Voller Körpereinsatz von Jeannine Michaelsen für ihren Sender.
Wie geht eigentlich gutes, junges Fernsehen? Wissen junge Leute überhaupt noch, was Fernsehen ist? Rundfunk – das klingt wie aus der Zeit gefallen. Und ein Fernseher ist doch auch nur ein Bildschirm. Nur ohne Computer. Irgendwie kastriert. Im Rahmen der Media Convention Berlin auf der Digitalkonferenz Republica trafen sich Fernsehmacher und junge Leute, um darüber zu diskutieren, was dieses seltsame Medium heute sein könnte.
Jetzt werden erst mal Videos angeschaut und diskutiert. Zum Beispiel von Herrn Böhmermann. Irgendwie jung und witzig ist er wohl auf alle Fälle. Dabei überzeugt Böhmermann vor allem mit klassischen Werten. Immer gut angezogen, schnell im Kopf und sehr unterhaltsam ist er. Die Schülerin Isabel Suckau auf dem Podium, das unter der Leitung von ZDF-Moderator Jo Schück tagt, findet es ganz toll, dass er auch „mal das Internet einbindet“ und man „nebenbei noch etwas machen kann“. Und sie lobt seine „lockeren Sprüche“. Hoffentlich sagt das niemand dem smarten TV-Moderator. So hat Böhmermann seine TV-Auftritte wahrscheinlich nicht gemeint.
Dann folgt ein Videoausschnitt von LeFloid. Genau, dieser zappelige Typ auf Youtube. Der mit der krassen Basecap. Der ist doch richtig jung und wild, oder? So stellt sich Tante Erna junge Leute vor. LeFloid findet es in dem eingeblendeten Video jedenfalls voll bescheuert, wenn junge Leute ihre Eltern angreifen, wenn diese ihnen das Smartphone wegnehmen. Die LeFloid-Show geht den jungen, braven Studenten, die auf der Bühne die junge Zielgruppe verkörpern sollen, doch etwas zu weit. Sie erkennen hier eine deutliche „Grenzüberschreitung.“ So jung und bescheuert wie LeFloid wollen sie dann doch nicht sein. Youtube-Stars einfach ins TV verpflanzen geht jedenfalls gar nicht. Da ist man sich einig.
Jetzt kommen die RTL2-News. Da schreckt ja schon der Sendername ab – und die Diskutanten betet wie auf Kommando fast alle gängigen Vorurteile herunter, die man so nebenbei über Boulevard-Medien aufgeschnappt hat. Jetzt sind plötzlich „Relevanz“, „Politik“ und „mehr über das Erbeben in Nepal“ gefragt. Also genau das, was all die anderen Nachrichtensendungen den ganzen Tag machen. Aber irgendwie anders. Vielleicht eine Mischung aus Tagesschau und RTL 2 News? So wie in den USA und England? Ja, vielleicht. Die Kollegen von RTL2 sind wirklich nicht zu beneiden.
Dann schildert der TV-Produzent Michael Bart seine Vision vom Fernsehen der Zukunft: „Man muss Content originär für verschiedene Ausspielwege produzieren.“ Aha. Ja. Ist bestimmt richtig. Und dann ringt sich das Podium zu einer gemeinsamen Forderung nach einem „Jugendkanal“ durch. Das gab es übrigens schon im DDR-Rundfunk. War nicht schlecht.
Wenige Minuten später entern einige Vertreter des neuen, coolen Fernsehens die Bühne. Da ist Matthias Murmann, Gründer der „bildundtonfrabrik“, die auch Böhmermanns ZDF-Show „Neo Magazin Royale“ produziert. Oder Moderator Rainer Maria Jilg. Die Schauspielerin und Moderatorin Jeannine Michaelsen behauptet ernsthaft, dass es an Platz für besondere Sendeformate und oft auch an Geld fehlt. Niemand lacht. Komisch. Sie hat dann wohl doch noch das Sendeschema des klassischen Fernsehens im Kopf. Im Internet soll es jedenfalls Platz genug geben, sagt man. Und das Geld fließt in unaufhaltsamen, gigantischen GEZ-Milliarden-Strömen in die öffentlich-rechtlichen Sender.
Kann es sein, dass das viele Geld eher ein Problem ist? Weil es einen überholten Apparat am Leben hält, der in unserer Zeit keine Relevanz mehr herstellen will oder kann? Gibt es ohne Wettbewerb keine Qualität? Das wäre doch mal eine interessante Frage gewesen. Oder warum kommen so viele gute Serien aus dem Ausland? Doch diese Fragen wurde leider nicht behandelt. Michaelsen und ihre Kollegen fühlen sich offenbar ziemlich wohl und cool in ihrer TV-Nische und beklagen sich lieber darüber, dass „Fernsehfuzzis“ wie Kai Pflaume die Sendeplätze verstopfen: „Alles ist voll mit Inhalten, die es schon seit 50 Jahren gibt.“ Merke: Die Fuzzis sind immer die anderen.