, muss der Verkäufer Investoren über Risiken aufklären. Dazu gehört, Käufer zu belehren, dass das investierte Vermögen schnell wertlos werden kann, wenn sich – auch technische – Risiken verwirklichen. Natürlich kann eine solche Liste niemals vollständig sein, muss sie aber auch nicht. Am Ende geht es darum, wahrscheinliche Szenarien abzudecken.
  9. Rechtsform: Die Token sollten durch eine eigens gegründete Gesellschaft verkauft werden, welche die Haftung der Gesellschafter beschränkt. In Frage kommt etwa eine GmbH oder deren kleine Schwester, die UG.
  10. Kryptobörse: Wer handelbare Token verkaufen möchte, muss diese auch an Kryptobörsen listen lassen. Problematisch ist, dass Behörden zuweilen verlangen, dass das für den Token-Verkauf anwendbare Recht auch für diese Börsen gelten solle. Dies stellt Emittenten vor die Herausforderung, Börsen zu finden, die in den Kern-Märkten zugelassen sind.
  11. BaFin: Zu guter Letzt sollte der Kontakt zur BaFin gesucht werden. Die Behörde bietet auf ihrer Internetseite ein Formular für FinTech-Unternehmen an. Wer dort alle nötigen Unterlagen gut aufbereitet hochlädt, erhält eine Bewertung (allerdings keine Beratung) aus aufsichtsrechtlicher Sicht. Token sollten nur bei grünem Licht der Bafin verkauft werden.

Fazit

Entgegen mancher Gerüchte lassen sich Token auch in Deutschland rechtskonform vertreiben. Dies zeigt nicht zuletzt die steigende Zahl hiesiger ICOs. Ohne Not schlägt sich eben niemand gern mit für ihn unbekannten Rechtsordnungen herum. Da haben Startups ganz andere Probleme zu lösen.

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Bild: 3DART / PANTHERMEDIA; Infografik: CMS Deutschland