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retravel-interview-buchungen Das Retravel-Team: Patrick Müssig, Svenja Gossing, Andreas Höcherl

Wer schon einmal einen Urlaub stornieren musste, der weiß: Das kann viel Geld kosten. Die Umbuchungsplattform Retravel aus Köln glaubt nun, eine Lösung für das Problem zu kennen: Auf dem Portal des Startups können Kunden ihre ungenutzten Reisebuchungen feilbieten, Interessierte können sie abkaufen. Für Hotel-, Ferienwohnungs- oder Pauschalreisebuchungen funktioniert das Konzept schon. Flüge will das Team um CEO Svenja Gossing bald in Angriff nehmen.

Bisher gibt es das erst 2015 gestartete Retravel nur in Deutschland. Ab 2016 plant das ehemalige Plug-and-Play-Startup, auch international loszulegen – und da herrscht bereits Wettbewerb: Auch das Unternehmen Cancelon aus Israel betreibt eine Online-Plattform, auf der Kunden ungenutzte Buchungen verkaufen können. Die Retravel-Gründerin Svenja Gossing im Interview:

Wie kamt Ihr auf die Idee zu Retravel?

Schon vor Retravel bin ich viel gereist, sowohl beruflich als auch privat. Da waren dann schon einmal eine nicht genutzte Hotelbuchung – der Klassiker – oder ein Flug dabei. Ich habe dabei oft viel Geld verloren und mich sehr über die Ohnmacht geärgert, die man als Reisender hat: Beispielsweise war die Buchung nicht stornierbar oder nur gegen sehr hohe Kosten, vom Kampf an den Kunden-Hotlines ganz zu schweigen. Die Idee ist Andreas und mir dann gekommen, als wir uns über unsere Reise-Erfahrungen ausgetauscht hatten. Er hatte ähnliches erlebt. Wir haben uns das Thema dann sehr intensiv angeschaut und festgestellt, dass diese Idee nicht nur einen großen Kundenschmerz löst, sondern auch viel Potenzial hat, denn der Reisemarkt ist riesengroß.

Wie genau funktioniert der Prozess der Umbuchung?

Über unseren Online-Marktplatz finden wir für den Reisenden mit der voraussichtlich ungenutzten Buchung einen Ersatzreisenden. Wir sind dabei Vermittler, die Buchung gehört bis zur Übertragung an den Ersatzreisenden dem Verkäufer. Dieser zahlt übrigens nur dann, wenn wir erfolgreich vermittelt haben. Der Umbuchungsprozess läuft auch über uns, wir kümmern uns um alles. Der Verkäufer bekommt sein (Rest-)Geld und der Käufer die benötigen Informationen, um einzuchecken.

Bekommt Ihr beim Verkauf von Buchungen keine rechtlichen Schwierigkeiten?

Wir bewegen uns absolut in geltendem Recht. Was viele Reisende nicht wissen, ist, dass es eine BGB-Rechtsgrundlage gibt, die zugleich EU-Recht ist. Es ist demnach statthaft, einen Ersatzreisenden für die eigene ungenutzte Reise zu benennen.

Auf den Ersatzreisenden kommen dann noch maximal Umbuchungskosten zu, die bei einer Pauschalreise gerade einmal 25 bis 30 Euro pro Person betragen. Die einzige Ausnahme ist der Weiterverkauf von Flügen. Hier tut sich manche Fluggesellschaft noch schwer, doch mittelfristig möchten wir versuchen, unseren Kunden auch den Service anzubieten, ihre ungenutzten Flugtickets über uns zu vermitteln. Hier wird es wohl eines hoch aufgehängten Präzendenzfalls bedürfen, um genau zu beleuchten, ob hier eine Verhältnismäßigkeit zwischen Umbuchungsaufwand für die Airline und den realen Geschäftsbedingungen besteht oder nicht.

Was macht Ihr anders als Eure Wettbewerber?

In Deutschland haben wir aktuell keinen nennenswerten digitalen Wettbewerber. Im internationalen Umfeld gibt es zwei Konkurrenten, die sich aber nur auf Hotels fokussieren. Solchen Wettbewerb finden wir gut, denn er bestätigt, dass hier ein Markt ist. Für uns ist es wichtig, der Ansprechpartner in Deutschland und Europa für Reisende zu werden, wenn sie ein potenzielles Stornoproblem haben. Egal, ob bei Hotels, Ferienwohnungen, Pauschalreisen oder mittelfristig auch Flügen. Auch die Tourismusbranche profitiert: Hotels zum Beispiel haben eine geringere No-Show-Rate, höhere Auslastung und damit durch jeden Gast höhere Erträge pro Zimmer, da neben dem Übernachtungspreis noch Zusatzausgaben wie Frühstück, Minibar, Wlan, Parken, Zimmerservice, Restaurant oder Spa-Besuche getätigt werden.

Was war bisher Eure größte Herausforderung?

Ich glaube, dass das Leben als Gründer jeden Tag eine Herausforderung darstellt, denn wir müssen mit wenigen Ressourcen stets den höchstmöglichen Output realisieren. Ob es um die große Strategie, das Marketing oder einfach nur um den nächsten Kunden geht. Da hilft nur konsequentes Priorisieren und das Ziehen an jenen Hebeln, die aktuell die größte Wirkung auf die positive Entwicklung unseres Unternehmens haben. Wir wagen uns mit Retravel nicht nur in eine Nische des Reisemarkts, sondern eröffnen gleichzeitg einen absolut neuen Markt – einen Reise-Zweitmarkt. Und das müssen wir allen erst einmal erklären, denn die Unwissenheit ist hier vor allem bei den Reisenden immens.

Was ist für Dich als Frau die größte Herausforderung am Gründen gewesen?

Es amüsiert mich immer wieder, dass es immer noch so ungewöhnlich zu sein scheint, als Frau zu gründen. Ja, es gibt statistisch immer noch relativ wenige Frauen, die das tun. Das muss aber nicht dazu führen, dass es grundsätzlich eine Herausforderung ist, wir haben nicht mehr oder weniger Herausforderungen als Männer. Für mich zählen sowieso nur die Inhalte – egal, ob Mann oder Frau. Ich denke aber, Frauen stellen immer noch zu oft ihr Licht unter den Scheffel. Man darf eben nicht immer das brave Mädchen sein.

Wie sieht die Zukunft für Euch aus?

Hoffentlich fast nur rosig. Unser Ziel ist es, in Deutschland und auch international zur ersten Adresse für Menschen zu werden, die eine Reise nicht antreten können, sowie für Menschen, die beim Suchen einer Reise nicht nur kalt ein Schnäppchen machen, sondern auch jemandem helfen wollen, der nicht verreisen kann. Kurzum: Wir sind die neue Smart Traveller Community. Letztlich treten wir für einen kundenfreundlicheren und in Konsequenz für alle Beteiligten – auch und vor allem für die Tourismusanbieter – profitableren Reisemarkt ein.

Bild: © Viviane Wild, Hinweis: Axel Springer ist Gesellschafter der Business Insider Deutschland GmbH, dem Medienhaus von Gründerszene. Weitere Informationen zu Business Insider findet ihr hier: www.businessinsider.de/informationen/impressum.